#78 Was ich bin

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Da An-Taetsin ein wenig Zeit mit Meran verbringen wollte, ein Wunsch hinter dem fraglos die unausgesprochenen Angst vor einem Krieg stand und die mit diesem einhergehende Befürchtung, dann seinen Virion wieder sehr lange nicht mehr zu Gesicht zu bekommen, kehrte An-Anadur gegen Mittag wieder zurück in den Domus Aureus.
Ohne Gruß platzte er direkt in den Speiseraum und zickte: "Hat ja wirklich ganz toll geklappt mit deinem Roman!"
Ein mißbilligender Blick von Ieran traf ihn gefolgt von einem leicht sarkastischen: "Dir auch einen schönen Tag, welch' Freude, dass du nun wieder hier bist..."
"Störe ich bei der Übernahme von Angevinien, soll ich besser wieder gehen?" kam es daraufhin leicht höhnisch von An-Anadur.
"Anadurino! Lass das" befahl ihm nun sein Virion, "du denkst doch nicht wirklich ich habe das gewollt? Oder das wäre mein Plan oder Ziel gewesen? So kannst du nicht wirklich von mir denken!"
"Oh, du bist stur und beratungsresistent und ein kleines wenig rassistisch, aber zu deiner Beruhigung, nein, das denke ich nicht" erwiderte er nun schon etwas ruhiger.
"Ich bin rassistisch?" hakte Ieran sofort nach.
"Natürlich, für dich bin ich nur das niedliche Dingsda was die Beine breit macht" pampte An-Anadur ihn sofort an, "ich habe dich gewarnt das Roman nicht die richtige Wahl ist, ich habe dich gemahnt, nicht hinzunehmen wie Terastan mit Trevor umgeht. Aber du nimmst mich nicht ernst, hast meine Worte in den Wind geschlagen und das alles nur weil ich kein Divinoble bin. Das, mein Schatz, ist Rassismus in Reinkultur!"
"Ich bin noch nicht sicher, das Roman nicht reingelegt wurde in Kingstown-of-the-North" konterte der Divinimperator diese Vorwürfe
"Selbst wenn, hättest du damals bei Terastan und Trevor auf mich gehört, hätte letzterer garkeinen Grund gehabt einen sorenischen Apostolion hereinzulegen oder?" wies An-Anadur diesen Versuch seinen Mannes sich aus der Affaire zu ziehen schnippisch zurück, "außerdem, ein etwas diplomatischerer Diplomat als Roman wäre vielleicht auch nicht so einfach hereinzulegen gewesen..."
"Da hast du wohl leider Recht" seufzte Ieran, "auch wenn ich nicht glaube, dass König Trevons Zustand etwas mit dem Angriff von Roman zu tun hat, dass Roman dem König gegenüber handgreiflich wurde, halte ich nach eingehender Analyse seiner Akte für ziemlich wahrscheinlich...."
"Ein Mensch hätte die Akte eingehend analysiert bevor er so jemand auf so eine Mission schickt" ätzte An-Anadur nun, "aber was verstehe ich schon davon, ich bin ja nur niedlich und 'Beine breit!'."
"Denkst du wirklich, dass ich dich so sehe?" Ieran war bestürzt über An-Anadurs Vorwürfe, auch wenn er sie gerade nicht zum ersten Mal gehört hatte.
"Oh, nicht nur du. Ihr Divinobles habt alle diese Attitüde, ihr behandelt uns Menschen, aber vor allem eure Uxvirs, als wenn wir kleine, dumme und unmündige Kinder wären. Trevastan ist da eine der wenigen Ausnahmen, der behandelt seinen Sponsion wie ein ebenbürtiges, denkendes Wesen!" beklagte sich An-Anadur infolgedessen, "und glaube nicht, ich bin der einzige Uxvir der das so sieht, ich bin nur der Einzige der sich traut darüber zu reden!" Und mit trauriger Stimme fährt er fort: "Was auch ziemlich viel über die Beziehungen der Anderen zueinander sagt..."
Ehrlich betroffen hielt Ieran dagegen: "Aber, aber wir lieben euch doch!"
Mit leisem Zynismus antwortete sein Uxvir darauf: "Natürlich, Götter lieben diejenigen die an sie glauben. Das bestreitet ja auch keiner. Aber mit einem Gott hast du als Mensch niemals eine Beziehung auf Augenhöhe. Ihr seht euch immernoch als eine Art Götter. Nicht unbedingt aktiv, da sind die Terastans inzwischen eine Minderheit, aber es ist tief in euch drinnen, in eurem Unterbewusstsein  – und von da steuert es immernoch euer Verhalten und eure Entscheidungen. Mehr als ihr euch eingesteht, mehr als ihr zugeben könnt und vielleicht auch mehr als euch lieb ist."
"Du kannst mir doch keine Vorwürfe machen für das was ich bin!" verteidigte sich Ieran nun.
"Nein" erwiderte An-Anadur, "aber dafür sich damit nicht befassen und nicht daran arbeiten zu wollen!"
"Aber..." wollte Ieran noch irgendetwas sagen ohne zu wissen was, aber An-Anadur verhinderte es in dem er ihn unterbrach: "Ist gut, lass mal... Was gibt's zu essen?"

****

Simur war jeden Tag wieder bei Trevor im Krankenhaus.
Der lag immernoch friedlich da, atmete sogar eigenständig und bekam Infusionen um nicht auszutrocknen.
Nur sein Haar wurde immer heller. Simur war sich inzwischen sehr sicher, dass er sich das nicht einbildete, denn die Ärzte sahen es auch.
Die Doktoren erklärten das mit Schock und traumatisierende Erfahrungen, meinten aber auch, dass es auch dann Wochen bis Monate dauern sollte und nicht Stunden bis Tage.
Aber was war gerade bei Trevor schon normal...

So lag Trevor friedlich da und die Welt hielt den Atem an.
Sore war auf die Rede von Simur als Reichsverweser garnicht eingegangen und das Volk von Angevinien nahm vor allem Anteil am Schicksal seines beliebten Königs.
Der Zaun um den Chaudosham war streckenweise kaum mehr zu sehen weil er unter Bergen von Blumen und Genesungswünschen förmlich begraben.
Die Zahl der Häuser nicht nur in Kingstown-of-the-North sondern auch in Bytown, New Kingstown,.Lionburgh, Angels Harbour und allen anderen Städten, Orten, Dörfern und Weilern, welche mit dem Banner von Angevinien mit Trauerflor oder auf Halbmast beflaggt waren, war größer als beim Nationalfeiertag oder am Kings Birthday.
Tatsächlich war die Mahnung zur Ruhe und Besonnenheit die Simur ausgesprochen hatte, bei den Angeviniern angekommen. Es waren so gut wie keine Stimmen zu vernehmen, die gegen Sore sprachen oder nach Vergeltung riefen.

Das sah in Sore inzwischen ganz anders aus.
Dort hatte sich eine breite Bewegung formiert, die sich insbesondere über die Inhaftierung von Roman ab Tavolam echauffierte.
Nach ihrem Verständnis des Völkerrechtes genoß ein Diplomat, insbesondere ein so hochrangiger wie ein Apostolion, uneingeschränkte Immunität vor den Ermittlungsbehörden und der Gerichtsbarkeit des ihn empfangenden Staates. Und durfte natürlich nicht verhaftet werden.
Ihrer Meinung nach war Roman ab Tavolam von den angevinischen Behörden umgehend freizulassen, selbst dann sogar, wenn er wirklich König Trevon tätlich angegriffen hätte.
Vor allem die FTA, Terastans alte Hauspartei, und in ihr der Clan Der da Fuoras machten sich diese Auffassung zu eigen und beschrien sie lautstark überall bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit.
Und sie fanden Zulauf damit, da konnte Trevastan in noch so vielen Interviews darauf hinweisen, dass die da Fuoras durch den Einfluss von Terastans Uxvir ganz viele lukrative Posten verloren hatten und  so ganz sicher vor allem an ihr Portmonee und weniger an die Interessen von Sore dachten.
Die Stimmung kippte und die Schlagzeilen in Sores Medien wechselten von 'wie unfähig Roman war' zu 'was für ein inakzeptabeler Affront es ist wenn ein fremder Staat einen Divinoble – und dazu noch einen Diplomat – einfach inhaftiere und sich sogar anmaßen wolle über ihn zu Gericht zu sitzen'.

So gaben am vierten Tag den Trevor im Koma lag in der öffentlichen Debatte von Sore die Scharfmacher den Ton an während in Angevinien die veröffentlichte Meinung eher kollektiv am Bett von Trevor stand und zu Godan betete, er möge wieder aufwachen.

Ob es an den Gebeten zu Godan lag, bezweifelte Simur zwar, aber genau 120 Stunden nachdem er ins Koma gefallen war, schlug Trevor, dessen Haare inzwischen zu einem leicht glänzendem Schneeweiß ausgeblichen waren, seine Augen wieder auf.

Simur, der einmal mehr an seinem Bett saß und eingenickt war, wurde wach weil er seinen Namen rufen hörte.
Er blickte auf und sah Trevor der sich in seinem Bett aufgesetzt hatte und seinen Namen rief.
Voller Sorge rief Simur: "Trevor!" und wollte eigentlich mit der Frage "wie geht es dir?" fortfahren, als sich ihre Blicke trafen und so rief er tatsächlich zutiefst überrascht: "Was ist mit deinen Augen?"
"Was soll mit meinen Augen sein?" fragte Trevor gutgelaunt.
"Sie sind leuchtend violett. Mehr noch als ich je bei Terastan oder Trevastan gesehen habe. Fast so wie beim Divinimperator!"
"Wirklich?" zweifelte Trevor während er aufstand.
"Kannst du aufstehen? Du warst fünf Tage weg!" sorgte sich Simur sofort, aber Trevor wischte seine Bedenken weg: "Siehst du doch, ich fühle mich großartig!"
Dann ging er ins Bad und schaute da in den Spiegel.
"Tatsächlich, es scheint ich wüsste warum das in Sore verboten ist..." murmelte er.
"Woran kannst du dich erinnern?" erkundigte sich Simur bang.
"Keine Sorge" kam es von Trevor der gerade wieder aus dem Bad kam, "ich erinnere mich an alles!"
"Was denkst du, was ist mit dir passiert, deine Haare, deine Augen? fragte Simur ihn.
Trevor lachte und schaute sehr zufrieden als er ihm antwortete: "Wo nach sieht es denn aus?"
Simur schaut ihn sich noch einmal etwas genauer an, dann meinte er zögerlich: "Danach, dass du jetzt ein Divinoble bist....
...aber das kann doch nicht sein?"
"Warum kann das nicht sein? Wäre das nicht genau der gute Grund warum das in Sore verboten ist?" entgegnete Trevor ihm.
Das allerdings klang garnicht so abwegig.
"Und – was wirst du jetzt tun?" erkundigte sich Simur vorsichtig.

"Ich werde meine Anerkennung als Divinrexion Trevan ab Oceanam-Somia durch den Divinimperator und den Rat der Divinobles fordern!" erklärte er breit grinsend.
"Ich brauche etwas passendes zum Anziehen, jemand müsste der ABC Bescheid geben, ich glaube ich drücke jetzt mal den Knopf hier" fuhr er dann fort und drückte den Alarmknopf an seinem Bett.

Noch bevor sich nun der Raum mit Ärzten, Pflegern, Pagen und Wachpersonal füllte, merkte Simur an: "Aber als Divinrexion bist du vom Rang über einen Dividuxam?"
"Das, Simur, ist der Plan" freute sich Trevor.
"Du weißt was das bedeutet?" fragte Simur, "das wird der Rat und der Divinimperator niemals anerkennen!"
"Auch die können nicht leugnen, was ich jetzt bin" stellte Trevor dazu nur fest.

Das Land jenseits der Berge.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt