Kapitel 10.

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Noctana saß auf ihrem Bett und starrte die Tür an.

Sie hatte nur zwei Bücher dabei. Sie war allerdings kein großer Fan vom Lesen und ihr elektronisches Zubehör hatte sie abgeben müssen.

„Wir müssen los.", sagte Ophelia irgendwann.

„Endlich. Das Warten ist furchtbar!", seufzte Noctana erleichtert.

„Oh, es gibt schlimmere Arten vom Warten.", meinte Ophelia, biss sich auf die Lippe.

„Was meinst du?"

„Wir wurden in dunkle Räume gesperrt und stundenlang nicht rausgelassen. Angeblich um unsere Stärke zu trainieren.", sagte Ophelia kurz angebunden.

„Warte, was?!"

„Ich hatte es dir eigentlich nicht erzählen wollen. Aber das gehörte zu unserem Spezialunterricht."

„Das ist Folter."

„Willkommen im Lacrim Waisenhaus."

„Aber ... wie kann die Spielleiterin denn dann die Erlaubnis haben, das Haus zu führen?!"

„Es wird alles vertuscht. Sie hat irgendwelche dunklen Kräfte, sie kriegt alles was sie will.", meinte Ophelia bitter. „Und jetzt komm. Wenn wir zu spät kommen, werden wir bestraft. Und wir müssen noch deine Klamotten holen."

Noctana schluckte. Ihre Klamotten.

Die Klamotten hatten sich angepasst, angepasst an das neue Leben hier. So kam es Noctana zumindest vor.

Graues Wasser tropfte aus den Stoffen, sie waren fleckig, einige waren nicht mal wirklich grau, sondern seltsam farblos.

„Man färbt Klamotten eigentlich anders.", erklärte Ophelia. „Das hier ist ... die unsaubere Variante."

„Ich seh's.", seufzte Noctana und warf ihre Klamotten in den Pappkarton, den Ophelia ihr hinhielt. Oben würden sie die Sachen aufhängen.

„Und was soll ich gleich anziehen?"

„Wir trocknen ein T-Shirt und eine Hose.", sagte Ophelia. „Komm. Wir haben keine Zeit für lange Pausen."

Sie gingen mit einem der hässlich gefärbten T-Shirts und einer der Hosen in den Waschraum und föhnten die Sachen.

Die graue Farbe stank, aber Noctana war fest entschlossen, den Geruch zu ignorieren.

Vielleicht musste sie wirklich stärker werden, wenn sie hier überleben wollte. Das war der erste Schritt, um diese Stärke zu erreichen.

„Zieh dich um, ich warte an der Treppe.", sagte Ophelia, Noctana lief zurück in ihr gemeinsames Zimmer und zog die Klamotten über.

Dann guckte sie in den Spiel und zuckte zusammen. Das graue T-Shirt ließ sie viel breiter erscheinen als sie war, ihre leicht gebräunte Haut wirkte albern in der Kombination mit den dreckigen Farbtönen. 

„Du schaffst das.", flüsterte Noctana um sich selbst Mut zu machen und ballte die Fäuste. Mit hoch erhobenem Kopf verließ sie das Zimmer und ging zu Ophelia, die in dem gräulichen Licht aussah wie ein Geist.

„Wir haben also jetzt Spezialunterricht und bevor du fragst: Ich weiß auch nicht was wir heute machen. Das Spiel läuft, also wird sich vermutlich einiges verändern. Aber was genau, weiß ich nicht.", sagte Ophelia.

„Okay!", flüsterte Noctana.

„Ophelia!", sagte jemand anderes, Noctana drehte sich um.

„James.", gab Ophelia leicht überrascht zurück, Noctana sah neugierig in den linken Flur. Ein schlaksiger Junge in ihrem Alter lief auf sie zu. Auch er trug graue Kleidung, mit seltsamen Flecken. Eindeutig eingefärbte Sachen.

„Das ist Noctana.", sagte Ophelia.

„Ihr müsst auch zu dem Spezialunterricht, oder?", fragte James neugierig.

„Ja. Du weißt nicht zufällig, was genau-"

„Nein.", unterbrach sie James bitter. „Hoffentlich schmeißt sie uns nicht wieder in irgendeinen Brunnen!"

„Was ...?", flüsterte Noctana schockiert.

„Das war nur ein einziges Mal.", beruhigte sie Ophelia. „Es war schrecklich."

„Ich musste zwei Mal.", erzählte James. „Beim zweiten Mal hat sie die Leiter gelockert, sodass ich mehrere Anläufe brauchte. Feely hatte nur ein Seil, das war-"

„Wer ist Feely?", fragte Noctana verwirrt. James grinste und Ophelia stieß ihm mit ihrem Ellbogen zwischen die Rippen.

„Du machst das immer zu fest.", meinte James und wandte sich dann an Noctana. „Ophelia. Es ist ihr Spitzname"

„Ist es nicht.", sagte Ophelia. „Aber ich hatte wirklich nur ein Seil, meine Hände waren danach voller Schürfwunden."

Noctana lehnte sich gegen die Wand. Sie sah sich schon tief in irgendeinem Brunnen, ohne irgendeine Lichtquelle und mit nur einem kurzen Seil als Kletterhilfe.

Wahrscheinlich waren überall Spinnen und Wasser und ...

„Noctana. Kommst du?", fragte Ophelia, sie und James standen auf der Treppe. Noctana nickte und folgte ihnen, während ihre Gedanken immer wieder zu verschlossenen Räumen und tiefen Brunnen abschweiften.

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Wie gesagt: Häufige Updates :-)

Ich habe heute vier Kapitel geschrieben, es wird also vermutlich so schnell weitergehen. In den nächsten Kapiteln werden außerdem VIELE neue Figuren vorgestellt ...

Weil das Letzte mal niemand darauf geantwortet hat: Welche Rolle/n glaubt ihr habe ich aus dem Spiel gestrichen?




Werwolf - das BlinzelmädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt