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Jimin

Schwer lehnte mein Kopf an der kalten Scheibe des Busses, die unaufhörlich hin und her schwang und mein Gehirn förmlich durchrüttelte. Doch das war mir grade egal, da ich einfach nicht die Kraft dazu hatte meine Muskeln zu überreden meinen Kopf grade auf meinen Schultern zu halten. So sank er einfach immer wieder gegen das harte Glas, was ab und zu auch öfter mal rummste, während ich meinen Blick nach draußen schweifen ließ. Es war ein reges Treiben auf den Straßen und ich beobachtete die Menschen, wie sie einander mit einem Lächeln begrüßten oder stumm aneinander vorbei huschten. Ich fragte mich wie man an einem solchen Tag nur in der Lage sein konnte ein Lächeln auf den Lippen zu tragen, bis ich mich daran erinnerte, dass ich das ja auch tun müsste. Spätestens wenn Tae an der nächsten Haltestelle einsteigen würde, müsste ich wieder meine alltägliche Fassade aufziehen, würde meine Mundwinkel dazu zwingen müssen sich nach oben zu ziehen, auch wenn mir eigentlich überhaupt nicht danach war. Es tat mir auch ein wenig leid für Tae, schließlich war er mein bester Freund und er hatte es eigentlich nicht verdient, dass ich ihm ständig etwas vormachte. 

Doch mir blieb keine weitere Zeit Schuldgefühle zu hegen, denn da bremste der Bus auch schon mit quietschenden Reifen an der Haltestelle und kurz nachdem sich die Türen kreischend geöffnet hatten, strahlte mir das dicke Grinsen meines besten Freunds entgegen, der sich schwungvoll neben mir auf den Sitz plumpsen ließ. „Morgen, Chim!", trällerte er beinahe vergnügt und fast augenblicklich verzogen sich meine Mundwinkel zu einem schmerzhaften Lächeln. „Morgen.", versuchte ich nicht ganz so energielos zu erwidern und wandte meinen Blick von der Welt draußen ab, um ihn Tae zu zu wenden. Der blickte mir munter entgegen, wobei gleich darauf Verwirrung über seine Züge huschte und sein Lächeln bereits verblasste.

„Alles okay bei dir?", fragte er behutsam und ich sah, wie er die dunklen Ringe unter meinen Augen und meine eingefallene Haut gründlich musterte. Doch ich winkte schnell ab und wich seinem forschendem Blick aus, um nicht zu riskieren etwas unwillentlich zu verraten. Es war schon beinahe komisch. Seit Jahren spielte ich dieses Spiel nun, setzte diese fröhliche Maske auf und verstellte mich in der Öffentlichkeit. Noch nie fiel es mir so schwer wie heute und ich fragte mich woran das wohl liegen könnte. Allgemein veränderte sich derzeitig einfach so unglaublich viel und ich spürte bereits die Überforderung, die an mir hing wie ein quengelndes Kleinkind am Bein seiner Mutter.

„Ja klar.", antwortete ich jedoch dann schnell, fast schon reflexartig, weil ich es nicht anders gewöhnt war. Ich sah die Skepsis in seinem Blick und atmete tief durch, da ich wusste, dass nun weitere Fragen kommen würden. Doch anstatt mich gleich mit diesen zu bombardieren, drehte Tae sich vollends zu mir und legte vorsichtig eine Hand auf meinen Arm. „Bist du dir sicher? Ehrlich gesagt, siehst du so aus als hättest du das gesamte Wochenende keinen Schlaf bekommen...", führte er zaghaft an und ich konnte es ihm nicht verübeln. Dabei wusste er noch nicht mal, wie recht er mit seinen Worten eigentlich hatte. Dennoch konnte und wollte ich ihm die Wahrheit nicht sagen, viel zu präsent waren die Ereignisse noch in meinem Kopf. Sie ließen mich nicht los und würden es wahrscheinlich auch nie wieder, was mich entmutigt den Kopf senken ließ. Doch dann erinnerte ich mich wieder daran, dass ich mir meine Schwäche nicht anmerken lassen durfte und sah schnell wieder auf, begegnete den dunklen Augen meines besten Freundes.

 „Wirklich, Tae. Ich hab einfach nur nicht ganz so viel geschlafen, das ist alles.", ich versuchte meiner Stimme einen festen und überzeugenden Klang zu geben und bemerkte mit Erleichterung, wie die Skepsis langsam aus Taes Gesichtszügen wich. „Na dann solltest du das vielleicht heute mal nachholen.", meinte er wieder mit seinem typisch fröhlichen Grinsen und packte seine Sachen, da der Bus bereits immer langsamer wurde und schließlich vor dem großen Betonklotz unserer Schule anhielt. Tae und ich standen auf und mit einem amüsierten Zwinkern ließ Tae mir den Vortritt. 

Ich seufzte leise als die mehr als nur kühle Winterluft mir ins Gesicht schlug, schulterte meinen Rucksack und bereitete mich auf einen ellenlangen Tag mit lauter unangenehmen Fragen vor.

Taehyung

Sobald Jimin an mir vorbeiging, verblasste mein Lächeln sofort. Stattdessen trat eine steile Sorgenfalte auf meine Stirn und zweifelnd sah ich auf die schmalen Schultern meines besten Freundes vor mir. Mittlerweile war es mehr als offensichtlich, dass Jimin etwas bedrückte. Man merkte es an seiner abwesenden Art und dem fast schon leblosen Glänzen seiner Augen, die sein aufgesetztes Lächeln nicht widerspiegeln konnten. 

Immer mal wieder gab es mal solche Tage, an denen er besonders still war, an denen er fast ausschließlich in seinen Gedanken lebte und nichts von der Außenwelt mitbekam. Lange Zeit hatte ich es nicht wirklich verstanden, hatte einfach nur vermutet, dass er einen schlechten Tag hatte oder es Streit bei ihm zu Hause gab. Doch seit einiger Zeit kamen diese Tage viel öfter vor, wurden beinahe zum Dauerzustand und das bereitete mir Sorge. Ich war sein bester Freund seitdem wir das Laufen gelernt hatten und ich kannte seine sonst so fröhliche und unbeschwerte Art, die nur durch diese bestimmten Tage unterbrochen wurde. 

Ich konnte nicht sagen, warum es ihm so schlecht ging, warum er immer weiter verstummte und sich veränderte, aber mir gefiel diese Wandlung ganz und gar nicht. Ich wollte ihn wieder ehrlich lachen sehen, nicht nur dieses erzwungene Zucken seiner Mundwinkel. Auch machte es mich verrückt, dass er es scheinbar überspielen wollte, was auch immer in ihm vorging. Er verstellte sich, zeigte mir das, was ich sehen sollte und versteckte sich hinter diesem Scheinbild seiner Selbst. Ich tat vielleicht so, als würde ich nichts davon mitbekommen, allerdings war ich nicht blind und kannte ihn in und auswendig. Auch hatte ich den kleinen weißen Verband um seine Hand bemerkt, was meine Sorge jetzt nicht wirklich minderte. Ich hatte wirklich Angst um ihn, bangte um seine Gesundheit. 

Jedoch wollte ich ihn auch nicht drängen. Ich wusste, er würde zu mir kommen, wenn er reden wollte und ich ahnte bereits, dass es Yoongi da ähnlich ging. Er hatte anscheinend einen guten Draht zu meinem besten Freund und es freute mich zu sehen, wie Jimin seine anfänglichen Ängste allmählich überwand. Ich hoffte so sehr, dass Yoongi eine Stütze für ihn sein könnte, dass er ihm helfen konnte, wenn es mir schon nicht möglich war.

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Diesmal erfahren wir ein bisschen über Taes Gedankenwelt. Auch er ist nicht nur der naive beste Freund, wie er es Jimin glauben lässt.

Was haltet ihr davon? Findet ihr es angemessen, dass Tae ähnlich wie Jimin etwas vormacht, mit demselben Vorsatz ihn nicht weiter zu belasten?

Lasst mir doch gerne eure Meinung da und wie ihr den Verlauf der Handlung so findet. Ich würde mich über euer Feedback sehr freuen! <3

𝑀𝑖𝑟𝑟𝑜𝑟 | 𝑌𝑜𝑜𝑛𝑚𝑖𝑛 |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt