Kapitel 81.

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„Wir teilen uns auf! Wenn wir alle wieder gemeinsam verschwinden, wird das auf Dauer ein wenig zu auffällig!", meinte Ophelia. „Wer geht in den Keller?"

„Die Leute mit der besten Orientierung, würde ich mal sagen. Nolan.", meinte Wyatt. Nolan sah erschrocken auf: „Ich?!"

„Du übernimmst ab jetzt die Leitung vom Kellerkommando.", verkündete Wyatt feierlich und breitete die Arme aus, als würde er Nolan eine Auszeichnung überreichen.

„Ernsthaft?! Muss ich?!", fragte Nolan gequält und sah hilfesuchend zu den anderen.

„Das ist eine große Ehre. Du wurdest auserwählt.", meinte James. „Außerdem müssen wir alle unsere Opfer bringen, also beiss die Zähne zusammen. Es gibt schlimmere Aufgaben."

Nolan seufzte: „Meinetwegen. Wer kommt mit?"

„Jemand mit sozialen Kompetenzen. Noctana?", fragte Ophelia. „Du wolltest doch garantiert schon immer den Keller genauer erkunden, oder?"

Noctana verzog das Gesicht.
Sie dachte an die Badewanne mit der grauen Farbe, in der ihr altes Leben mithilfe von purer Trostlosigkeit überdeckt worden war.
Sie dachte an den Raum voller Flammen, das Feuer, das sie beinahe erstickt hatte.

„Okay.", sagte Noctana.

Ophelia lächelte: „Andere Freiwillige?"

Kurz war es still – bis Sophie sich aufrichtete und das dichte Haar über die Schulter warf: „Ich."

„Du?", rutschte es James heraus. Sophies Augen funkelten: „Überrascht, Jimmy? Ich bin hier bei weitem die Gutigste und außerdem bei weitem die Gefährlichste."

Wyatt lachte kurz auf, verwandelte das Geräusch schnell in ein künstliches Husten. Sophie ignorierte ihn: „Wenn dort unten jemand angegriffen wird, dann braucht ihr keine komplizierten Pläne oder was weiß ich. Ihr braucht handfeste Argumente. Und ihr braucht jemanden, der weiß, wie man kämpft."

„Eigenlob stinkt.", murmelte Andrew.

„Für dich vielleicht. Aber jeder nimmt Gerüche anders wahr, so ist es doch?! Also halt die Klappe und benutz einfach Deo.", meinte Sophie und stockte. „Wow. Ophelia, ich mag dich zwar immer noch nicht, aber meine Comebacks wurden weitaus besser, seit ich mit dir zusammenarbeite!"

„Ich merke es. Brauchst du vielleicht ein Messer von uns anderen so ungefährlichen Leuten, die ungefährliche Messer horten, oder reichen dir deine gefährlichen Fäuste?", fragte Ophelia und verschränkte die Arme.

„Ihr seid nicht gefährlich, ihr seid einfach nur Psychos.", entgegnete Sophie. „Paranoide Psychos. Aber okay: Wenn du unbedingt willst, dass ich ein Messer kriege, dann nehme ich meinetwegen eins!
Kann ich deins haben?"

Ophelias Gesichtszüge entgleisten für eine einzige Sekunde: „Tut mir leid. Ich habe es verloren."

„Verloren?!", spottete Sophie. „Mein Gott! Wyatt, kann ich eins von deinen Messern haben?"

Wyatt warf ihr ohne Vorwarnung eins der Messer zu. Sophie fing es an der Klinge aus der Luft. Das Messer drückte in ihre Handfläche und hinterließ eine feine rote Spur.

„Oh.", machte Sophie, legte das Messer in ihre andere Hand und saugte an dem Schnitt, um die Blutung zu stoppen.

„Ihr sucht Philine. Besorgt jede Art von Information, die ihr kriegen könnt.
Wir anderen müssen brennbares Material finden.", meinte Ophelia.

„Brennbares Material? Holz oder so?", fragte James.

„Ich dachte eher an Benzin. Oder Sägespäne."

„Natürlich.", meinte Wyatt spöttisch. „Und wo willst du das herbekommen?!"

„Noctana war doch in einem Flammenraum. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir dort ein paar Kanister finden.", antwortete Ophelia schulterzuckend.

„Du willst in einen brennenden Raum rennen?!", fragte Noctana entgeistert. „Es ist nicht lustig da drinnen! Ich wäre fast gestorben!"

„Wir sind doch sowieso fast tot.", warf Sophie ein, warf Wyatts Messer in die Luft und fing es wieder mit ihrer bereits blutverschmierten Hand auf.

„Das ist verrückt.", murmelte Andrew und massierte sich die Schläfen. „Das ist verrückt!"

„Keine Sorge, du musst nicht mitkommen.", beruhigte ihn Ophelia. „Wir gehen in Kleingruppen. So wie immer. Denn wir wollen schließlich nicht, dass wir alle auf einmal sterben. Auch wenn das vermutlich angenehmer für Geist und Körper wäre -"

„Wir planen jetzt aber trotzdem keinen Massenselbstmord!", unterbrach James sie. „Ich komme mit in den brennenden Raum. Wyatt?"

Wyatt nickte.

„Oh Gott.", seufzte Nolan, lief auf die beiden Jungen zu, schlang seinen linken Arm um James und den rechten um Wyatts Hals und drückte sie heftig an sich. „Sterbt nicht! Bitte!"

Er schob sie ruckartig wieder von sich, mit einer Kraft, die Noctana ihm gar nicht zugetraut hätte und nahm dann Ophelias Hand: „Und wenn du stirbst, dann ... dann bringe ich dich um!"

„Nolan, wir kommen da schon lebendig raus!", versuchte James ihn zu beruhigen, aber auf Nolans Stirn bildeten sich trotzdem kleine Schweißperlen: „Lebendig, aber dann versengt, oder wie?!"

„Wir kriegen das schon hin. Eure Mission ist viel gefährlicher!", meinte Wyatt. Nolans Augen weiteten sich panisch.

„Dankeschön, Wyatt. Diesen Satz hat die Welt jetzt gebraucht.", meinte Ophelia genervt. „Können wir los? Wir treffen uns, wenn wir -"

„Ja ja ja.", rief Sophie. „Nolan, Noctana? Kommt ihr?!"

Noctana und Nolan warfen sich einen kurzen ängstlichen Blick zu, dann folgten sie beide Sophie, die immer noch aus pure Langeweile das Messer in die Luft warf und wieder auffing.

Werwolf - das BlinzelmädchenWhere stories live. Discover now