#46 Vater und Sohn, König und Prinz

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Trotz des Horrors der zurückliegenden Nacht bewahrte Trevor Haltung als er am nächsten Morgen der Vereidigung von Hilda Slater zur First Minister bewohnte.

Ebenso bewahrte er diese als er wenige Minuten vor elf Uhr im Western Nemeton Platz nahm um der Trauerfeier für seinen Großvater beizuwohnen.
Die Spuren dessen was er ertragen musste waren seinem Gesicht noch deutlich anzusehen aber alle welche die Hintergründe nicht kannten, vermuteten, dass es die Trauer um seinen Großvater war, die sich dort zeigte.

Da für Trevor und Terastan unerwartet An-Anadur als Vertreter des Sorenischen Imperiums angereist war, sah sich der Divinoble urplötzlich auf die Rolle des Prince Consort reduziert.
Auch wenn Trevor sein Haupt nicht wendete, wusste er, dass auch sein Vater anwesend war und irgendwo hinter ihm sitzen musste.
Denn nur regierende Monarchen und deren Ehepartner sassen mit ihm in der ersten Reihe. Und das waren hier nur König Taksony mit seiner Gemahlin und der Divinuxvir An-Anadur. Die übrigen Gäste sassen in den Reihen dahinter, schön gestaffelt nach dem Hofprotokoll.

Nach der Trauerfeier wurde der Sarg von Charlon auf eine Lafette geladen und so, von 144 Angehörigen der Navy gezogen in einer Trauerprozession durch Kingstown-of-the-North transportiert bis zur Kingly Hall of the Deceased¹, wo alle Herrscher von Ecossia und dann später Angevinien ihre letzte Ruhestätte fanden.

Trevor ließ es sich nicht nehmen, dem Sarg seines Großvaters den ganzen Weg zu Fuß zu folgen und da An-Anadur es sich nicht nehmen ließ es ihm gleichzutun, waren es am Ende nur das ältere Herrscherpaar aus Megyarien, welches den Weg in einer schwarzen Kutsche bewältigte.

Die Straße war gesäumt mit Menschen die beim Vorbeiziehen von Charlons Sarg sich verbeugten und teilweise Lilien warfen.
Die Lilien waren eigentlich einmal ein Symbol von Lugunia gewesen, waren aber über die Jahrhunderte längst zu einem Symbol der angevinischen Monarchie geworden.

Die Kingly Hall of the Deceased¹ selbst betrat dann Trevor mit den Priestern alleine.
Nur die engste Familie eines verstorbenen Monarchen hatte das Recht Augenzeuge zu sein, wenn der Sarg eines Herrscher in die dortige Gruft versenkt wurde.
Und da Prinzessin Marla aus verständlichen Gründen verhindert war, blieb nur Trevor.
Allerdings, Charlon war zwar sein Großvater mütteelicherseits, aber zu letzt gesehen hatte er den als kleiner Junge bei einem Besuch mit seiner Mutter in Kingstown-of-the-South.
Insofern ging ihm der ganze Akt nicht sonderlich nahe und er war letztlich ganz froh, als er die Begräbnisstätte wieder verlassen konnte und hinaus in die nachmittägliche Sonne über Kingstown-of-the-North treten konnte

Die Tradition verlangte nun ein Byrgal Feast² mit allen geladenen Gästen und dieses fand in der Kingly Albon Hall statt.
Dorthin ging es nun nicht mehr zu Fuß sondern mit Kraftfahrzeugen und Bussen, je nach Bedeutung der Gäste.
So schritt Trevor zielstrebig mit Terastan zu seinem Wagen und startete als erster Richtung Kingly Albon Hall.

In dem Saal waren viele kleine Tische aufgebaut an denen die Gäste platziert wurden, die Besonderheit aber war, dass an jedem Tisch ein Platz freigehalten wurde um dem König und dem Prince-Consort die Möglichkeit zu geben, sich im Verlauf des sich nun stundenlang hinziehenden Mahle immer wieder zu anderen Gästen an deren Tisch setzen zu können.

Trevor sah das mit gemischten Gefühlen, einerseits würde er so ungestört ein paar Worte mit seiner neuen Regierung unter Hilda Slater oder An-Anadur wechseln können, andererseits würde er nicht umhin kommen, auch am Tisch seines Vaters Platz zu nehmen.

Zuerst aber suchte er den Tisch der Gäste aus Sore auf. Das ließ sich auch gut begründen, war An-Anadur als Gemahl des High Caser³ of Sore doch der protokollarisch höchstrangige Gast.
"Eure königliche Hoheit" begrüßte An-Anadur ihn, "im Namen des gesamten Imperium von Sore möchten Wir Euch unser Beileid ausdrücken."
"Bezieht sich Eure kaiserliche Hoheit auf Unseren verstorbenen Großvater - welchen Wir eh kaum kannten - oder doch mehr auf Unseren geschätzten Gemahl?" erwiderte Trevor ohne eine Miene zu verziehen. Kurz war es still am Tisch und dann brachen alle die dort saßen, Trevor eingeschlossen, in ein für den Anlass vielleicht doch etwas unpassend heiteres Gelächter aus.
So unpassend, dass Trevor sich genötigt fühlte aufzustehen und den anderen Gästen eine Erklärung abzugeben: "Wir bitten den Ausbruch an Heiterkeit zu entschuldigen, der Verlust von König Charlon ist natürlich kein Anlass zur Heiterkeit, aber die Erinnerungen an Unseren Großvater sind es durchaus."
Verständnisvolles Nicken an den anderen Tischen folgte und wie, als wenn Trevor das Eis gebrochen hätte, wurden nun auch dort die Unterhaltungen lebhafter.
"Aber auch wenn das jetzt eine Ausrede war" meinte Trevor daraufhin zur Tischrunde der Sorener, "mein Großvater ist stolze 97 Jahre alt geworden, da müssen wir hier jetzt nicht sitzen wie die Trauerklöße, da gibt es viele freudige, lustige und schöne Dinge aus seinem Leben zu erinnern..."
"Das sehe ich auch so" erwiderte ihm Simur und An-Anadur scherzte: "Also für einen Divinoble wäre das kein Alter und traurig, aber für einen Menschen ist das ein stolzes Alter. Und immer sollte man an die schönen und glücklichen Zeiten mit einem Verstorbenen erinnern, gerade bei solch' einem Anlass wie heute..."
"Zumindest wenn es mit dem Verstorbenen schöne und glückliche Zeiten gab" erwiderte Trevor sarkastisch und jeder am Tisch verstand das so, wie Trevor es meinte, als Seitenhieb auf Terastan.
"Manche arbeiten halt hart daran, dass man bei so einem Anlass dann einfach nur noch froh ist, dass sie nicht mehr da sind" merkte An-Anadur denn auch lakonisch an.
Mit einem Lächeln zu Simur erwiderte Trevor darauf: "Aber solange man mit einem Problem nicht alleine ist, ist alles zu schaffen" um dann nach einer kurzen Pause grinsend anzumerken, "aber das Problem 'Mein Vater' schaffe ich jetzt trotzdem alleine, ihr entschuldigt mich?"
"Wir sehen uns später nochmals?" erkundigte sich An-Anadur und Trevor versicherte ihm: "Natürlich, wenn ich meinen Vater hinter mir habe ist alles auch viel entspannter..."

Das Land jenseits der Berge.Where stories live. Discover now