#110 Eine Frage der Ideologien

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Das eingeschlossene und belagerte Tsarskiymesto fiel genau eine Woche nach der Hochzeit von Trevor und Taejo.
Am Tag darauf verkündete der Storeledar das 'Land im Osten'-Gesetz mit dem Nordens Reike zahlreiche schon besetzt gehaltene Gebiete Silistriens annektierte, so dass die neue Grenze zwischen dem Reich und der Silistrischen Räterepublik einer Linie entsprach, die vom Norden etwa 200 Kilometer östlich von Vladisever an der Nordzee begann, etwa 160km westliche an Tsarigrad vorbei direkt nach Süden führte wo sie 130km nördlich der Stadt Jusowa auf die Demarkationslinie der 'Befriedeten Zone in Südsilistrien' also dem von Sore besetzten Teil traf.
Von dort aus ging sie geradewegs nach Westen bis sie auf den nördlichsten Punkt der Grenze zu Megyarien traf. Ab diesem Punkt bildete die Grenze von Megyarien zu Silistrien die neue Grenze von Megyarien zu Nordenland westlich bis zur ehemaligen Ostgrenze des Reichtes.
Gleichzeitig bestimmte das Gesetz für Tsarskiymesto den neuen Namen Randorgorod/Randorborg und für Vladisever neu Severnygavan/Nordenshaven.

Aber nicht nur in den eroberten Gebieten von Silistrien änderten nun Städte ihren Namen, auch in der Silistriyskaya Sovetskaya Respublika war das der Fall.
Tsarigrad bekam per Dekret des Obersten Rates der Silistrischen Räterepublik den neuen Namen Sovetygrad und die Stadt Nikolajgorod wurde vom Obersten Sowjet im Schelezningrad umgetauft.

Nichtsdestotrotz war die Silistrische Sowjetrepublik weitestgehend isoliert. Anerkannt wurde sie alleine von Megyarien und auch das nur, weil sie die von Megyarien besetzten Gebiete formell abtraten. Anerkannt wurde sie auch noch gewissermaßen von Nordenland, mit dem sie einen Waffenstillstand geschlossen hatte.
Sore, Kitaien und Angevinien hingegen ignorierten die neue Sowjetrepublik gänzlich.

So wie Taejo zur dessen klammheimlichen Freude auch Ivenej weitestgehend ignorierte.
Offenbar war dem das Prestige einen echten Zarewitsch in seinem Gefolge zu haben wichtiger als diesen Zarewitsch in seinem Bett zu haben. Ein Umstand mit dem sich Ivenej wirklich sehr gut arrangieren konnte.

Ignorieren, das hatte auch Terastan in Bezug auf Alexej vorgehabt.
Aber das funktionierte nicht so, wie er sich das gedacht hatte.
Was nicht an Alexej lag der meist nur lethargisch auf seinem Bett saß oder lag und zutiefst depressiv die Wand oder Decke anstarrte, was es jemandem wie Terastan eigentlich ja leicht gemacht hätte ihn zu ignorieren.
Nein, es lag an Terastan.
Dieser begann beim Anblick des gefallenen Zaren etwas zu empfinden - und zwar etwas dem er sich nicht nur bewusst wurde sondern das er, zu seiner eigenen Überraschung, als Mitleid identifizierte.
Auch wenn sich Terastan selber nicht erklären konnte wieso er so etwas wie Mitleid mit Alexej verspüren verkonnte, ertappte er sich immer wieder dabei, wie er versuchte den traurigen und vermutlich auch ziemlich traumatisierten Silistrier abzulenken oder aufzumuntern.

Meistens misslang ihm das und Alexej schaute ihn nur derart traurig an, dass er vermeinte dessen Schmerz tief in seinem Inneren nachspüren zu können. Was Terastan zugegebenermaßen ebenfalls verstörte.

Doch manchmal zeigte er auch eine Reaktion.
Gerade hatte Terastan in einem erneutem Versuch ihn aufzurütteln gemeint: "Du darfst nicht die Hoffnung verlieren. Das Blatt wendet sich auch wieder und das Schicksal steht auf deiner Seite. Wenn du den Glauben an deine Ziele und Träume nur nicht verlierst!"
Wieder hatte ihn Alexej voller Gram angestarrt, dann aber hatte er bitter erwidert: "Ihr habt gut reden, Eure Zeit ist ewig, meine aber läuft..."
Noch während sein Hirn dachte: Er ist wirklich wunderschön! sprach sein Mund: "Nun, ich könnte euch ein vieles Mehr an Zeit verschaffen!"

Als Terastan klar wurde was er da gerade gedacht und gesagt hatte, war er so verwirrt, dass er in einer Kurzschlusshandlung in einen anderen Raum ihres gemeinsamen Gefängnisses floh.

Was stimmt nicht mit mir? sprach er dort zu sich selbst, warum sage ich so etwas und noch viel schlimmer, warum denke ich so etwas?

Das Land jenseits der Berge.Where stories live. Discover now