#100 Die Folgen von Kontrollverlust

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Eine Friedenskonferenz war fraglos eine ehrenwerte Idee, aber Sore war zu langsam geworden für eine Welt, in der auch andere im Zeitalter von Information und Industrie angekommen waren.

Noch bevor es ein übermüdeter Divinimperator ins sorenische Frühstücksfernsehen schaffte, hatte um 8.05 Uhr Mittelerebunischer Zeit der Storeledar seinen Auftritt im Reichssender Keizerstad.

Natürlich hatten sich alle Schüler in den Schulen, alle Arbeiter in den Fabriken, alle Angestellten in den Büros schon um acht Uhr vor den Empfangsgeräten versammelt um ihrem Großführer zuzuhören.

Die Hymne erklang und danach erschien bei denen, welche die Rede sahen, der Storeledar vor einem Wald an nordenländischen Flaggen auf dem Bildschirm.

Mit seiner schnarrenden Stimme samt drohendem Unterton begann der Storeledar nun seine Rede ohne jede Begrüßung oder Einleitung:
"Silistrien hat heute Nacht zum ersten Mal auf unserem ureigenen Gebiete auch mit bereits regulären Soldaten geschossen. Seit 4:17 Uhr wird jetzt zurückgeschossen! Und von nun ab wird Kugel mit Kugel und Bombe mit Bombe vergolten! Wer selbst sich von den Regeln einer anständigen Kriegsführung entfernt, kann von uns nichts anderes erwarten, als dass wir den gleichen Schritt tun. Ich werde diesen Kampf, ganz gleich, gegen wen, so lange führen, bis die Sicherheit des Reiches und bis seine Rechte gewährleistet sind."

"Mein Vater, lügt ohne rot zu werden direkt in die Kameras" kommentierte Trevor trocken diesen Auftritt, den man auch in Kingstown-of-the-North – wenig überrascht – verfolgt hatte.
Natürlich wusste man in Angevinien, dass nicht Silistrien die Kampfhandlungen eröffnet hatte sondern das nordenländische Schlachtschiff 'Prins vaf Holsteen' in den frühen Morgenstunden das Feuer auf Zapadnya Plitya eröffnet hatte.
Kurz darauf hatte die nordenländische Luftwaffe die Stadt Velunsk bombardiert, der Storeledar hatte offensichtlich die Gelegenheit seinen lange anvisiertes Vorgehen gegen Silistrien in die Tat umzusetzen nicht ungenutzt verstreichen lassen wollen.
Seit 4.17 Uhr wurde also durchaus geschossen, nur eben nicht zurück.
"Da hat ihr Vater etwas mit Eurem Ex gemeinsam, Sire" erwiderte Hilda Slater ebenso trocken.
"Was machen wir jetzt?" erkundigte sich der inzwischen zur Runde dazugestoßene First Lord of the War.
"Jetzt...." erklärte ihm die Slater mit einem breiten Grinsen, "jetzt bestellen wir den Botschafter Silistriens ein und überreichen ihm eine Protestnote wegen der Aggression seines Landes gegen Nordens Reike..."

Erneut wurden die ziemlich verwirrten Botschafter Silistriens nun in Angevinien und Kitaien einbestellt, erstmalig nun aber auch der silistrische Botschafter in Khamarinien.
Alle drei bekamen eine Protestnote überreicht in denen die Regierungen von Angevinien, Kitaien und Khamarinien jeweils den Friedensbruch durch Silistrien auf das Allerschärfste verurteilten.

Unbemerkt von den anderen Nationen zog nun auch Megyarien seine Truppen an seiner Grenze zu Silistrien zusammen.
Dort hatte man nämlich die Lage analysiert und war sehr richtig zu dem Ergebnis gekommen, dass Angevinien, Nordens Reike und Kitaien sich wohl anschickten Silistrien aufzuteilen und gedachte bei der Gelegenheit auch ein Stück des fetten Fisches in die eigene Pfanne zu ziehen.

Währenddessen zog man in Sore lange Gesichter.
Die Ansprache des Divinimperators war ebenso wie die Einladung zu einer großen Friedenskonferenz mit der Rede des Storeledar zu einem Rohrkrepierer zerplatzt.
Jetzt war guter Rat teuer.

Erneut kamen der Divinimperator, die Ministerinnen und Minister der Regierung und der Supremator Militaris, erweitert um die Vorsitzenden von Senat und Convent, zusammen.
Erneut stellte man fest das Trevastan fehlte weil man ihn nicht erreichen konnte.
Ohne genaues Ziel diskutierte man hin und her, fand aber keine Lösung wie man einen weiteren Machtzuwachs Angeviniens verhindern könnte ohne selbst in den Konflikt einzugreifen – und dazu war man nicht bereit.

Das Land jenseits der Berge.Where stories live. Discover now