#62 Stadt der Engel

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"Angels Harbour hat schon etwas von Sore, zumindest was die Landschaft und das Klima angeht" merkte Isador an während er seinen Blick über die riesige Stadt an der  Stersta Sea¹ schweifen lies.
Nachdem er erst am Vormittag mit dem 'Angels Flyer' der Angels, Transcontinental and Sersta Fast Railroad in Angels Harbour angekommen war, saß er nun mit einem Reporter der Angels Times auf der Terrasse des Top-of-the-Hills-Hospice in Marlons Hills und gab diesem im Hinblick auf sein Konzert am Abend in der Maea-Buffum-Musichall ein Interview.
"So fühlen Sie sich also wohl in Angels Harbour?" erkundigte sich der Reporter auch sogleich.

"Nun ja" erwiderte Isador lachend, "es wäre ja auch seltsam wenn ich mich in der Stadt von Safflowerwood und Sunset Alley nicht wohlfühlen würde."
"Wo Sie schon Safflowerwood erwähnen, es gehen Gerüchte um, dass Sie Angebote für einen - oder gar mehrere? - Filme vorliegen haben" führte der Zeitungsmensch seine Fragerunde fort, "unter anderem soll man Ihnen angeboten haben mit Marlon Myers, Baron Dean oder Minon Saley zu drehen?"
"Solche Angebote gibt es tatsächlich" erwiderte Isador grinsend, "es gibt so einige Produzenten die gerne die Ersten wären mit der Verfilmung eines male same-sex Drama oder einer ebensolchen Liebesgeschichte.
Das ist ja auch nicht verwunderlich, dass die Filmbranche auf die seit der Inthronisation von König Trevon stattgefundenen gesellschaftlichen Veränderungen reagiert..."
"Sie wären also nicht abgeneigt?" hakte der Reporter noch einmal nach.
"Oh nein, ganz und garnicht, ich meine, wer würde nicht gerne an der Seite der vorhin erwähnten Herren in einem Film auftreten?" bestätigte ihm Isador daraufhin.
"Es gibt ja auch kritische Stimmen die meinen, Sie ständen für eine Sorenisierung der angevinischen Kultur, was sagen Sie diesen Leuten?" wollte der Reporter nun wissen.
"Ganz ehrlich?" erwiderte Isador belustigt, "ich finde es amüsant, dass ausgerechnet ich als Nordenländer jetzt Angevinien mehr sorenisch machen soll. Vielleicht nordenisiere ich ja auch Sore? Im übrigen, wir leben in einer Zeit, in der die Dinge internationaler werden, in der die Entwicklungsabstände zwischen den einzelnen Ländern und Völkern geringer werden, das wird gerade in der Kultur nirgends ohne Auswirkungen bleiben. Ich bin aber dennoch sicher, dass der angevinische Kultur und dem angevinische Film einen ganz eigene  Form erhalten bleiben wird."
"Und der Musik?" versuchte der Zeitungsmensch zu scherzen.
"Also, wenn Sie bei meiner Unterhaltungsmusik schon von Kultur sprechen, fühle ich mich zunächst einmal geschmeichelt" nahm Isador den Ball auf und spielte ihn dann ganz elegant weiter: "Aber in der Musik haben wir uns doch schon immer gegenseitig beeinflusst. Und sei es auch über Umwege..."

Ja, es hatte tatsächlich Anfragen für die Mitwirkung in Filmen gegeben, aber er hatte bisher weder zu- noch abgesagt. Schon weil er das erst einmal mit Trevastan besprechen wollte.
Was ihn viel mehr verwundert hatte und jetzt umtriebt war die Anfrage  ob er eine Einladung zu einer bekannten Unterhaltungssendung in Nordens Reike annehmen würde - und falls ja, ob er vielleicht den einen oder anderen Song in der Sprache von Nordenland darbieten könne.
Auch war die für eine Zusage angebotene Vergütung nicht nur für nordenländische Verhältnisse üppig.
Nach längerer Überlegung war er zu dem Schluss gekommen, dass das keine Falle oder dergleichen war.
Und seitdem beschäftige ihn vor allem ein Gedanke: Wenn ich einen Auftritt in Keizerstad habe, dann kann mir doch keiner verwehren meine Eltern zu sehen?
Schon das wäre ein guter Grund für ihn da zuzusagen.
Allerdings, hierbei hatte, anders als bei einem etwaigen Film, nun schon Stellariur Bedenken und so würde er auch das zunächst mit Trevastan besprechen müssen.
So beantwortete er dann auch die im weiteren Verlauf des Interview von dem Reporter gestellte Frage, ob er auch an eine Karriere in anderen Ländern denke vorsichtig: "Es ist nicht so, als wenn ich mir das nicht vorstellen könnte. Aber konkrete Pläne dafür habe ich derzeit nicht."
Eine Antwort mit der sich der Zeitungsmensch zu seiner stillen Freude dann auch zufrieden gab.

Northern Montalvia, das Shire² in der Angels Harbour lag, hatte ihren besonderen Reiz.
Isador zumindest verstand, warum es den Beinamen 'The Golden Shire"  trug, denn dieser gab das Lebensgefühl und das Licht dieses Stück Landes in einer sehr treffenden Art und Weise wieder.
Zusammen mit Southern Montalvia bildete es die 'Sunset Shires' und diese waren nicht nur das Zentrum der angevinischen Unterhaltungs- und Filmindustrie sondern, gerade weil sie als die unkonventionellesten aller Shires von New Lugunia und die liberalste Ecke in ganz Angevinien galten, auch der Ort an dem die rasant aufstrebende 'High Technology' ihren bevorzugten Forschungs- und Produktionsstandort hatte.
Obwohl man noch nicht ansatzweise an die Fähigkeiten von Sore heranreichte, betrachtete man dort das aufstrebende Baydale schon als zukünftige Konkurrenz zum Vallion Siliciam in Nova Beria und beäugte es mit Argusaugen.
Die Sunset Shires waren auf jeden Fall das, was man in Sore als 'diversam' bezeichnete und das machte sie zu einem Ort mit positiver Ausstrahlung.
Was sich noch seit der Krönung von Trevor durch die Liberalisierung des Strafrechtes und ohnehin schon durch die Tatsache, dass in diesen Shires beispielsweise Rauschmittel wie Growed Hemp nicht verboten waren, verstärkte. Die Montalvier galten in Angevinien deswegen auch als besonders 'chilled lede'³.

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