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Mit einem Ruck drehte ich mich zu der Person um und sah Remus, der mich mitleidig ansah. Ich hatte schon gehofft, dass es mein Vater sei, doch ich wurde enttäuscht. Ich senkte meinen Kopf und stille Tränen rannen über meine Wangen. Remus schien das zu bemerken, denn er setzte sich auf den Boden und zog mich zu sich. 

"Warum haben sie ihn nicht einmal hiergelassen? Er hätte ein anständiges Begräbnis verdient", schluchzte ich an seine Schulter. Er strich mir nur beruhigend über den Rücken und sagte nichts dazu. 

Lange saßen wir einfach nur auf dem kalten Steinboden, bis mir der bissige Geruch von Blut in der Nase zu viel wurde. Wir gingen nach draußen und setzten uns trotz der kühlen Temperatur an den See und schauten in die Ferne. 

"Wie wird es jetzt weitergehen?", fragte ich nach einer langen Pause und schien Remus tief in seinen Gedanken erschreckt haben, denn er zuckte zusammen. 

"Ich weiß es nicht, aber ich brauche erst einmal Abstand. Tonks...jemand muss für Teddy sorgen und hier erinnert mich alles an sie. Ich muss erstmal auf andere Gedanken kommen und einen Anfang finden", sagte er bedrückt. Ihm fiel es immer noch nicht leicht über sie zu sprechen. Ich wollte ebenfalls nicht an die vielen Tode denken und setzte zum Sprechen an. 

"Es ist der Anfang vom Ende, aber wir müssen das Beste daraus machen", sagte ich und Remus schaute mich mit einem kleinen Lächeln an. 

"Du hast noch so viel vor dir. Du hast ein Kind und einen Freund, der sich auf unsere Seite gestellt hat. Er hätte deshalb sterben können, aber er hat bewiesen, dass er lieber bei dir ist, als auf der anderen Seite. Du hast deinen Abschluss gemacht, also kannst du studieren, im Ministerium arbeiten. Du hast eine Familie und das solltest du am meisten schätzen, es ist nämlich das Schönste, was es gibt und kann durch so etwas hier zerrissen werden", sagte er und es tat weh, dass er damit seine Familie meinte und er hatte diese Worte bewusst gewählt. 

"Aber ohne Dad ist es nicht dasselbe", sagte ich betrübt. 

"Alice, ich kannte deinen Vater seit meiner Jugend. Wir waren in einer Schulstufe und in diesem Moment tut mir einfach alles leid, was wir als Rumtreiber gemacht haben. James und vor allem Sirius haben ihn immer schikaniert und einmal wäre es beinahe tödlich ausgegangen", sagte er und wurde gegen Ende immer leiser. 

"Was habt ihr gemacht?", fragte ich ruhig, aber mit Nachdruck in der Stimme. Remus atmete tief ein und schaute auf die glitzernde Wasseroberfläche, bevor er begann zu erzählen. 

"Es war Vollmond und wie jeden Monat habe ich mich in der Heulenden Hütte verwandelt. Sirius wollte sich wieder einmal einen Scherz mit deinem Vater erlauben und hat ihn während meiner Verwandlung in die Hütte geführt. Dein Vater war immer sehr nah an unserem Geheimnis dran. Auf jeden Fall ist er nur knapp dem Tod entkommen, da James ihn noch rechtzeitig retten konnte. Severus stand seit diesem Zeitpunkt in seiner Schuld, aber Sirius hat er nie verziehen", sagte er und ich hörte ihm erschrocken zu. 

"Lass die alten Zeiten ruhen und lass uns in die Halle gehen", sagte ich, um die trübe Stimmung zu heben. Remus nickte abwesend und zusammen gingen wir in die Halle. Dort herrschte fröhliche Stimmung. Niemand achtete mehr auf die Haustische und jeder saß dort, wo er wollte. Viele tranken Butterbier von Aberforth und andere saßen alleine in einer Ecke. 

Harry stand mit dem Rest des goldenen Trios in der Mitte der Halle und wurde freudig von seinen Freunden umarmt. Ich eilte auf ihn zu und führte ihn nach draußen. 

"Hast du Sirius irgendwo gesehen? Ich habe ihm das letzte Mal gesehen, als wir aus dem Bootshaus kamen", erklärte ich. 

"Stimmt, aber er hat mir vorher noch gesagt, dass er dringend etwas erledigen muss", erklärte er und wurde ebenfalls unruhig. 

"Ihm ist doch nichts passiert?", fragte ich geschockt, aber Harry schüttelte langsam den Kopf. 

"Nein, er hat deinen Trank bekommen. Ihm kann nichts passiert sein", erklärte er und die Spannung in meinem Körper ließ nach. 

"Kommst du wieder hinein?", fragte er mich, doch ich schüttelte den Kopf. Ich hatte etwas zu erledigen. Nichts wollte ich in diesem Augenblick mehr, als bei meiner Tochter zu sein und außerdem hielt ich es hier keine Sekunde länger aus. Alles erinnerte mich an ihn, obwohl alles in Trümmern lag. 

Schnell eilte ich nach Hogsmeade, was ganz verlassen war, und apparierte direkt vor die Villa. Schnell ging ich durch den langen Garten und rannte sogar, doch es fühlte sich ewig an, als ich schließlich vor der großen Türe zum Stehen kam. Mein Atem war durch das Rennen gestiegen und auch mein Herzschlag hatte sich beschleunigt. Noch nie hatte ich solch eine Sehnsucht, einen Menschen in die Arme zu schließen. Obwohl...ich würde alles tun, meinen Vater wieder bei mir zu haben und ihm zu sagen, wie sehr ich ihn in diesem Moment bräuchte. 

Ich öffnete die Türe und ging mit schnellen Schritten in das Wohnzimmer, aber niemand war da. Ich ging in die Küche, doch selbst dort war niemand. Komisch, dachte ich mir und wurde wieder nervös. Was, wenn jemand hergekommen war und meiner Ella etwas zugestoßen war? Ich schüttelte schnell den Kopf, um den Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen und lief eilig die Treppen nach oben. 

Ich hatte bereits einige Räume abgesucht, doch nirgends war eine Spur von meiner Tochter und Trixi. 

"Trixi!", rief ich laut und einen Moment später ploppte es neben mir. Voller Freude umarmte ich die kleine Elfe, die einen erschrockenen Laut von sich gab. Kurz hielt ich sie einfach in meinen Armen und löste mich schnell wieder von ihr. 

"Trixi, wo ist Ella?", fragte ich aufgeregt und musste mich zusammenreißen, sie nicht anzuschreien. 

"Alice, Trixi weiß nicht, wie sie erklären soll. Da stand plötzlich ein Mann vor dem Haus und meinte, dass er ein guter Freund sei. Ich habe ihn hineingelassen und da Trixi gerade Futter für Ella machen musste, wollte sich der Mann um sie kümmern", erklärte sie und schaute schuldbewusst auf den Boden. 

"Welcher Raum?", fragte ich erschrocken und Trixi nannte mir den Weg. Ich lief, so schnell ich konnte und drückte die Klinke herunter. Mit einem rasenden Atem scannte ich den  Raum ab und blieb an der Person hängen, die es sich mit Ella auf dem Sessel bequem gemacht hatte. Ich schaute den Mann, der dort saß mit großen Augen an, die sich augenblicklich mit Tränen füllten. Nie im Leben hätte ich damit gerechnet ihn wiederzusehen. Fast ein Jahr, war sein Tod schon vorbei, und doch saß er dort mit meiner Tochter auf den Schoß. 

"Wie ist das möglich?", hauchte ich mit zittriger Stimme und hielt mir die Hand vor den Mund. 

"Lass dich in die Arme schließen, mein Kind", sagte Albus Dumbledore und erhob sich von seinem Stuhl. Ella legte er fürsorglich in ihr kleines Bett und ehe ich mich versah, hatte ich meine Arme um ihn geschlungen und konnte immer noch nicht fassen, wen ich in meinen Amen hielt.

𝔸𝕝𝕚𝕔𝕖 𝕊𝕟𝕒𝕡𝕖Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt