Kapitel 33.

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Carlas Blick war nach oben gerichtet.

Ihre Augen waren starr und eingefallen, ihre Haut wirkte seltsam lederig.

Alles an ihr war leblos, traurig.

Ophelia erinnerte sich an das letzte mal, dass sie Carla gesehen hatte.

Die verknoteten Finger, die nervös hin und herflackernden Blicke und dann die schreckgeweiteten Augen als ihr klar geworden war, dass sie Ophelia und James versehentlich zu Tode verurteilt hatte.

„Ophelia."
Ophelia sah nach oben, wendete den Blick von dem Gesicht des toten Mädchens ab.

Sie musste nicht nach hinten sehen, um zu wissen, wer mit ihr redete.

„James.", sagte sie.

„Es tut mir leid."

„Du kannst nichts dafür. Es ist nicht deine Schuld."

„Ich ... vielleicht haben wir doch eine Chance."

Ophelia fuhr herum: „Genau. Wir können alle anderen töten und dann alleine stehen. So werden wir garantiert glücklich!"
„Es tut mir-"

„Nein. Es ist nicht deine Schuld."

James lachte einmal auf, kurz und bitter: „Das Leben ist echt unfair, oder?"

„Es ist nicht das Leben. Es sind die Menschen."

James öffnete den Mund, Ophelia wartete auf die Worte.

Aber es kamen keine mehr. Und sie hatte auch keine.

Also ging sie langsam an ihm vorbei auf die Tür zu.

„James."

Er drehte sich zu ihr um, Ophelias Herz schlug schneller: „Wie ist es, Leute umzubringen?"

Seine Gesichtszüge entglitten.

Ihre Mauer war bereits über die Nacht gefallen. Die Unnahbarkeit, die sie durch all die Stunden voller Verzweiflung entwickelt hatte, fühlte sich an wie weggewischt.

Die Gesichtsausdrücke ihrer Mitmenschen rauschten nicht mehr an ihr vorbei. Sie deutete sie nicht nur: Sie fing wieder an, Sachen persönlich zu nehmen.

Sich mit selbst gebauten Gedankengängen selbst zu verletzten.

Und James Mauer: Das, was er versucht hatte aufzubauen.

Sie fiel jetzt.

Das schwache Licht verfing sich in seinem dunkelblauen Augen als sich die erste Träne bildete und er sie wegblinzelte.

„Es ist wie ein Drang. Als würde ich es müssen und müsste sonst ... mich selbst umbringen. Ich brauche dieses ... Töten. Aber es reicht auch, wenn es wenige aus unserer Gruppe tun. Unsere Gefühle sind als Wölfe eng aneinander geknüpft.

Aber wenn es vorbei ist ... dann können wir uns gegenseitig nicht mehr ansehen, weil wir alle wissen, was wir gerade getan haben.

Es ist furchtbar. Und jetzt ... weiß ich auch noch, dass ich, wenn ich etwas falsch mache ... dich mit mir reiße."

„Es tut mir leid.", sagte Ophelia. Die Tränen stiegen in ihre Augen.

Ein Wort mehr und sie würden fließen.

Also verließ sie das Zimmer.

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Als Noctana den Versammlungssaal zum Frühstücken betrat, war sie mehr als verwirrt als sie die Spielleiterin vorne stehen sah.

Werwolf - das BlinzelmädchenWhere stories live. Discover now