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Yoongi

Schwer ruhte mein Kopf auf dem unnachgiebigen Holz der Schulbank, während meine Ohren nur halbherzig dem Monolog meines Physiklehrers folgten. Ich sollte mich eigentlich bemühen mich etwas auf den Unterricht zu konzentrieren; Ich war immer noch neu und hatte noch einiges aufzuholen, dennoch erwischte ich meine Gedanken dabei immer wieder zu einem gewissen Dunkelhaarigen abzuschweifen, dessen zartes Lächeln mir jedes Mal einen angenehmer Schauer verursachte und dessen glockenhelles Lachen meine Welt auf den Kopf stellen konnte, auch wenn ich es noch nicht oft zu Gehör bekommen hatte. Jedoch wollte ich das ändern und zwar bald, obwohl mir noch nicht wirklich bewusst war, wie ich das anstellen sollte. Ein leises Seufzen entwich mir, mittlerweile drückte es beinahe schmerzhaft an der Stelle, welche auf dem unnachgiebigen Holz lag. Ein dumpfes Pochen breitete sich von genau dort in meinen gesamten Kopf aus, was mich abermals kurz seufzen ließ.

Ich langweilte mich schon die gesamte Stunde über. Physik war eines der wenigen Fächer, welches ich nicht mit Jimin zusammen belegte, weshalb mir nun die Anwesenheit des Dunkelhaarigen fehlte. Ich liebte es meine Augen an ihn zu heften, wenn er mit vorgebeugtem Oberkörper nach vorne sah und sich fleißig Notizen machte. Vor allem, wenn es ein Thema war, was ihn begeisterte. Dann war seine Haltung immer gleich ganz anders, meistens gerader und aufrichtiger. Er hörte den Lehrern aufmerksam zu, biss sich leicht auf seine volle Unterlippe, während er begierig mitschrieb. Es hatte etwas wunderschönes ihn auf diese Art und Weise anzusehen. Es hatte nichts von einem aufdringlichen Starren, sondern vielmehr wirklicher Hingabe. Ich konnte es mir selbst nicht ganz erklären, aber ich fühlte mich lebendig, wenn er in meiner Nähe war. Mein Herz schlug schnell und kräftig in meiner Brust, pumpte die ganzen Hormone durch meinen Körper, die mich auf eine wirkliche schöne Art schweben ließen. Schon einige Male hatte ich sowas spüren können und doch noch nie zuvor in einer solchen Intensität. Mir wurde bewusst, dass Jimin eine Seite in mir zum Vorschein brachte, die sonst nie jemand wirklich zu Gesicht bekommen hatte. Er machte mich weicher, sanfter. Vielleicht hätte mir diese Entwicklung früher Angst gemacht; wahrscheinlich zu der Zeit, in der ich selbst etwas abgerutscht war und in der meine Welt in tiefe Schatten getaucht war. Noch lange hatten diese Schatten mich verfolgt, doch seitdem ich hier in Seoul war, war alles anders. Vom ersten Augenblick an hatte ich mich befreit gefühlt, seit langem mal wieder wie ich selbst. Jimin hatte das alles nur weiter verstärkt, hatte mich dazu gebracht meine Augen zu öffnen und auch mal hinter die Fassaden der Menschen zu blicken. Er war einfach nur besonders und wahrscheinlich genau derjenige, für den mein Herz die wildeste Achterbahn fuhr.

„Yoongi.", ertönte dann aber bald eine leise und ziemlich aufdringliche Stimme neben mir, die mich aus meinen rosafarbenen Träumereien riss und mich dazu brachte meinen Kopf ein wenig vom Tisch anzuheben. „Mh?" Ich drehte mich zu Namjoon, der wie fast immer neben mir saß, der jedoch nur bedeutungsvoll zur Tür blickte. Ich folgte seiner Bewegung und starrte in die Richtung, nur um einen ziemlich aufgelösten Taehyung im Rahmen zu entdecken, der sich grade entschuldigend vor unserem Lehrer verbeugte. Sofort war jegliche Müdigkeit und Langeweile aus meinem Körper gewichen, wodurch ich mich schnell kerzengrade aufrichtete und meine Augen nicht von seiner dünnen Gestalt nahm. „Entschuldigen Sie bitte, aber ich müsste mal dringend mit Yoongi sprechen.", drang seine tiefe Stimme zu uns durch. Anders als sonst klang sie weniger weich, mehr kratzig und rau als würde ihm ein dicker Kloß im Hals hängen. Ein unbehagliches Gefühl beschlich mich, weswegen ich nun seltsam rastlos zu dem Mann vor der Leinwand starrte und nur auf seine Antwort wartete. Die Zeit schien für einen winzigen Augenblick stillzustehen, mein Herz setzte einen Schlag aus und meine Lungen schnürten sich zu. Erst als er zustimmend nickte, verließ mich die grenzenlose Anspannung. Schnell griff ich nach meinem Handy, welches ich immer in der Außentasche meines Rucksacks aufbewahrte und schlängelte mich wenig elegant durch die Reihen zu Tae, der mich bereits fest am Handgelenk packte und auf den Flur zog.

Kaum war die Tür hinter uns ins Schloss gefallen, drehte er sich vollends zu mir um und starrte mich mit glänzenden Augen an. „Was ist los, Tae?", fragte ich besorgt und legte auch sogleich eine meiner Hände beruhigend auf seine Schulter. „J-jimin....", fing er nach einiger Zeit mit bebender Stimme an, wodurch sich bereits alles in mir verkrampfte. „Was ist mit ihm?" Wieder blieb er eine Weile still, ich spürte regelrecht wie er versuchte das Geschehene in Worte zu fassen, was ihm wohl sichtlich schwer fiel. „W-wir haben eine Dokumentation geschaut....", begann er dann endlich, stockte jedoch gleich wieder. „Jimin ist nach nur ein paar Minuten aus dem Raum gerannt. Ich bin ihm gefolgt und wollte wissen, was er hat. W-wir hatten eine Art Gespräch. Ich glaube ich hab ihn mit einigen meiner Worte ziemlich verletzt. Das hab ich dann auch schnell bemerkt und es gleich wieder zurückgenommen und mich entschuldigt. Ich hab ihm meine Hilfe angeboten, gesagt er könne immer zu mir kommen, wenn er reden möchte. Es schien als sei alles wieder gut, aber dann hat er auf einmal irgendwas von Schmerz gemurmelt und ist abgehauen......", kam in einem einzigen Schwall über seine bereits zerbissenen Lippen, bevor er ein mal tief Luft holte und mir dann verletzt entgegensah. „Er hat mich einfach stehengelassen und ist weggerannt. Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht haben soll, aber ich hab Angst, dass er jetzt irgendwas dummes macht." Eine einzelne Tränen löste sich aus seinem Auge, zeichnete eine nasse Spur über seine gereizte Haut. Schnell hob er seinen Arm und wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht, eliminierte die Träne und verwischte jegliche Spuren, als hätte es sie niemals gegeben.

„Weißt du, in welche Richtung er gegangen ist?", fragte ich ihn ruhig, ich wollte ihm nicht die Anspannung zeigen, die sich bereits wieder an meine Muskeln klammerte. Tae nickte langsam und deutete den Flur nach unten. Ich zeigte ihm, dass ich verstanden hatte und streckte dann fragend meine Hand nach ihm aus. „Willst du mitkommen ihn suchen gehen oder lieber hierbleiben?", verließ es sanft meinen Mund. Ich wollte ihm die Entscheidung überlassen und wartete nun darauf, dass er sie mir mitteilte. „Denkst du denn er wird mit mir reden wollen, wenn wir ihn finden? Er ist schließlich vor mir davon gelaufen...", gab er zögerlich von sich und ich sah deutlich die Unsicherheit, die ihn erfasste. Ich wartete einen Moment mit meiner Antwort, ließ mir diese ganze Situation erst nochmal durch den Kopf gehen, bevor ich wieder das Wort an ihn richtete. „Ich kann es dir nicht genau sagen Tae, aber ich weiß, dass Jimin dich nicht mit Absicht so weggestoßen hat. Er wird wahrscheinlich selbst mit seinen Schuldgefühlen kämpfen........ Ich werde so oder so mit ihm reden, aber ob du mitkommen willst, ist ganz allein deine Entscheidung." Er nickte verstehend, ließ sich meine Worte gründlich durch den Kopf gehen, bevor er mir antwortete. „Ich glaube ich werde erstmal wieder zurück in die Klasse gehen. Ich werde ihn entschuldigen. ........ Würdest du mir den Gefallen tun und mir eine Nachricht schreiben, falls Jimin sich dazu entscheidet mit mir reden zu wollen?", gab er geknickt von sich, weswegen ich ihm schnell meine Zustimmung gab und ihn in eine beruhigende Umarmung zog. „Natürlich." Nach ein paar Momenten der totalen Stille trennten wir uns wieder voneinander und mit einer kleinen Geste animierte mich Tae nach seinem besten Freund zu suchen. Ich schenkte ihm nochmals einen beruhigenden und aufmunternden Blick, bevor ich mich in die angezeigte Richtung wandte und schließlich um eine der Ecken verschwand.

𝑀𝑖𝑟𝑟𝑜𝑟 | 𝑌𝑜𝑜𝑛𝑚𝑖𝑛 |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt