𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵 56 ❥

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»Schmeckt es dir nicht Gänseblümchen?« , fragte Madeleines Mutter sie, nachdem diese in sich gekehrt nur auf ihrem Teller mit der Gabel herum kratzte.

Wie es verabredet war, waren sie zum Essen bei ihren Eltern erschienen ... und wie sie es bereits vermutet hatte, fehlte ihr der Mut mit Julian über Dag zu reden.

»Doch ... ich ... ich hab' nur nicht so viel Hunger.«

»Ach. Wirst du krank?«

»Nein Mama.«

»Keine Sorge. Selbst wenn, ich kümmer' mich gut um sie.« , sprach Julian und legte seine Hand auf Madeleines Oberschenkel ab.

Diese fühlte sich so unendlich schwer an. Doch sie konnte jene nicht wegschieben. Sie hatte das Gefühl, als würde sie ihn damit aus ihrem Leben verbannen wollen. Ein Signal senden. Ein Begräbnis für ihre gemeinsame Beziehung.

Egal, wie gut und richtig es sich in dem Moment mit Dag angefühlt hatte, es blieb eine erbärmliche Nummer Julian gegenüber. Erst Recht, weil er nicht Falsches getan hatte, was eventuell einen Betrug noch verständlicher machen würde.

Es war dennoch nicht einfach so passiert. Sie war nicht kopflos dort hineingeraten. Ihr Herz wollte das. Auch wenn es etwas Körperliches war, kam die Entscheidung von ihrem Herzen.

Es war keine Kontrolle, die sie über ihre Vagina verloren hatte. Sie wollte genau das, was er gesagt hatte. Eins mit ihm sein. Ihn spüren. Ihn küssen. Sie wollte Dag.

Die Gabel fiel ihr aus der Hand.

»Kind, was ist denn los mit dir?« , fragte ihr Vater.

»Es ... es tut mir leid. Ich muss ...« Wollte sie wieder wegrennen? »Kann ich ... ich muss ...« Sie stand auf und zeigte nach oben. »Ich geh' auf mein Zimmer.« Eilig verließ sie den Essbereich und rannte hinauf.

Die Türe knallte sie ungewollt hinter sich zu, ehe sie sich bäuchlings auf ihr Bett fallen ließ und heulte.

Hatte sie jetzt echt wie ein kleines Kind, den Tisch verlassen, um heulend in ihr Zimmer zu rennen?

War sie wieder in alte Muster verfallen?

Würde das denn nie enden?

Es klopfte an der Türe, eh sie geöffnet wurde.

Madeleine linste durch ihre Armbeuge hindurch. Es war Julian. Natürlich war es Julian. Er machte sich Sorgen. So war er halt.

Er setzte sich zu ihr und streichelte über ihren Rücken. Wieder diese Schwere. »Was ist los mit dir Schatz?«

»Nicht.« , sagte sie nur. Sie wollte das Thema zum jetzigen Zeitpunkt nicht starten und noch weniger war sie in der Lage seine Fürsorglichkeit spüren zu wollen.

Sie fühlte sich diesbezüglich nicht wert.

»Du weißt, das du über alles mit mir reden kannst.«

»Tu das nicht.« , schniefte sie.

»Was denn?«

»Sei nicht so nett zu mir.«

Seine Hand streichelte nun fester über ihren Rücken. »Schatz.«

»Nicht.« , sagte sie und fasste nach hinten, um seine Berührung loszuwerden.

Julian schnallte es von alleine und hörte auf. »Sollen wir nach Hause gehen? Ich lass dir ein Bad ein und ...«

»Nein.« , unterbrach sie ihn. »Lass uns nach Hause gehen, aber ... bitte hör auf.«

Eigentlich hatte sie nicht vorgehabt mit ihm zu gehen. Aber was sollte sie tun? Sich weiter in ihrem Kinderzimmer verstecken, statt die Sache, wie eine erwachsene Frau in die Hand zu nehmen?!

Komplett den Kinderschuhen entwachsen war sie noch immer nicht, denn mit ihm darüber zu reden, hatte sie nicht vor.

Stumm saß sie einige Minuten später in Julians Auto, nachdem ihre Mutter sie noch mehrmals gefragt hatte, was denn mit ihr los sei. Madeleine hatte es danach dann doch auf eine eventuale Krankheit geschoben.

»Ich hab' überlegt, ob ich ein Happy End schreiben soll.« , meinte Julian plötzlich und unerwartet. Da er merkte, das seine Freundin nicht über das sprechen wollte, was sie bedrückte, hatte er vor ihr wenigstens zu zeigen, dass er da war und trotz allem normal mit ihr umging.

»Was meinst du?« , kam leise aus ihrem Mund, während sie auf die Lichter der Stadt in der Dunkelheit achtete.

»Die Serie. Wir sind noch unschlüssig, aber ich glaube, die zwei benötigen ein Happy End. Bülent ist dagegen und Margo auch. Mir gefällt aber der Gedanke. Erste Liebe, die man nie vergisst.«

»Was?« Nun sah sie ihn an.

»Ich finde, die zwei haben ein Happy End verdient, nachdem sie endlich zueinandergefunden haben.«

»Warum sagst du das?«

»Mir gefällt der Gedanke. Dir etwa nicht?«

Madeleine sah wieder aus dem Fenster. »Ich weiß es nicht.«

»Liebe ist ... es wert.«

»Liebe kann wehtun. Menschen verletzen.« , sprach sie leise.

Einige Sekunden blieb Julian still. »Deswegen will ich ein Happy End. Heutzutage muss alles schnell gehen. Man isst zwischen Tür und Angel, statt öfters gemütlich zusammenzusitzen. Man tingelt von Job zu Job. Man swiped bei Tinder hin und her, um auf die Schnelle jemanden zu finden, mit dem man ein wenig Zeit verbringt. Aber Liebe, die ... die so lange anhält ... nie weg war ... so etwas muss ... geliebt werden. Das ist selten.«

»Ja.« , kam fast nur gehaucht aus ihr raus, als sie sich diese Worte verinnerlichte.

»Romina und Giuliano hatten Zeit zu reifen. Das wirst du noch merken, wenn sie anläuft.« , sprach er über die Leitfiguren seiner Serie. »Eine Chance für die Liebe finde ich da am effektivsten.«

»Du meinst das Menschen sich ändern können?«

Julian nickte. »Natürlich. Du etwa nicht? Bist du schon immer derselbe Mensch?«

Madeleine überlegte.

Allein das, was sie getan hatte, machte aus sie jemand anderes.

Sie schüttelte den Kopf.

»Siehst du.« Er lächelte. »Also bist du auch meiner Meinung?«

»Ich weiß es nicht.«

Er nahm unerwartet ihre Hand und küsste diese, nachdem er sie zu seinem Mund geführt hatte. »Ich liebe dich und bin für dich da. Egal, was du gerade durchmachst. Ich wollte nur, dass du das weißt. Wenn du bereit bist, mit mir zu reden, bin ich da. Jederzeit.«

Madeleine nickte und nahm ihre Hand zurück.

Momentan stand es nicht auf ihrer Wunschliste, Julian damit zu konfrontieren.

Wer will sich schon freiwillig als treuloses Arschloch outen?

Aber wenn sie es genau nahm, hatte sie ihre Beziehung bereits auf eine Planke gestellt.

Jetzt musste sie nur wissen, was der richtige Weg wäre. Diese nun hinabstürzen lassen ... oder zurück aufs sichere Schiff holen.

Liebe ist ...Where stories live. Discover now