Kapitel 23.

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Noctana klammerte sich an der Regenrinne fest, die sich einmal um das Dach zog.

Mit aller Kraft stütze sie ihre Ellbogen auf den Ziegeln ab und fing langsam an, sich hochzuziehen. Ihre Füße schliffen über die Mauer, aber sie schaffte es – Noctana kletterte keuchend aufs Dach.

Wie sollte sie hier nur jemals wieder hinunterkommen?

Ein einziger Blick reichte und ihr wurde Schwindelig. Sie sank auf die Knie.

Von hier oben sah die Mauer so glatt aus wie spiegelndes Glas, jegliche Einkerbungen schienen verschwunden zu sein.

Sie saß hier fest.

Es sei denn ... Raum null. Der Eingang aufs Dach.

Wie oft hatte man ihr gesagt, dass man nicht gegen die Regeln verstoßen sollte?!

Die Spielleiterin wusste alles! 

Angeblich.

Aber was, wenn es nicht so war?

Noctana würde hier nicht lebend hinunterkommen, nicht, wenn sie klettern musste, das war ihr klar.

Also kletterte sie weiter aufs Dach. Hier irgendwo musste eine Tür sein, eine ... eine Klappe. Dort war sie - die Klappe auf dem Dach.

Noctana lachte erleichtert auf und fing zitternd an, diese Klappe hochzuziehen.

"Das ist die Treppe zum Dach. Sie ist beschädigt, es ist gefährlich sie zu betreten."

Das hier war keine Treppe.

Nicht mal mit viel Großzügigkeit könnte man die Leiter die vor ihr lag als Treppe bezeichnen. Noctana rüttelte prüfend an der Metallleiter – sie wackelte ein bisschen, aber nicht besonders stark. Anscheinend war sie an der Wand befestigt.

Ein letztes Mal überwältigten sie die Zweifel: Was, wenn dort unten die Spielleiterin stand und auf sie wartete?

Noctana stieg auf die oberste Sprosse und fing an herunterzusteigen, klappte die Luke hinter sich hinunter.

Die Leiter war ziemlich lang, aber die Kammer in der sie angebracht war, war ziemlich eng. Sogar die Tür schien sehr klein zu sein – aber Noctana vermutete, dass das nur Einbildung war.

Sie drückte vorsichtig die Klinke herunter. Würde sie jetzt vor einer wütenden Spielleiterin stehen, oder ...

Wo war sie?

Verwirrt schlüpfte sie aus der Kammer und schloss die Tür hinter sich. Hier war es kalt, noch kälter als in ihrem Zimmer.

Die Wände bestanden aus kühlem grauen Stein, in den Ecken hingen Spinnenweben. Noctana verließ auch diesen Raum ... und erstarrte.

Sie war im Keller.

Sie stand im Keller vom Lacrim Waisenhaus. Links von ihr war der Raum mit der Badewanne.

Aber nirgendwo wartete die Spielleiterin auf sie, was Noctana ziemlich beunruhigte. Sie betrat die Treppe, die zurück in den Flur führte – immer noch kein Anzeichen von der sadistischen Heimleiterin.

Also lief sie zitternd in den Versammlungssaal.

„Du hast es also geschafft!", stellte die Spielleiterin fest. „Du warst sehr langsam."

„Ich ... oh.", machte Noctana und wurde rot.

„Du bist wohl keine gute Kletterin ...", murmelte die Spielleiterin, gerade so laut, dass Noctana es noch hören konnte. „Hast du etwas gelernt?"

Noctana erinnerte sich an das Gefühl, an der Wand zu hängen.

Das Abrutschen.

Die Gewissheit, dass sie, selbst wenn sie oben ankommen sollte, nicht wieder hinunter kommen würde.

Die gefühlte Nähe zu dem Ende. Zu IHREM Ende.

„Ja.", antwortete sie knapp.


Werwolf - das BlinzelmädchenDonde viven las historias. Descúbrelo ahora