𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵 50 ❥

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»Hier probier' mal.« Julian hielt Madeleine den Löffel hin.

Sie probierte ein wenig und nickte. »Ja ist ... gut.«

»Gehört noch was rein?«

Sie lachte. »Da fragst du mich?«

»Du wirst ja mit mir essen, oder nicht?«

»Und trotzdem kann ich nicht kochen. Du kannst mit Gewürzen um dich werfen. Ich wüsste nicht, was fehlt.«

Er schmunzelte und schüttelte den Kopf. »Du bist mir eine. Heißt unsere Zukunft bedeutet: Essen gehen. Lieferdienst, Schrägstrich, ich koche?!«

Sie lachte, bis sich ihre Miene veränderte. »Unsere ... Zukunft?«

Hatte er das jetzt wirklich gesagt?

Das war ihr zweites Date und er dachte wirklich über so etwas nach?

Ging das nicht zu schnell?

Oder lief das mittlerweile so ab?

Sie versuchte, sich zu erinnern, wie es mit Chris abgelaufen war. Irgendwie gab es gar keine Verabredungen. Sie trafen sich mit Freunden. Dann mal alleine. Anschließend wieder gemeinsam. Es kam irgendein Fest und ... sie waren zusammen.

»Nochmal zum Mitschreiben Madeleine. Ich Date dich nicht, um ein Ich zu bleiben. Ich will ein Wir.«

Wir.

Er und sie.

Sie beide.

Warum fühlte sie sich so seltsam?

Zumindest kannte sie dieses Gefühl nicht, weshalb sie es als befremdend einschätzte.

Ein wenig verunsichert schaute sie weg.

»Was ist los?« , fragte er sie, als er sich die Hände abtrocknete und um die Kochinsel herumging.

»Nichts.« Sie lächelte.

»Komm. Sag schon.«

»Das hat noch nie jemand zu mir gesagt.« , purzelte aus ihr heraus.

»Du warst ... doch verlobt?«

Sie nickte. »Ja, aber ... anscheinend nicht auf diese Art.«

»Dann wird es endlich mal Zeit, dass dir das aufrichtig gesagt wurde.«

Aufrichtig.

Sie glaubte ihm. Das war nicht ihr momentanes Problem.

Aber was es genau war, wusste sie auch nicht.

Sollte sie sich nicht freuen?

Oder freute sie sich? 

Irgendwie schon. Julian war ein lieber Kerl und meinte alles genauso, wie er es sagte. Was genau störte sie? Was passte ihr nicht?

Es lag nicht an der Umgebung.

War es vielleicht sein Alter?

Weil es jemand Jüngeres war, der anscheinend ... plante ... während sie es ... wieder nicht tat?

War sie vielleicht schon immer das Problem gewesen?

Egal in welcher Beziehung.

Weil sie jedes Mal diejenige war, die keine ... Zukunft sah?!

Was war denn falsch mit ihr?

Wieso konnte sie so etwas nicht?

In ihrer Jugend hatte es doch auch geschafft.

Sie hatte sogar im Quelle-Katalog ihrer Oma nach festlichen Kleidern gesucht, die sie bei ihrer Verlobung hätte tragen können. Oder auf dem Polterabend ... oder ...

Dag.

Sie hatte es sich bei Dag vorgestellt.

Immer nur ... Dag.

Nein. Das durfte nicht sein. Das war nicht ihr Problem. Er war nicht ihr Problem.

Es lag nicht an der Person. Das konnte einfach nicht sein. Sie war damals jünger. Das war es. So jünger man war, umso rosiger war die Welt.

Die Enttäuschungen im Leben ließen alles verblassen, desto älter man wurde.

Sie war innerlich eine alte greise Frau dadurch geworden.

Madeleine glaubte nicht mehr an ein glückliches Ende. Dabei war es doch zum Greifen nahe.

Er stand vor ihr.

Sie musste die alte Frau zum Schweigen bringen. Sie musste ihr zeigen, dass es möglich war.

Ohne noch weiter darüber nachzudenken, küsste sie Julian.

»Oh-o.« , gab er von sich, als ihre Münder sich voneinander trennten. »War das deine Antwort?«

»Ich ... ich denke.« Warum schaffte sie es nicht, ein klares Ja oder Nein zu formulieren? Wieder dieses Schwanken. Es musste stoppen. Sie saß nicht auf einer Schiffsschaukel.

Julian nahm es so hin und küsste sie von sich aus, ehe er dann von ihr abließ und wieder zurück an den Herd ging.

War es das?

Er fiel nicht ... über sie her? Oder machte andere Andeutungen?

~ Natürlich macht er das nicht Madeleine. Er sagte doch, dass er etwas Ernstes anstrebt. ~

Abermals hielt er ihr den Löffel hin, nachdem er die Sauce mit irgendwelchen Dingen gewürzt hatte. »Probier' jetzt mal.«

Wie vorhin öffnete sie ihren Mund und kostete. Anschließend hob sie den Daumen.

Julian lächelte und ging wie gehabt an den Herd.

Madeleine trank an ihrem Wein, den er ihr zuvor eingeschenkt hatte.

Waren sie jetzt ... ein Paar?

Waren diese Küsse das Ausschlaggebende gewesen?

In einer Beziehung zu sein bedeutete, sich auf jemanden zu beziehen. Sie war hier. Sie hatte ihn zuerst geküsst, als Antwort auf sein Wir.

Eigentlich war es doch so, dass man sich selbst immer die Frage stellte, was der andere wollte. Hier war es andersrum.

Madeleine wusste, was Julian wollte. Aber ... wollte sie es auch?

Und war das jetzt wieder die ältere Frau, die ihr eventuell davon abriet glücklich zu sein?

Oder hatte sie ihr jugendliches Ich in sich, das sich bei dem Kuss gefragt hatte, weshalb es nicht Dag war?

Und war es wirklich wieder dieser Lockenkopf, der präsent in der Mitte ihres Gehirns platzgenommen hatte?

Würde er immer da sitzen bleiben?

Sie davon abhalten ... ein eigenständiges Leben zu führen?

Dag blieb ein wichtiger Teil ihres emotionalen Werdegangs. Sie konnte nichts dagegen tun. Es gab keinen Löser, der ihn entfernen konnte. Die erste Liebe formte einen.

Nur wegen ihm saß sie nun an dieser Stelle, hier in Julians Küche.

Wäre sie Dag nie begegnet, hätte ihr Leben einen komplett anderen Verlauf genommen. Ihre Beziehungen ... eventuell wäre sie mittlerweile eine verheiratete Frau von ... zwei, drei Kindern.

Aber der Herzschmerz, den sie damals verspürt hatte, das, was er quasi mit ihr abgezogen hatte, war die Biegung in ein Leben ... mit ihm.

Die erste Liebe bleibt bei jedem Menschen verankert. Glücklich oder nicht. Selbst im Altersheim würde er noch immer in ihrem Hirn thronen.

Madeleine musste sich damit abfinden.

Das Einzige, was sie tun konnte, war ihr Gehirn mit anderen Momenten füllen. Augenblicke, die es wert sein würden, dass man sich an sie ebenso erinnern würde.

Julian drehte sich um und lächelte sie an.

Sie lächelte zurück.

Die Lösung war simpel. Auch wenn es Jahre her war, diese Liebe war verloren, und nur eine Neue konnte helfen.

Liebe ist ...Where stories live. Discover now