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Jimin

Eingekuschelt in einen von Taes dicken Pullovern, einer dünnen Decke um die Schultern und mit noch leicht feuchten Haaren lag ich dicht an meinen besten Freund gedrückt auf dessen Bett, während mein Blick auf dem flimmernden Fernseher vor mir lag, von dessen Programm ich allerdings rein gar nichts mitbekam. Die Müdigkeit hatte sich fest an meine Muskeln geheftet und ließ mich immer wieder wegdösen, trotzdem traute ich mich nicht mich vollends dem Schlaf zu übergeben. Ich fürchtete mich vor dem, was mich dort erwarten würde, vor der dunklen Leere und Trostlosigkeit oder aber den erschreckenden Bildern, die mich heimsuchen würden- Bilder mit denen ich so schon zu kämpfen hatte und welche ich versuchte mit aller Macht zu verdrängen.

Seit diesem einen Moment im Tanzstudio fühlte ich mich seltsam leer. Es war anders als gestern Abend, wo ich mich bereits ähnlich gefühlt hatte- atemlos, träge. Aber heute war es noch viel schlimmer gewesen; ich hatte all meine Wunden und Narben aufgerissen, war selbst in die dunkelsten Abgründe meines Wesens getaucht und hatte seit Jahren das erste Mal all meinen Schmerz hervorgebracht. Und jetzt war er weg- vom Schmerz und der Verzweiflung keine Spur mehr, dafür nur diese allesverschlingende Leere, die ich nicht zu deuten wusste. Ich hatte mich so daran gewöhnt mit diesen stechenden Emotionen umzugehen, mit der Last, die sie auf meine Schultern luden, dass es mich nun überforderte all das nicht mehr zu empfinden.

Es ist vorbei..., hauchte eine leise Stimme in meinem Kopf. Der Schmerz hat ein Ende...

Ich sollte mich darüber freuen, dennoch konnte ich es nicht. Weil es sich falsch anfühlte. Und weil ich wusste, dass es nicht der Wahrheit entsprach. Weil er mich nie loslassen würde....

Daraufhin wurden meine Augen ein weiteres Mal glasig und ich schniefte verächtlich über meine eigene Schwäche, bis mir wieder einfiel, dass ich nie stark gewesen war...

„Chim?", kam dann auch prompt die Reaktion meines besten Freundes, der sich mit sorgenvollem Ausdruck nach vorne lehnte und mir dadurch genau entgegensah. Schnell wischte ich die verräterischen Spuren aus meinem Gesicht, denn obwohl mir bewusst war, dass ich keine Stärke besaß, konnte ich das doch nicht einfach so vor Tae zeigen. Ich würde wenigstens die Illusion meines starken Ichs aufrechterhalten....

Vielleicht würde ich es dann ja selbst irgendwann wieder glauben können.

Ein paar Sekunden sahen Tae und ich uns nur stumm in die Augen. Ich konnte nicht sagen, was genau in ihm vorging, aber ich wusste, dass Tae kein Mensch war, der in solchen Situationen schwieg. Er trug sein Herz stets auf der Zunge, sagte was ihn bedrückte oder ihm Sorge bereitete. Im Gegensatz zu mir hatte er kein Problem damit seine Schwäche offen zu zeigen, sie mir zu erzählen, mit der Gewissheit ich wäre immer für ihn da und würde ihm zuhören. Und das tat ich auch. Nur war das ein wohl bedeutender Unterschied zwischen uns- zumindest in den letzten Jahren, denn davor gab es niemals einen Grund ihn anzuschweigen.

Jetzt gab es ihn allerdings schon und ich verfluchte es..... ich verfluchte meine verdammte Situation, in die ich gedankenlos hineinkatapultiert wurde und die mich nun Stück für Stück von meinen Freunden entfernte.

Denn ich schwieg, ich log..... und das war ihnen nur allzu bewusst. Zumindest glaubte ich das. Aber darum ging es auch gar nicht, denn ich allein empfand es als wäre ich ihrer Freundschaft nicht gerecht. Ich konnte ihnen nicht dieselbe Offenheit entgegenbringen.....

......weil ich feige war.

Ich fürchtete mich davor es auszusprechen, dieses Problem wahrscheinlich stundenlang auszudiskutieren, wo es doch eh nie eine geeignete Lösung geben würde, mit der alle leben konnten. Ich fürchtete mich davor dieses eine Geheimnis auch auf die Ebene meiner Freunde zu projizieren- diese eine Dimension, in der ich nicht damit konfrontiert wurde....

𝑀𝑖𝑟𝑟𝑜𝑟 | 𝑌𝑜𝑜𝑛𝑚𝑖𝑛 |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt