#3 Ultramontan

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"Sind alle anwesend?" fragte Terastan ab Apollam und schaute in die Runde welche sich an diesem sonnigen Morgen im Sitzungssaal des Intelligenzia Committee¹ im Domus Argenta² auf dem Mont Immortalino³ im Herzen von Sore⁴.

"Senator da Colonna fehlt noch, Vosta Numeen⁵" erwiderte einer der Anwesenden ihm.
"Nun, dann warten wir noch auf ihn" sprach Terastan daraufhin und ließ seinen Blick hinab auf den Mariungo, die Meerenge die durch Sore hindurch das nördliche der Meere von Sore mit dem mittleren Meer verband.

Kurz darauf kam ein wenig abgehetzt auch der Senator in den Raum und wandte sich entschuldigend an Terastan: "Dividuxan⁶ ab Apollam, ich bitte meine Verspätung zu entschuldigen..."
"Schon gut Senator" nahm dieser die Entschuldigung an, "dann können wir jetzt ja zur Tagesordnung übergehen, ich bitte darum Platz zu nehmen.

Nachdem die Anwesenden sich im Halbkreis an einen großen Tisch gesetzt hatten eröffnet er die Sitzung:
"Hiermit eröffne ich die zweite Sitzung des Geheimdienstausschusses in der zwölften Woche des Jahres 2708 ab creatio Sore⁷, ich stelle fest, dass alle Mitglieder des Committee anwesend sind und komme zum ersten Tagesordnungpunkt: Die Lage im Stato Borealo Barbaro⁸."

"Was haben unsere Möchtegern-Herrenmenschen denn schon wieder ausgebrütet?" merkte Senator da Fuora mit sichtlich genervtem Unterton an.
Spöttisches Gelächter hob an, welches Terastan mit einer Handbewegung zum Verstummen brachte.

"Nun, sie haben ihren tollen Kanal fertiggestellt mit dem sie ihre U-Boote schneller in unsere Meere zu bringen gedenken" berichtete er ruhig, "aber der wichtige Punkt der heutigen Sitzung ist ein anderer."
Kunstvoll machte Terastan eine Pause und genoß wie alle Gesichter erwartungsvoll auf ihn gerichtet waren, bevor er fortfuhr:
"Nach den Uns vorliegenden Informationen hat sich der 'Kronprinz' dort in seinen besten Freund verliebt."
Alle Anwesenden wussten was das für den armen Mann und Nordenland bedeutet, wenn es rauskäme und so musste Terastan nichts weiter dazu sagen sondern konnte mit Genuss sie Wirkung der geplatzten Bombe in den Gesichtern der Anderen studieren.

"Sind diese Informationen gesichert?" stellte als Erster Senator da Colonna eine Frage.
"So weit solche Informationen gesichert sein können" entgegnete Terastan ihm, "aber ohne Ihnen zuviel zu verraten, wir sehen und hören so gut wie alles was bei den Barbaren vor sich geht."
"Wir haben doch nicht die beiden im Akte belauscht?" erkundigt sich nun Conventor⁹ Brioni und verzog dabei ihr Gesicht in einer Mischung aus Amüsement und Betroffenheit.
"Nun, das leider nicht" antwortete ihr Terastan und konnte sich dabei ein Grinsen nicht ganz verkneifen, "wir glauben auch nicht, dass die Beiden soweit schon gekommen sind..."
"Könnte Vosta Numeen vielleicht ein wenig näher erläutern wie diese Information denn nun in unsere Hände gelangt ist und was uns von ihrer Authentizität überzeugen soll?" mischte sich nun auch Conventor Ferroni ein.
"Sehr gerne Herr Abgeordneter" versicherte ihm Terastan sofort, "wie Sie alle wissen ist die Machtverteilung im Reich der Barbaren alles andere als stabil und dass der derzeitige Diktator erheblich ins Wanken käme, wenn herauskäme, dass sein einziger Sohn und designierter Nachfolger der 'sorenischen Dekadenz' frönt, dürfte in diesem Kreise wohl keiner bestreiten wollen.
Diese Tatsache haben natürlich auch dessen Rivalen erkannt und von denen scheinen einige Wind davon bekommen zu haben. Zumindestens haben wir Unterhaltungen aus dem Telephon- und dem Telescriptnetz abgefangen und mitgehört, in denen diese Beziehung als Tatsache angesehen wird und Pläne geschmiedet wurden den Sohn des Diktators damit aus der Reserve zu locken und den Diktator so zu schwächen."

"Und was würde das für uns bedeuten mein Dividuxan?" wollte Senator da Colonna nach diesen Ausführungen wissen.
Auch diese Frage beantwortete ihm Terastan sofort: "Nun, das hängt natürlich sehr davon ab, wie der Sohn reagiert, im für uns besten Fall zerfleischen sich die Barbaren in einem Bürgerkrieg, im für uns schlechtesten Falle steigt die Wahrscheinlichkeit eines Angriffes auf uns weiter an."
Dass die Divinobles¹⁰ noch eine weitere Möglichkeit in Erwägung gezogen hatten, welche für Sore und Nordenland weitreichende Konsequenzen hätte, verschwieg er ihnen aber. Die Mortalejer¹¹ mussten bei aller Beteiligung an Regierung, Militärführung, Gleichstellung und so weiter auch nicht alles wissen.
Ungleiches wird eben auch durch Gesetze nicht gleich dachte Terastan nur.

Dennoch war ihm nur bewusst, dass die meisten anderen der Divinobles seine Sicht der Dinge diesbezüglich nicht teilten.
Anders als er hielten sie das Imperium für saturiert während er die Ansicht vertrat, dass es das natürliche Recht von Sore wäre, über die Barbaren zu herrschen. Und sein natürliches Recht über Sore zu herrschen.
Letzteres Recht wäre natürlich einfacher einzufordern wenn er in der Lage wäre die Herrschaft zum Beispiel über diese Primitiven im Norden geltend zu machen, so waren seine Überlegungen.
Dass seine Pläne nicht ganz mit der Verfassung von Sore zu vereinbaren wären und auch das gegenwärtige Staatsoberhaupt, Ieran ab Iovam, seine Ideen nicht gutheißen würde, war ihm dabei nur allzu bewusst.
Aber Terastan war ehrgeizig und auf die Macht aus - und dafür auch bereit den Zweck die Mittel heiligen zu lassen.

"Also warten wir jetzt einfach ab was passiert?" erkundigte sich Brioni nun.
Achselzuckend erwiderte ihr Terastan: "Nun, so leid mir die beiden Jungs auch tun, es wird wohl keiner wegen deren Schicksal dort intervenieren wollen, oder?"
"Ich bin nur überrascht, dass Ihr das so gelassen seht" wunderte die Abgeordnete sich.
Ja, nur weil wir uns niemals an Frauen binden muss mir ja nicht jeder der das gleiche Geschlecht begehrt gleich am Herzen liegen dachte Terastan, antwortete aber ruhig: "Ich habe gelernt, dass es nichts bringt sich über Dinge aufzuregen, die man eh nicht ändern kann. Und wenn wir da jetzt intervenieren, dann retten wir vielleicht die beiden Jungs, danach weiß aber auch der Letzte der Barbaren, dass wir sie nach Strich und Faden ausspionieren - und das möchte ich nicht riskieren, das würde der Senat nicht riskieren wollen und ich bin mir sehr sicher, auch im Convent gäbe es dafür keine Mehrheiten. Mal ganz davon abgesehen, dass Eius Numeen Sublimeen¹² dem ganz sicher nicht zustimmen würde."
Die Abgeordnete stimmte ihm zu: "Da habt Ihr natürlich recht..."
"Ich kann Ihnen versichern, niemand von uns hat Sympathien mit diesem Terrorregime da" bekräftigte Terastan und versuchte einen mitfühlenden Gesichtsausdruck aufzusetzen.

Kaum hatte er das ausgesprochen kam es etwas ungeduldig von Senator da Fuora: "Gibt es weitere Tagesordnungspunkte oder war es das für heute, ich hätte da nämlich noch...."
"Gehen Sie nur Senator" unterbrach ihn der Divinoble an der Stelle, "ich halte Sie auf dem Laufenden, aber derzeit liegt nichts weiter an."
"Meine Damen, meine Herren, Vosta Numeen!" verabschiedete sich der Senator und verließ etwas hastig den Sitzungssaal.

Terastan warf noch einen Blick in die Runde bevor er verkündete: "Die Sitzung ist beendet!"
Dann drehte er sich abrupt herum und verließ grußlos den Raum.

Dass er vor der Tür direkt auf Trevastan traf, der ihn freudestrahlend begrüßte, war nicht wirklich geeignet seine Laune zu heben.
Kühl fixierte seinen Gegenüber der sich doch so sehr freute ihn zu sehen, bis dessen Lächeln erstarbt, dann herrschte er ihn unwirsch an: "Ja?"
"Ach... nichts" seufzte der traurig, "ich habe mich nur gefreut dich zu sehen - du dich aber wohl nicht wie ich sehe..."
"Du weißt was du tun musst, damit dein Anblick mir wieder freude bringt bereitet?" raunzte Terastan und ein betroffener und trauriger Ausdruck machte sich auf Trevastans Gesicht breit.
"Ich weiß" erwiderte er mit leichtem Trotz in seiner Stimme, "aber das haben wir nicht zu entscheiden. Und so sehr mich dein Verhalten betrübt, ich werde es nicht anlehnen nur damit du deine Gier nach Macht befriedigen kannst!"
Terastans Blick wurde eisig und er zischte: "Dann habe ich dir nichts weiter zu sagen!"
Gerade aber als er sich abwenden und gehen wollte bemerkte Trevastan mit einem wütenden Unterton: "Ieran würde dich auch dann nicht in Erwägung ziehen, wenn ich ablehne!"
Terastan wusste, dass er recht hatte und dennoch erfüllte ihn die Weigerung von Trevastan wie jedes Mal mit großer Wut und so traf diesen ein wütender Blick und dann eine Drohung: "Noch ist nicht aller Tage Abend!"
Daraufhin eilte er davon und hörte nicht mehr wie Trevastan leise murmelte: "Ich lasse mir nicht drohen, nicht von dir!"

Terastan aber musste das garnicht hören, denn er wusste auch so, dass er mit seinem aggressiven Verhalten keinen Erfolg haben würde. So ärgerte er sich im Weggehen darüber, dass er sich trotzdem wieder so sehr hatte provozieren lassen.

¹Geheimdienstausschuss
²Silbernes Haus
³Berg der Unsterblichen.
⁴Sore die Stadt, nicht Sore das Land.
⁵Eine sehr höfliche Anrede, sinngemäß 'Euer göttliches Wirken'.
⁶Ein hochrangiger Adelstitel, sinngemäß etwa 'göttlicher Anführer'.
⁷ab creatio Sore = von der Erschaffung Sores, abgekürzt acS ist die Jahrszählung in Sore.
⁸die sorenische Bezeichnung für Nordens Reike, wörtlich: Nördlicher Barbarenstaat.
⁹Abgeordnete/r
¹⁰Oberste Klasse des Adels in Sore
¹¹Abfällige Bezeichnung der Divinobles für alle die nicht ihrer Klasse angehören.
¹²Sehr höfliche Bezeichnung für das Staatsoberhaupt, sinngemäß 'Sein erhabenes göttliches Wirken'.

Das Land jenseits der Berge.Nơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ