Kapitel 83.

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James roch den Rauch sofort, als sie zu dritt den Keller betraten: „Wir sind wohl auf der richtigen Spur."

„Ich mag den Geruch irgendwie. So wird es riechen, wenn wir dieses Haus abfackeln!", lachte Wyatt.

„Jetzt gerade klingst du fast wie die Spielleiterin.", sagte Ophelia.

„Was?"

„Sie mag das Leid. Wir fangen an, das Leiden des Leids zu mögen. Heißt das, wir mögen das Leiden?", erklärte Ophelia.

„Ich habe nach deiner Erklärung mehr fragen als davor, um ehrlich zu sein.", sagte Wyatt verwirrt.

„Denk darüber nach. Vielleicht verstehst du es dann."

Sie bogen nach links ab. Die Luft wurde fast unmerklich wärmer. Die Wände schienen leicht zu flackern, es war, als wäre die Luft voller unsichtbarem Rauch.

„Ich habe die Theorie, dass wir gleich angekommen sind.", sagte James und kniff die Augen zusammen.

„Welcher Psycho entfacht denn im Keller ein Feuer?!", zischte Ophelia.

„Wieso? Wer macht das denn nicht?!", witzelte Wyatt. „Oh man, das ist gerade wirklich nicht der beste Zeitpunkt für Witze, oder?"

Sie erreichten den Raum. Die Tür stand sperrangelweit offen und dahinter sah man nichts außer dichten, dunkelgrauen Rauch.

Die Luft stank.

„Das erinnert mich irgendwie an ein Chemielabor.", meinte James.

„Ich würde nachfragen, wieso genau, aber ehrlich gesagt will ich es gar nicht wissen.", murmelte Wyatt. „Einer von uns muss da rein."

Alle drei standen also dort und sahen zu den Überresten des Kellerfeuers.

„Ich gehe rein. Es war meine Idee.", sagte Ophelia schließlich.

„Was?! Nein - ", rief James entsetzt.

„Ich gehe da rein! Ich bin die einzige, die einigermaßen so denkt -", unterbrach Ophelia ihn und wurde dann von Wyatt unterbrochen: „Wir gehen alle rein."

„Einverstanden.", sagte Ophelia.

„Bist du komplett verrückt geworden?!", fragte James. „Wir gehen da nicht -"

„Du kannst draußen warten, wenn du willst.", meinte Wyatt.

„Spinnst du?!", zischte James und zog Wyatt am Arm näher zu sich. „Denk darüber nach, Wyatt. Es -"

Ophelia riss den Ärmel ihres T-Shirts ab. James und Wyatt sahen sie verwirrt an.

„Was machst du da?", fragte Wyatt.

„Was ist mit deinem Arm passiert?", fragte James.

„Erstens, ich weiß, dass es kein guter Schutz vor dem Rauch ist, aber es ist immerhin etwas. Und zweitens ... das ist eine andere Geschichte.", antwortete Ophelia und riss am anderen Ärmel. Die Nähte hingen erstaunlich lose, weshalb sie nach wenigen Sekunden auch den anderen Ärmel in den Händen hielt.

James und Wyatt sahen sich kurz an, dann zuckte James mit den Schultern, zog sich seinen Pullover über den Kopf und knotete ihn um sein Gesicht.

Wyatt machte es ihm nach.

„Ist das nicht Lenas T-Shirt?", fragte Ophelia verwirrt an Wyatt gewandt.

Wyatt schüttelte den Kopf: „Nein. Es ist meins. Schon immer gewesen. Sie hat es sich nur manchmal ausgeliehen."

„Hm.", machte Ophelia mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Egal. Wir gehen rein, holen das Benzin und rennen wieder raus."

„Wenn wir anfangen zu husten, gehen wir wieder raus. Wir bringen uns nicht in Gefahr, okay?", sagte James eindringlich.

„Du kannst auch draußen warten -"
„Es geht hier nicht um mich.", unterbrach James Wyatt scharf. Wyatt sah wieder zu dem Rauch.

„Auf drei.", sagte Ophelia. Ihre Stimme klang seltsam dumpf durch den Stoff vor ihrem Gesicht. „Haltet euch möglichst nah am Boden. Und sterbt nicht."

„Danke für den Anhang. Jetzt fühle ich mich so richtig sicher.", meinte Wyatt.

„Eins.", sagte Ophelia. James zog den Knoten des Pullovers um seinen Kopf fester. Je schneller er das Benzin fand, desto früher könnten sie wieder raus.

„Zwei."

Wyatt schloss die Augen. Sofort sah er Lena vor sich.
Sie lächelte ihm zu, er sah seine eigenen Augen in ihrem Gesicht. In der Pupille spiegelten sich Flammen, beißender Rauch umhüllte seine tote Schwester.

„Drei."

Sie rannten alle drei in den Raum.

Ophelia hatte den Rauch unterschätzt. Ab dem Moment, in dem sie in den Raum rannte, konnte sie nicht mehr Atmen, ohne von heftigem Husten geschüttelt zu werden, also hielt sie die Luft an.

Sie orientierte sich grob an den Wänden, doch nach zehn Sekunden musste sie sich eingestehen, dass das so nicht funktionieren würde.

In ihrer Lunge stach es unangenehm, sie konnte so nicht richtig nachdenken. Also atmete sie tief ein.

Der giftige Rauch füllte ihre Lunge wie Wasser, der Husten zwängte Ophelia auf die Knie. Sie kniff die brennenden Augen fest zusammen, tastete blind auf dem Boden nach einer Art Weg.

Sie spürte etwas feuchtes, eine warme Spur, direkt neben der Wand. Das musste das Benzin sein, oder welche Flüssigkeit die Spielleiterin auch genutzt haben mochte.

Dann spürte sie plötzlich etwas warmes an ihrem Rücken. Hände griffen nach ihren Schultern, zogen sie zurück, hinaus aus dem Raum und wieder zurück in den Keller.

Ihr Kopf prallte sanft auf den Boden, der kühle Stein war ein angenehmer Kontrast zu der Hitze.

„Feely.", sagte James. Ophelia blinzelte und zog sich hustend den Stoff von dem Gesicht weg.

„Wir haben gesagt, dass wir rennen, wenn wir nicht mehr können.", meinte James. „Wir müssen hier weg!"

„Aber ... das Benzin ...", sagte Ophelia schwach. Ihre Stimme war rau, sie hustete wieder und wieder.

„Wyatt hat es.", sagte James.

„Wyatt?", flüsterte Ophelia.

„Wyatt hat es, ja. Es ist alles gut.
Ophelia, was ist mit deinem Arm passiert?", fragte James abrupt.

„Du weißt vielleicht noch, im Keller ... die Umarmung ... das war davor. Ich brauchte es.", antwortete Ophelia stockend. „Oh Gott, mein Kopf!"

„Wir müssen hier raus. Wyatt ist schon vorgegangen.", meinte James eindringlich. Ophelia nickte und richtete sich auf.

Der Rauch zog langsam aus dem Raum, bereitete sich stetig weiter aus.

„Das ist seltsam.", murmelte Ophelia.

„Egal.", meinte James. „Wir müssen -"

Und Ophelia rannte noch vor ihm los.


Werwolf - das BlinzelmädchenМесто, где живут истории. Откройте их для себя