✾94✾

87 8 11
                                    

Jimin

Abends, bereits schon Stunden nachdem wir nach der Weihnachtsfeier bei Jin wieder in Yoongis Wohnung angekommen waren, lagen wir eng umschlungen in seinem mehr als ausreichend großem Bett. Das bekannte, in einem sanften Orange leuchtende Nachtlicht erhellte die Wände in diesen ganz besonders warm erscheinenden Tönen und ließ mich immer wieder verträumt mit meinen Gedanken abschweifen, während wir die gemeinsame Nähe genossen.

Yoongis Arm hatte sich fest um meinen Körper gelegt, hielt mich eng umschlossen, sodass ich einfach ganz entspannt meinen Kopf auf seiner Brust ruhen ließ und still seinem stetigen Herzschlag lauschte. Meine Finger hatten sich schon vor einer Weile genau zu dieser Stelle hin verirrt, erfühlten dieses kräftige Wummern, das mich immer wieder unbewusst einlullte und an unbekannte Orte brachte, weit weg in die Fantasie meines schläfrigen Verstandes.

„Freust du dich schon auf morgen?", fragte ich dann allerdings doch leise, hielt noch ein wenig an meinem Bewusstsein fest, wusste ich doch, dass es vorerst unsere letzte gemeinsame Nacht war. Ich wollte ihn nicht einfach so gehen lassen, ihn in den Schlaf begleiten und morgen früh mit der Gewissheit in die ersten Strahlen der Sonne blinzeln, dass ich unsere gemeinsame Zeit nicht ausreichend genutzt hatte.

„Mh.", nickte er zur Antwort, bereits schläfrig und mit rauer Stimme, doch das war auch kein Wunder. Noch lange hatten wir bei Jin gefeiert, gelacht, gescherzt und erzählt, sodass wir uns dementsprechend spät auf den Weg gemacht hatten, obwohl wir die ersten gewesen waren. Aber unsere Freunde brauchten nicht lange, um zu verstehen, wie wichtig uns diese verbliebene Zeit grade war, weshalb sie uns mit einem sanften Lächeln, einen Haufen an Umarmungen und verwegenen Kommentaren hatten gehen lassen.

„Wie lange hast du deine Eltern jetzt nicht mehr gesehen?" Yoongi grummelte überlegend, drehte sich verschlafen grunzend auf die Seite, wodurch er mir nun ohne weiteres in die Augen sehen konnte, während unsere Körper noch immer eng umschlungen waren.

„Seit ich hierher gezogen bin, also nicht länger als zwei Monate...", murmelte er leise, schien wohl selbst etwas Energie aufbringen müssen, um nicht gleich, hier und jetzt, einzuschlafen. „...aber es ist das erste Mal, dass ich alleine wohne, nur für mich bin, deshalb fühlt es sich irgendwie an als wäre seitdem schon viel mehr Zeit vergangen."

Ich nickte verstehend, meine Finger begannen nun kleine Kreise und Linien auf seiner Brust zu ziehen, was Yoongi mit einem zufriedenem Brummen quittierte.

„Du vermisst sie, oder? Deine Eltern..."

„Mhm... ja, schon irgendwie. Ich hab bis ich nach Seoul kam Daegu auch nie verlassen, deswegen wird mich das alles morgen wohl ein bisschen erschlagen, aber ich vermisse es schon irgendwie. Das alte Haus, mein altes Zimmer...", er schmunzelte belustigt. „... sogar mein kleiner Bruder, der sich immer an mich geheftet hat wie so eine Klette." Wieder musste er lachen, doch wegen seiner letzten Worte sah ich ihn nur mit großen Augen an.

„Du hast einen kleinen Bruder? Das wusste ich ja gar nicht..." Yoongi nickte ein bisschen abwesend, schien wohl in Gedanken an seine Familie zu versinken.

„Ja, Myung ist drei Jahre jünger und damit wohl grade in seiner schwierigen Phase.", er grinste, während seine Finger sich langsam in meine Haare verirrten und dort wie gewohnt sanft mit den dunklen Strähnen spielten.

„Ich hab mir früher auch immer ein Geschwisterchen gewünscht...", merkte ich leise an, war mir selbst nicht unbedingt sicher, ob diese Art von Aussage für die jetzige Stimmung passend war, doch es entsprach der Wahrheit und die wollte ich vor Yoongi nicht mehr verstecken.

„Was hat deine Meinung geändert?"

„Die Realität. Ich bin vielleicht alleine, aber mittlerweile ist mir das lieber als noch jemanden neben mir zu haben, der das gleiche durchmachen muss wie ich." Ein wenig traurig dachte ich an all die Momente zurück, in denen ich mir gerne einen Bruder oder eine Schwester an meiner Seite vorgestellt hatte, eine Person, die mich auch völlig ohne Worte verstehen konnte, bei der ich auch wirklich zu einhundert Prozent ich selbst sein konnte, zu jeder nur denkbar möglichen Zeit. Aber jetzt war das nicht mehr nötig, jetzt hatte ich jemand anderen dort, ganz dicht an meiner Seite, der all das auch für mich sein konnte, ohne gleichzeitig diesen lästigen Schmerz hautnah erleben zu müssen.

𝑀𝑖𝑟𝑟𝑜𝑟 | 𝑌𝑜𝑜𝑛𝑚𝑖𝑛 |Where stories live. Discover now