Kapitel 51.

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Die nächsten die aufwachen würden, waren die Werwölfe.

Das wurde Noctana allerdings erst klar, als sich mehrere Türen fast gleichzeitig öffneten.

Ihre Aufmerksamkeit wurde von dem Versuch, die Stimme in ihrem Kopf nicht zu hören, beiseite gedrängt. Und das sogar fast schon erfolgreich!

Anders als Ophelia schaffte Noctana es, schon in der Realität zu bleiben, wenn sie sich einfach nur auf ihre Atemgeräusche konzentrierte.

Ein lautes Knurren ließ sie zusammenzucken, erschrocken krümmte sie sich wie ein kleines Kind, um nicht entdeckt zu werden.

Denn das war klar: Würden die Werwölfe sie sehen, würde sie den Tod viel schneller kennenlernen als dass sie irgendeinen letzten Satz in die Welt werfen könnte.

Sie würde allein sterben, nur in Gesellschaft ihrer Mörder, die allerdings in dem Moment nicht einmal Gefühle hatten.

Egal wie laut sie schrie, niemand würde kommen.

Eine Träne lief an Noctanas Wange herunter, sie war fast schockiert darüber. Noctana hatte angenommen wenigstens ein wenig durch die harten Nächte abgehärtet zu sein, aber diese Träne zeigte etwas anderes.

Zitternd wischte sie das salzige Wasser aus ihren Augen, richtete den Blick auf die Werwölfe, die sich vor Raum null sammelten.

Zuerst schienen sie niedergeschlagen zu sein, ihre animalischen Gesichter wirkten schmerzverzerrt.
Verzerrt von Trauer und dem Gewissen, nichts gegen die Mörder unternehmen zu können – einfach, weil sie selbst die Mörder waren.

Aber dann übernahm der Instinkt der Werwölfe ihr Bewusstsein, verdrängte all das Menschliche, das für einen kurzen Moment noch übrig geblieben war.

Sie wendeten sich dem Jungsflur zu.

Die Neugier schoss durch Noctanas Körper, das Adrenalin brachte sie dazu, sich ein wenig höher aufzurichten.

Die Gruppe der Werwölfe schien sich zu beraten, einige von ihnen deuteten auf die Zimmertür von Nolan.

Hatte Noctana mit ihrem Rat wirklich ein Leben gerettet?

Konzentriert betrachtete sie die Gesichtsausdrücke der Werwölfe, die noch vor Raum null standen.
Die Werwölfe, die diese Nacht anscheinend nur bei dem Töten zusehen würden.

Ein Werwolf nach dem anderen nickte, fast schon mit Freude sah Noctana zu, wie sie das Zimmer betraten in dem Nolan verschwunden war.

Doch dann ertönten die Schreie.

Beunruhigt betrachtete Noctana die Werwölfe vor Raum null, wollte aufspringen und wissen was dort los war.

Nolan konnte nicht sterben, er hatte sich selbst geschützt!

Also warum konnten die Werwölfe ihn dann so stark verletzten?

Die Schmerzensschreie wurden lauter, das Brüllen hallte durch den ganzen Flur.

Trotzdem kam niemand aus den Zimmern um nachzusehen, was passierte – es war nicht überraschend für Noctana, aber doch erschreckte sie diese seltsame Abblockung immer wieder.

Nolan konnte nicht sterben.

Er konnte nicht sterben! Aber warum hörte sie dann ein lautes Ratschen, ein letztes Keuchen ... wer auch immer geschrien hatte, unverletzt war diese Person definitiv nicht!

Aber sie musste leben!

Es konnte keinen Toten geben!

Die Werwölfe trafen sich wieder vor Raum null, die Gesichter teilweise mit frischem, rot glänzendem Blut verschmiert.

Noch leuchteten ihre Augen boshaft schwarz, doch ganz langsam wurden ihre Blicke wieder weicher.

Menschlicher.

Sie erreichten den Moment, in dem ihnen wieder klar wurde, was sie gerade getan hatten.

Noctana konnte zusehen, wie all das was passiert war wieder in das Bewusstsein der Jugendlichen in Wolfsgestalt sickerte.

Die Werwölfe verabschiedeten sich nicht voneinander, stattdessen wendeten sie sich nur voneinander ab und verschwanden wieder hinter ihren Zimmertüren.

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Werwolf - das BlinzelmädchenWhere stories live. Discover now