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"Aber...wie?", fragte Alice erstickt, während sie aufstand und um die Bank ging. Weiterhin liefen ihr Tränen über die Wangen. Nichts hatte sie sich seit Monaten sehnlicher gewünscht, als ihren Vater wiederzuhaben und jetzt stand er direkt vor ihr. So, als wäre er nie tot gewesen. Auch ihr Vater trat einige Schritte auf sie zu, bis er knapp vor ihr stand. 

"Weil ich dich brauche und du mich", sagte er und strich ihr mit dem Daumen über die nasse Wange. Alice schniefte und schlang ihre Arme um den Hals ihres Vaters. Severus drückte seine Tochter ebenfalls fest an sich und wollte sie nie wieder loslassen. Alice weinte und weinte, bis Severus die Nässe durch seinen Umhang und sein T-Shirt auf seiner Haut spürte. Aber auch bei ihm bleiben die Augen nicht trocken. Er vergoss ebenfalls einige Tränen und wollte seine Tochter nicht mehr loslassen. 

Er hatte sich noch nie so sehr gefreut, eine Person wiederzusehen. Noch nie hatte er diesen Drang verspürt, einer Person so nahe zu sein. Ja bei Lily, aber dies war etwas anderes. Es war keine romantische Liebe, die er für seine Tochter empfand. Es war Vaterliebe  und er konnte und wollte nicht mehr ohne dieses Gefühl leben. Es raubte ihm jeglichen Verstand und er wusste bis heute nicht, wie es dieses Mädchen geschafft hatte, sein Herz zu erobern. Sie war seine Tochter und er war stolz darauf, eine so mutige Tochter als seine nennen zu dürfen. 

Lange standen sie einfach nur eng umschlungen da und wollten sich nicht voneinander lösen. Langsam hatte sich der Tränenschwall von Alice beruhigt und nur vereinzeltes Schluchzen war zu hören. 

"Ich bin ja da", sagte ihr Vater und strich ihr über den Rücken. So sehr hatte sich Alice gewünscht, seine Stimme wieder zu hören. Er hatte ihn vermisst. Ihren Vater. Seine Art, seinen Sarkasmus und sein gesamtes Dasein. Erst jetzt konnte sie fassen, welch ein Glück sie doch in ihrem Leben hatte. 

Alice löste sich leicht von ihrem Vater und lehnte sich so weit in seinen Armen zurück, dass sie in seine rabenschwarze Augen sehen konnte. Wie sehr hatte sie diese Augen, diese Schwärze, vermisst. 

"Ich möchte alles wissen", flüsterte sie mit brüchiger Stimme. Severus war nicht für eine Antwort fähig und antwortete mit einem Nicken. 

Alice löste sich aus den Armen ihres Vaters und nahm seine Hand. Sie zog ihn zu der Bank und wendete nicht den Blick von ihm ab, als könnte er jeden Augenblick verschwinden. Auf der Bank setzten sie sich gegenüber und konnten sich in die Augen sehen. 

"Wie ist das möglich?", fragte Alice, noch immer mit brüchiger Stimme. Die Abendluft war kühl und sie zitterte leicht. Ihrem Vater blieb dies nicht unbemerkt und er breitete seine Arme aus, während ein zaghaftes Lächeln seine Lippen umspielte. Alice verstand die einladende Geste und kuschelte sich mit dem Rücken an seinen Oberkörper. Nun saß sie zwischen seinen Beinen und er verschränkte die Arme vor seiner Tochter. Sein Umhang verdeckte somit beide und sie genossen die Nähe des anderen. 

Eine Weile saßen sie einfach stillschweigend da. Alice konnte ihr Glück noch immer nicht fassen. Seit drei Monaten galt er als tot und jetzt saß sie mit ihm im Garten. DREI VERDAMMTE M.O.N.A.T.E, schoss es ihr durch den Kopf und die Freude verwandelte sich plötzlich in Wut. 

"DREI! DREI VERDAMMTE MONATE HAST DU MICH IM GLAUBEN GELASSEN, DU SEIST TOT! UND DU HAST DIE DREISTIGKEIT HIER EINFACH AUFZUKREUZEN!?!?", schrie sie ihn an und drehte ihren Kopf zu ihm. Severus zuckte aufgrund ihrer lauten Stimme zusammen. Er reagierte zuerst nicht und erst, als er einen Stoß in den Rippen bemerkte, wurde er wieder in die Wirklichkeit verfrachtet. 

"Du bist immer so voreilig, Alice!", sagte er und schaute tadelnd zu seiner Tochter hinunter. Diese schnaubte nur und lehnte sich mit dem Rücken wieder an seinen Oberkörper. 

"Also?", fragte sie ungeduldig und Severus verschränkte die Arme wieder über Alice, bevor er mit der Erklärung begann. 

"Ich bin heute aus dem Koma aufgewacht und du wirst mir nicht glauben, wer mich gerettet hat", sagte er und dachte an den Moment zurück. 

"Keine Ahnung, Umbridge?", scherzte seine Tochter und wurde dadurch noch enger an ihren Vater gezogen. 

"Es war Black", flüsterte Severus in ihr Ohr. 

"Sirius? Deshalb war er also so selten am Grimmauldplatz", dachte Alice laut und Severus fuhr mit seiner Erzählung fort. 

"Vor dem Krieg, als du mit Ella im Krankenflügel lagst, habe ich mich um einen Trank gekümmert. Es handelte sich hierbei um das Gegengift für Nagini. Ich konnte es mithilfe des Giftes, das von Arthur Weasleys' Angriff in deinem fünften Jahr noch übrig war, herstellen. Als ich schließlich im Sterben im Bootshaus lag, war ich anscheinend schon bewusstlos. Ich hatte es nicht mehr geschafft das Gegengift zu nehmen und außerdem hatte ich schon zu viel Blut verloren. Ich hatte den Tod bereits mit offenen Armen empfangen, aber trotzdem lebe ich noch. Black hat mich in mein Haus in Spinners' End gebracht und dort meine Wunden versorgt. Ich lag derweil im Koma und bin heute aufgewacht", erklärte er und Alice schüttelte sich bei dem Gedanken, ihren Vater wieder sterbend im Bootshaus zu sehen. 

Danach herrschte lange Stille und jeder hing seinen Gedanken nach.

"Hogwarts ist wieder aufgerichtet worden. Harry hat dafür gesorgt, dass du freigesprochen wurdest", erklärte Alice und ihr Vater verkrampfte sich.

"Nein, er hat nichts von deinen Erinnerungen preisgegeben. Kingsley ist jetzt Zaubereiminister und hat wesentlich mehr Anstand. Du wirst doch an die Öffentlichkeit treten?", fragte Alice aufgeregt. Ein zaghaftes Kopfschütteln vernahm sie und sie seufzte. Das hatte sie irgendwie erwartet, aber wie konnte sie ihren Vater umstimmen?

𝔸𝕝𝕚𝕔𝕖 𝕊𝕟𝕒𝕡𝕖Where stories live. Discover now