Kapitel 17.

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Es waren zwölf. Zwölf Wesen.

Sie waren eine Mischung aus Mensch und Wolf – ihre Köpfe waren die des Tieres, aber ihre Körper sahen weiterhin menschlich aus.

Einer der Werwölfe wandte den Kopf und schien Noctana direkt anzustarren. Seine Augen waren schwarz wie Kohle, seine Ohren zuckten.

Die Werwölfe versammelten sich alle in einem Kreis, wieder vor Raum null.

Und sie verständigten sich. Sie konnten anscheinend nicht reden, aber eine Wölfin deute nacheinander auf alle Türen. Bei jeder schüttelten die Anderen den Kopf.

Bis plötzlich alle zustimmten.

Einer der Werwölfe heulte auf, Noctana spürte, wie sie wieder Gänsehaut bekam.

Das Heulen war nicht angsterfüllt, nicht traurig, nicht schmerzvoll – es war vorfreudig.

Wer war das bloß? Wer freute sich darauf, jemandem das Leben zu nehmen?

Die Werwölfe liefen gemeinsam in den Flur der Mädchen, stießen eine der Türen auf. Noctana spürte ihren Herzschlag heftiger als je zuvor.

Nicht alle drängten sich in das Zimmer, fünf von ihnen blieben draußen stehen, als würden sie Wache halten.

Eine dumme Vorstellung.

Einer der Werwölfe hatte Carter entdeckt, der immer noch tot und blutüberströmt auf dem Boden lag, in sich das Messer. Ein anderer winselte leise, dieses Mal klang es definitiv traurig.

Vielleicht waren er und Carter befreundet gewesen?

Mörderfreunde, dachte Noctana grimmig.

Dieses mal ertönten keine Schmerzensschreie – jemand versuchte zu schreien, die Stimme war Noctana nicht bekannt, aber es ging schnell in ein seltsames Gurgeln über.

Nach einiger Zeit kamen die Werwölfe wieder zurück aus dem Zimmer, Noctana bemerkte, dass die Gesichter anfingen, immer menschlicher zu wirken. 

Sie verwandelten sich zurück.

Noch waren die Gesichtszüge nicht erkennbar, aber wenn sie noch ein paar Minuten hier bleiben würden, könnte Noctana einige vielleicht identifizieren.

Aber das taten sie nicht. So schnell wie die Wölfe gekommen waren verschwanden sie auch wieder, vier von ihnen gingen in den Mädchenflur, acht in den der Jungs.

Noctana wartete einige Minuten, bis sie aufsprang – sie wollte nur noch einschlafen, in die Welt der Träume absinken, von hier verschwinden. Doch dann kam sie an dem Zimmer des Opfers der Werwölfe vorbei.

Ganz leise rief die Stimme etwas. Etwas, das Noctana zuerst nicht verstand.

„Hilfe.". 

Es war dumm, das wusste Noctana, aber trotzdem betrat sie das Zimmer.

Wie erwartet musste sie würgen, aber sie zwang sich, den Blick nicht von dem blutigen Körper abzuwenden.

„Ich bin Erin.", hustete das Mädchen. Noctana wunderte sich, dass sie noch lebte – die Werwölfe hatten sie wirklich übel zugerichtet.

„Ich dachte, du bist tot.", flüsterte Noctana.

„So gut wie.", sagte Erin bitter. „Ich wäre eigentlich. Aber ... ich habe noch eine Aufgabe. Ich darf noch erwachen."

„Warst du nicht schon wach?"

„Das war etwas anderes. Verliebte. Amor.", Erin atmete zitternd ein, hustete wieder. Noctana saß neben ihr, sagte nichts, wartete darauf, dass Erin wieder anfing zu Sprechen.

Und dann, ganz plötzlich fingen ihre Augen an rot zu glühen. Ihre Stimme war klar und deutlich als sie sagte: „Ich reiße Thomas mit in den Tod."

„Was?", wisperte Noctana.

„Ich kann eine Person mit mir untergehen lassen.", sagte Erin schwach. „Ich hoffe ich habe den richtigen erwischt. Ich hoffe-"

Ihre Stimme versagte, ihr Atem wurde noch zittriger.

Ihre Augen schlossen sich langsam, sie zuckte noch ein paar Mal.

„Vorbei. Weg.", seufzte Erin ein letztes Mal. Es klang fast erleichtert. 

Noctana blieb bei ihr sitzen, bis sie sich sicher war, dass das Herz von Erin nicht mehr schlug. Ihr Leiden war vorbei.

Also schlich Noctana zur Tür, drückte die Klinke hinunter – und zuckte zusammen. Ein Werwolf.

Ein Werwolf mit schwarzem Wolfskopf lief an der Tür vorbei, auf eine andere zu, stieß sie auf, lief hinein.

Was war das jetzt?!

Eine weitere Leiche? Es gab schon vier Tote, allein in dieser Nacht: diesen Thomas, den Erin mitgerissen hatte, dann Erin, Lena und Carter.

Was Noctana nicht wusste, war, dass es tatsächlich schon fünf Tote gab.

Christopher, der Junge mit der Ampulle, hatte die Rolle des Giftmischers bekommen. Der Giftmischer war nicht so böse, wie sein Name es vermuten ließ.

Jede Nacht übernachtete er bei einer anderen Person, das angebliche „Gift" band ihn außerdem an diesen Menschen.

Das hieß, dass wenn jemand ihn tötete, ihm nichts passieren würde. Sein Geist wurde bei seinem Gastgeber aufbewahrt.

Aber diese Nacht hatte Christopher sich an Thomas gebunden. Thomas war getötet worden und mit ihm auch Christopher.

Aber das war noch nicht alles: Die Werwölfe hatten einen Fehler damit gemacht, Erin zu töten. Eine von ihnen hatte gleichzeitig mit der Hexe ihren letzten Atemzug getan.

Insgesamt gab es sechs Tote.

Und die Nacht war noch nicht vorbei.

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Das wars für heute :-)

Es sind schon sechs gestorben ... ich war ehrlich gesagt auch überrascht wie massakrisch das alles wurde.

Noch ein Kapitel, dann ist die Nacht vorbei. Zumindest die Erste.



Werwolf - das BlinzelmädchenWhere stories live. Discover now