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Yoongi

Unruhig lief ich in meiner Wohnung hin und her. Es waren knapp zwanzig Minuten seit seinem Anruf vergangen und eigentlich hätte er schon längst hier sein müssen. Ich machte mir wahnsinnige Sorgen um ihn. Ich hatte sofort mitbekommen, dass etwas bei ihm nicht stimmte und das machte mich schier verrückt. 

Immer wieder sah ich zu der großen Uhr über meiner Tür, verfolgte den Minutenzeiger, der unausweichlich immer weiter voranschritt. Meine innere Unruhe steigerte sich auf ein Maximum und haltlos gab ich meinen Posten am Fenster auf und stürmte zur Garderobe. Da stimmt doch was nicht!

Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so schnell angezogen und nur wenige Augenblicke später stand ich auf der Straße vor dem Wohnkomplex und sah mich suchend um. Da ich ihn nicht entdeckte, wandte ich mich einfach in die Richtung, aus der er kommen müsste und verfiel in einen leichten Laufschritt. 

Ich kam nur wenige Meter weit, bis meine Aufmerksamkeit auf eine zitternde Gestalt am Boden fiel. Wie ein Angestochener rannte ich auf diese Person zu und schon bald bestätigte sich meine bittere Vermutung, um wen es sich dort handelte. „Jimin!", rief ich besorgt und stürzte mich zu ihm, legte meine Arme fest um seinen bebenden Körper. „Jimin!", wiederholte ich meine Worte nochmal eindringlich, doch auch diesmal kam keine Reaktion von ihm. Allumfassende Sorge ergriff mich und ein fürchterliches Stechen zog durch meine Brust, als ich ihn so sah, völlig verzweifelt und am Boden zerstört.

Ganz vorsichtig legte ich meine Finger unter sein Kinn, hob es sanft an, damit er mir endlich in die Augen sah. Bei seinem Anblick erschrak ich jedoch zutiefst. Sein Gesicht war rot und geschwollen, Tränen benetzten jeden Zentimeter seiner wunderschönen Haut, doch was mich am meisten erschreckte, war der Ausdruck in seinen Augen. Verschwunden war das lebhafte Funkeln in ihnen, stattdessen herrschte endlose Dunkelheit, die sich schmerzhaft in meine Seele brannte. Sie stachen mir leer entgegen, als wär ihm jede Freude abhandengekommen und dafür sah ich die endlose Trauer, die Leere. Es tat mir unfassbar weh ihn so zu sehen und ich musste mich blinzelnd davon abhalten jetzt nicht selbst in Tränen auszubrechen. Ich musste jetzt stark sein, für uns beide.

„Komm, bringen wir dich erstmal ins Warme.", flüsterte ich ihm einfühlsam zu und half ihm auf die Beine. Er schwankte merklich und krallte sich haltsuchend an mich, doch ich ließ ihn nicht los. Er hatte bis jetzt noch kein einziges Wort gesagt und das machte mir Angst. Ich vermisste seine Fröhlichkeit, die Ausgelassenheit, die ich jetzt schon mehrmals bei ihm gesehen hatte. Dadurch hatte er ganz anders gewirkt, so froh... frei, unbeschwert bis zu einem gewissen Grad. In diesem Moment jedoch erinnerte er mich an eine zerbrochene Vase, deren Splitter messerscharfe Kanten besaßen und überall verteilt lagen. Er war gebrochen und schon wieder hatte ich keine Ahnung warum oder wegen wem. Es machte mich fertig, dass ich dieses eine kleine Detail von ihm nicht kannte, wo es doch so essenziell in seinem Leben war.     

Ganz langsam liefen wir die paar Meter zu dem großen Haus zurück, wobei ich die ganze Zeit darauf achtete ihn in einem festen Griff zu haben und ihm wenigstens so ein wenig Trost zu spenden. Vor dem Fahrstuhl hielten wir an und ich warf einen prüfenden Blick zu ihm. Zarte Erleichterung durchflutete mich als ich sah, wie er aufgehört hatte zu weinen, doch nun stach dieser leere Blick nur noch deutlicher hervor, was die Erleichterung augenblicklich wieder überschattete. 

Mit einem leisen Klingeln kam der Aufzug an und ich beeilte mich Jimin mit mir in die kleine Kabine zu zwängen. Er gab keinen Mucks von sich, ließ alles mit sich machen und starrte einfach stur gradeaus. Diese Reaktion machte mir wohl noch mehr Angst, als die Tränen davor. Ich hatte ihn nun schon ein paar Mal in solch dunklen Stunden erlebt und auch dort hatten mir seine Tränen wehgetan, doch immerhin war das besser als die Gefühllosigkeit, die grade Besitz von ihm ergriff. 

Wieder gab der Aufzug ein leises Klingeln von sich und schnell griff ich erneut nach Jimin und führte ihn durch das kurze Stück des Flurs in meine Wohnung. Da er keine Anstalten machte sich zu bewegen, öffnete ich für ihn den Reißverschluss seiner Jacke und streifte sie ihm von den Schultern. Auch um seine Schuhe kümmerte ich mich und als er dann so vor mir stand, zog ich ihn in eine feste Umarmung. „Oh Jimin...", hauchte ich leise gegen seinen Nacken und fand irgendwie selbst Trost in unserer Berührung, auch wenn er es eindeutig mehr gebrauchen konnte. 

Nach ein paar Augenblicken löste ich mich wieder von ihm und bemerkte, wie die Leere in seinem Blick langsam wich und stattdessen Schmerz die Überhand gewann, auch wenn mein eigenes Herz dadurch zu krampfen schien. 

Ich nahm seine noch immer zitternde Hand und führte ihn ins Wohnzimmer, wo ich ihn erstmal auf das Sofa drückte. Sein Blick verfing sich im Nirgendwo und die Sorge durchfuhr mich erneut. Zärtlich strich ich über seine Hand, bis ich einen komischen Film darauf spürte. Verwirrt lenkte ich meinen Blick nach unten und bemerkte erst jetzt das getrocknete Blut, das daran haftete. „Was ist passiert?"

𝑀𝑖𝑟𝑟𝑜𝑟 | 𝑌𝑜𝑜𝑛𝑚𝑖𝑛 |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt