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Jimin

Und genau das tat er auch- er hielt mich fest, versicherte mir mit leiser, doch beruhigend fester Stimme, dass all das vorbeigehen würde, dass es mir bald wieder sehr viel besser gehen würde.

Anderthalb Wochen waren seit diesem einem Tag vergangen und ich konnte mit Erleichterung zugeben, dass es bereits schon besser war. Auch wenn ich sonst nie der Typ war, der mit Freude der Schule entgegen gesehen hatte, war dies nun eine willkommene Ablenkung für meine trudelnden Gedanken.

Ich konzentrierte mich einfach auf all die Sachen, die die Lehrer noch in den letzten Monaten vor den Abschlussprüfungen in uns hineinzuprügeln gedachten und suchte die Entspannung, wenn ich die Pause mit all meinen Freunden verbrachte. In diesen Momenten war es herrlich einfach abzuschalten, den Kopf ruhen zu lassen.

Jedoch wurde mir in dem Augenblick klar, dass all dies nur eine scheinheilige Illusion war, als ich an diesem Nachmittag mit Yoongi nach Hause kam und ein reinweißer Briefumschlag zwischen all den Prospekten hervorblitzte, die ich gerade aus dem Briefkasten gefischt hatte.

Verwirrt und mit einem mehr als nur unguten Gefühl starrte ich auf das gefaltete Papier, das unschwer zu erkennen direkt an mich adressiert war.

„Was hast du da?", fragte Yoongi neugierig, legte seinen Kopf von hinten auf meiner Schulter ab, um darüber sehen zu können.

„Weiß nicht.", antworte ich ihm kurz angebunden. „Aber wir werden's wohl gleich herausfinden..."

Mit einem mehr als nur unguten Bauchgefühl und leicht zitternden Fingern faltete ich das Schreiben vorsichtig auseinander. Wie von allein begannen meine Augen über die wenigen Zeilen zu fliegen, brachten all die Fakten in die Windungen meines verwirrten Gehirns.

Als dieses wohl endlich zu verstehen schien, was genau ich da eigentlich grade in den Händen hielt, benötigte ich jedes bisschen Fassung, das ich noch aufbringen konnte, um nicht auf der Stelle umzudrehen und schreiend davon zu laufen.

Niedergeschmettert ließ ich meine Hand samt des reinweißen Briefes sinken, merkte noch nicht einmal wie das Papier geräuschlos aus meinen Fingern glitt und einige Sekunden tanzend durch die Luft glitt, bevor es einige Meter von uns entfernt auf den Boden traf.

Jedoch bekam ich davon nichts mit, mein Blick verlor sich im Nirgendwo, ich hatte das Gefühl wieder ganz am Anfang zu stehen, vor mir ein unpassierbarer Weg, steinig und nur so von Hindernissen gespickt, dass allein der Anblick nichts als Verzweiflung in mir hervorrief.

In den letzten Wochen hatte ich so hart gekämpft diesen Weg trotz aller Hürden und Zweifel zu gehen, wollte diesen zerrütteten Berg aus Problemen erklimmen, um endlich ein sorgloses Leben führen zu können. Ich hatte all diese schlechten Tage überstanden, hatte unzählige Male mit mir selbst gerungen, wollte mehrmals einfach nur aufgeben.

Doch ich hatte es geschafft, hatte so lange durchgehalten, hatte wirklich gekämpft. Für Yoongi, für unsere Beziehung, aber vor allem für mich. Weil ich all das hinter mich lassen wollte.

Und nun das.

„Jimin." Die sanft gesprochenen Silben meines Namens ließen mich aufschrecken, meine Augen trafen auf die traurig wirkenden eines gewissen Blondhaarigen, der wohl während meiner temporären Starre vor mich getreten war und seine weichen Hände nun beruhigend auf meine Schultern senken ließ.

„Du erinnerst dich doch noch, was ich dir vor ein paar Wochen versprochen habe? In deiner letzten Nacht im Krankenhaus?"

Obwohl jede meiner Gehirnwindungen scheinbar grade verrückt zu spielen schien, nickte ich abwesend, diese ganz bestimmten Worte praktisch in meinem Gedächtnis eingraviert, so oft hatten sie mir schon Kraft gegeben, wann immer ich kurz davor stand alles hinzuschmeißen.

Yoongi nickte zufrieden, seine Mundwinkel formten ein schwaches, aber hoffnungsvolles Lächeln.

„Kannst du mir sagen, was ich dir damals versprochen habe?" Wieder bestand meine Antwort nur aus einem gedankenlosen Nicken, bevor ich wirklich verstand, dass er sich eine andere Art der Antwort erhoffte, als diese bloße Geste.

Also riss ich mich zusammen, entschied Yoongi zu vertrauen, ihm zu folgen, anstatt weiterhin in meiner Hilflosigkeit zu ertrinken.

„D-du...", begann ich bebend, hatte Schwierigkeiten meinen Verstand nicht noch weiter in die Ferne abdriften zu lassen. „Du meintest wir würden alles Kommende gemeinsam durchstehen, dass du und ich alles gemeinsam bewältigen würden..."

Yoongi nickte zufrieden, seine Finger nun auf Höhe meiner Schläfe, um einige der tiefschwarzen Strähnen aus meiner Stirn zu streichen. Sein Lächeln wurde um einiges breiter, verlor jedoch nichts von der vorherigen Schwere und Traurigkeit.

„Genau Jimin und ich stehe zu meinem Wort. Auch wenn dieser Brief dir grade vorkommt, als würde er deine Welt aus den Angeln reißen, ich bin da und werde alles tun damit alles wieder ganz wird. Lass uns diese Anhörung gemeinsam durchstehen und danach..... danach, das verspreche ich dir, wird alles wieder gut. Ich werde dafür sorgen, dass alles wieder gut wird."

Ruhig lauschte ich seinen Worten, sog sie auf wie ein trockener Schwamm in Kontakt mit auch nur ein paar Tröpfchen Wasser. Sie wirkten beruhigend, holten mich in das Hier und Jetzt zurück und ließen mich ohne Umschweife in seine wartenden Arme sinken. Die Besänftigung, die ich empfand, als sich seine Arme ebenfalls um mich legten, war unbeschreiblich.

„Versprochen?"

„Versprochen."


~


Es verging keine Woche, da fand ich mich an einem Freitag Nachmittag vor den imposanten Wänden des Gerichtsgebäudes wieder. Es war faszinierend wie atemberaubend herrlich und makellos dieses Gebäude vor mir stand, die hochaufragenden Wände mit vielen grazilen Dekorationen versehen.

Es kam mir beinah schon ironisch vor wie hübsch allein das Äußere war, wo mich doch im Inneren die wohl schwersten Stunden meines Lebens erwarten würden. All das drückte wie ein tonnenschweres Gewicht auf meinen Brustkorb, ließ mich vorkommen als würde ich um jeden Atemzug kämpfen müssen.

„Gehts?", fragte eine leise Stimme direkt neben mir, der dazugehörige Körper ein winziger Trost.

Ich zuckte unsicher mit den Schultern, konnte an nichts anderes denken als an das, was mich gleich erwarten würde.

Nervös glitt mein Blick zu der überdimensionalen Uhr direkt über dem Eingang, die langen Zeiger schon auf dem Vormarsch, um die volle Stunde zu überschreiten.

Mir blieb nicht mehr viel Zeit...

„Yoongi?"

„Mh?", kam seine leise Antwort, auch für ihn war diese ganze Sache kein Zuckerschlecken, das war mir nur zu bewusst.

„Versprichst du mir was?" Obwohl ich mich momentan wie ein verängstigtes kleines Kind aufführen musste, konnte es mir grade nicht gleichgültiger sein.

Ich war verängstigt, würde am liebsten einfach nur reißaus nehmen, aber ich wusste, das würde absolut nichts an all dem ändern.

Mir blieb nur eins...... der Weg nach vorn.

„Alles." Kaum hatte Yoongi dieses eine Wort gesprochen, atmete ich tief durch und trat den ersten Schritt in Richtung des Gebäudes.

„Egal was passiert, lass mich niemals allein."

Es brauchte nur einen weiteren Schritt, bevor seine Antwort bereits folgte. Und es war alles, was ich jemals bräuchte.

„Niemals."

𝑀𝑖𝑟𝑟𝑜𝑟 | 𝑌𝑜𝑜𝑛𝑚𝑖𝑛 |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt