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Jimin

Auch die Fahrt zurück nach Seoul verlief eigenartig schweigend. Während mir die Stille auf solch engem Raum vor einigen Tagen noch dermaßen widerstrebt hatte, so hieß ich sie heute mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln willkommen.

Leise Musik tönte aus dem Radio zwischen uns, diesmal jedoch waren es keine Kinderlieder. Ich wusste nicht ganz, warum es schließlich so gekommen war, warum nur die Stimme des Moderators immer wieder ertönte und nicht die lustig fiependen Klänge des Kinderchors, welcher uns die letzten Tage irgendwie ständig begleitet hatte.

Vielleicht war uns beiden unbewusst einfach klar, dass wir mit jedem Meter, den wir zurücklegten, auch die Ausgelassenheit unseres Urlaubs weiter hinter uns ließen. Der Spaß war erleichternd gewesen, erheiternd und belebend, aber uns beiden war bewusst, dass uns in Seoul nicht dieselbe heile Welt erwarten würde.

Alleine, dass sich nun etwas verändern würde, änderte die Situation maßgeblich. Yoongi würde mich mit zu sich nehmen, mich aufnehmen als wäre ich ein hilfsbedürftiges Kind, um für mich zu sorgen und mich zu beschützen. Einem sehr kleinen Teil von mir widerstrebte dieser Gedanke. Es war eine leise und rau flüsternde Stimme, doch egal wie sehr ich sie zu ignorieren versuchte, spätestens seit dieser Nacht war das nicht mehr möglich.

Und diese Stimme rebellierte, sie kämpfte so verbittert gegen Yoongis Wunsch mich aus meiner Familie zu befreien, dass ich mich nicht mehr länger davor verschließen konnte.

Denn irgendwo konnte ich sie auch verstehen...

Es war die Stimme des Zweifels erkannte ich nun, doch wo sie sonst so merkwürdig erstickend wirkte, so ließ sie mich nun mit offenen Augen sehen.

Mir wurde bewusst, dass Yoongi mit seiner Bitte ganz explizit versuchte zu helfen. Nicht mit bloßen Worten der Ermutigung oder des Trosts, auch nicht mit Gesten geschwängert von Liebe und Beistand... nein, diesmal war es eine Tat, die ihm selbst beweisen sollte, dass er mir auch wirklich helfen konnte.

Aber war es das für mich auch? War es die Hilfe, nach der ich so ohrenbetäubend laut geschrien hatte und der Anfang eines Weges heraus, hin zum Ende des Tunnels?

Ich zweifelte daran.

Flucht, es war nichts weiter als Flucht, was Yoongi sich da von mir erhoffte. Ich sollte wegrennen, mich verstecken und verkriechen, während ich darauf wartete meine Wunden heilen zu spüren.

Aber wer würde mir das garantieren? Wer könnte mir mit absoluter Gewissheit sagen können, dass es auch wirklich der Ausweg war?

Ich wusste es nicht und genauso wäre es auch mit Yoongi, da war ich mir ganz sicher. Also wieso sollte ich erneut ein Feigling sein? Denn das war das alles hier... noch vor ein paar Tagen hatte ich mich rigoros gewehrt wie ein Feigling zu handeln, nur an mich zu denken und einfach wegzulaufen. Aber ich tat im Prinzip das gleiche...

Ich würde meine Eltern allein lassen, schlimmer noch.... ich würde Mom alleine lassen, die doch grade erst damit begonnen hatte mich zu verstehen.

Es wäre egoistisch, egoistisch und vollkommen nachlässig zu gehen, dabei hatte sich ein anderer Teil auch irgendwie gefreut. Weil mir genauso bewusst war, dass eine geringe Chance für mich bestünde wenigstens ein bisschen zu heilen. Und dennoch kämpfte die Stimme meines Gewissens dagegen an.

War es denn nicht auch schwach von mir einfach aufzugeben? Würde ich damit nicht genauso alles verlieren, was mir wichtig war?

Und da war sie wieder.... die innere Schlacht des Rechtes, während ich doch nur verzweifelt versuchte alles richtig zu machen. Allerdings zweifelte ich langsam daran, dass es überhaupt etwas Richtiges gab...

𝑀𝑖𝑟𝑟𝑜𝑟 | 𝑌𝑜𝑜𝑛𝑚𝑖𝑛 |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt