Kapitel 32.

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Noctana atmete tief ein, als sie aufwachte.

Aus den Augenwinkeln sah sie Ophelia in dem Bett gegenüber von ihrem aufstehen.

„Wie schlimm ist es?"

Noctana setzte sich langsam auf: „Was?"

„Wie schlimm ist es?", wiederholte Ophelia angespannt. Ihr Blick war voller Besorgnis, das Grau in ihren Augen schien heller als sonst zu sein.

Das Stumpfe, das Noctana anfangs darin gesehen hatte, schien verschwunden zu sein. Als hätte man eine zugewachsene Wunde wieder aufgerissen.

„Ich glaube es ist ... okay. Ich habe den Anfang verpasst.", gestand Noctana. „Aber-"

„Weißt du wer tot ist?"

„Tut mir leid.", meinte Noctana und schüttelte den Kopf.

Dann ertönte der erste Schrei des Morgens.

„Wir werden sehen.", meinte Ophelia und ging auf die Tür zu, legte die Hand auf die Klinke - als sie bemerkte, dass Noctana ihr nicht folgte.

Sie kommentierte es nicht, fragte nicht ob alles „in Ordnung" war. Stattdessen setzte sie sich neben Noctana.

„Es war der Schrei.", sagte Noctana. Ihre Stimme klang belegt, sie schluckte. Aber das half nicht.

„Du ... es ... jemand ..."

Noctana brach ab. Wenn sie anfing zu reden, würde sie die Tränen nicht mehr zurückhalten können. Und das Letzte was sie wollte, war wieder anfangen zu weinen.

Ophelia sah sie kurz stumm an, bevor sie wieder aufstand: „Wir müssen auf den Flur."

Noctana senkte den Blick.

„Ich weiß wie schwer es für dich ist.", meinte Ophelia. „Aber wenn wir nicht gehen werden sie uns verdächtigen."

„Kann ich nicht-"

„Nein. Es tut mir leid.", sagte Ophelia mit zitternder Stimme.

„Alles okay?"

Ophelia antwortete darauf nicht.

„Tut mir leid.", sagte Noctana, als ihr wieder einfiel, dass das genau die Art von Satz war, die sie nicht mehr sagen sollte.

Das war etwas für die Welt da draußen, in der man automatisch „gut" antwortete und dann die Tränen zurückhalten musste, wenn noch einmal nachgefragt wurde.

„Muss es nicht.", meinte Ophelia und legte ihre blasse Hand wieder auf die Klinke.

Noctana atmete tief durch und stand auf.

Dieses mal lag auf dem Flur keine Leiche, was schon eine große Erleichterung für viele war.

Es standen nur noch wenige in den Türrahmen, als Noctana und Ophelia aus dem Zimmer traten.

„Wer ist ... tot?", fragte Ophelia in die Runde. Sophie drehte sich zu ihr um: „Rate doch mal."

„Wieso? Wenn ich richtig rate sagst du ich wäre ein Werwolf und wenn ich falsch rate gelte ich als Spalterin, oder?"

„Deine Worte, nicht meine!", meinte Sophie ungerührt und verschränkte die Arme.

„Es ist Carla.", sagte ein Mädchen, das Noctana nicht kannte.

„Eliza.", wisperte Ophelia Noctana den Namen des Mädchens kurz zu, bevor sie über den Flur zu Carlas Zimmer lief. Noctana folgte ihr nur zögernd.

„Willst du da wirklich rein? Sie sieht ziemlich schlimm aus!", warnte Tabea sie schaudernd, als sie aus dem Zimmer hinaustrat.

Noctana gab einen erstickten Laut von sich, aber Ophelia lief in das Zimmer.

„Du musst nicht da rein!", meinte das Mädchen namens Eliza als sie Noctanas gequälten Gesichtsausdruck bemerkte.

Noctana sah sie überrascht an.

„Oh, sorry. Du hast keine Ahnung wer ich bin, oder?", meinte das Mädchen nervös. „Eliza."
„Noctana.", sagte Noctana und zog ihre Mundwinkel nach oben. Ihre Gesichtsmuskeln fühlten sich seltsam verkrampft an.

„Ich weiß. Das ist der Nachteil, wenn man Neu ist: Alle kennen ein, aber man selbst kennt niemanden. War bei mir auch so.", erzählte Eliza. „Und? Wie findest du es hier?"

Noctana sah sie mit offenem Mund an.

„Ach, richtig. Du bist mit Ophelia in einem Zimmer. Entschuldige.", sagte Eliza schnell.

„Was meinst du?", fragte Noctana mit zusammengezogenen Augenbrauen.

„Na ja ... sie ist ziemlich negativ, oder?"

„Hast du jemals mit ihr gesprochen?", fragte Noctana unbeabsichtigt barsch.

Eliza zuckte zusammen.

„Entschuldige, ich-", stotterte Noctana. „Ich-"

„Hey, alles gut! Ich bin nicht eine von denen, die sich auf jeden deiner Fehler stürzen.", beruhigte sie Eliza. „Es-"

„Noctana!"

Sie fuhr überrascht herum. Es war James.

„Wo ist Ophelia?", fragte er nervös.

Eliza deutete auf die Zimmertür von Carla.

James Augen weiteten sich fast unmerklich, als er den zwei Mädchen kurz zunickte und dann in das Zimmer lief.

„Ich war eine Zeit lang in ihn verliebt.", gestand Eliza lächelnd.

„Was?", fragte Noctana überrascht. Es erschien unsinnig, dass es hier solch banale Dinge gab.

„Ich weiß. Keine Ahnung, warum eigentlich. Hielt nicht lange an. Wir sehen uns."

Sie winkte kurz, riss Noctana aus ihrer Zuhörer-Trance und verschwand hinter einer der Zimmertüren.

Noctana betrachtete unschlüssig die sich schließende Tür.

Der Flur war jetzt fast wie ausgestorben.

Etwas fehlte. 

Sie hatte zwei Schreie gehört - aber es gab erst eine Leiche.

Wo war die zweite?

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Oh Gott, ich lade viel zu selten neue Kapitel hoch.
Zu meiner Verteidigung: Ich habe momentan gefühlt zu überhaupt nichts mehr Zeit.

Jedenfalls: Das neue Kapitel wird wieder etwas länger! :-)

Und übrigens DANKE an alle die voten und kommentieren (und ja, ich lese mir jeden einzelnen durch, auch wenn ich nicht auf alle antworte xD) und auch an die stummen Leser! :-)


Werwolf - das BlinzelmädchenWhere stories live. Discover now