Kapitel 4.

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„Das sind meine Anfangsbuchstaben.", bemerkte Noctana.

„Das ist korrekt, Noctana Shirin Taylor.", meinte die Frau und legte das Etui auf den Tisch. „Weshalb glaubst du, könnte das so sein?"

„Es ... es gehört vielleicht mir. Ein Familienerbstück oder so.", schlug Noctana vor. „Oder ... oder es ist nur Zufall."

„Es gibt keinen Zufall.", unterbrach sie die Heimleiterin. „Es gehört tatsächlich dir. Aber du wirst nicht alles davon bekommen."

Noctana setzte sich neugierig aufrechter hin: „Was meinen sie?"

„Ich werde deine Fragen nicht beantworten.", sagte die Frau ungerührt. „Ich werde es dir nur erklären. Ob du es verstehst, ist deine Sache. Aber beginnen wir von vorne. Und unterbrich mich nicht.

Wir spielen hier ein Spiel. Es ist ein aufregendes Spiel, voller Abenteuer. Es wird dir bestimmt viel Spaß machen. Dieses Spiel ist von diesem Augenblick an dein Leben.

Ich bin die Spielleiterin. Du wirst mich ausschließlich so ansprechen. Mein Name ist unwichtig. Für dich und für alle anderen Kinder in diesem Haus bin ich die Spielleiterin.

Jede und jeder von euch bekommt eine Karte. Eine Karte, die euch eure Rolle vorgibt. Eure zweite Identität. Euer zweites Ich.

In diesem Spiel scheint es Anfangs noch eine klare Grenze zu geben, die Grenze zwischen gut und böse, zwischen richtig und falsch. Aber du musst wissen, Noctana, dass diese Grenze verschwimmen wird, bis es weder schwarz noch weiß gibt – alles wird grau.

Nachts wirst du dich verstecken oder auf der Jagd sein. Mit Jagd meine ich nicht nur das Herausfinden und Aufdecken von Hinweisen – sondern auch das Töten.

Es ist ein Spiel zwischen Leben und Tod. Entweder die eine Gruppe gewinnt, oder die andere.

Die Verlierer sterben.

In diesem Etui ist deine Karte, Noctana. Dein zweites Ich.

Du kannst deine Verwandlung nicht aufhalten, das einzige was du machen kannst, ist um dein Leben zu spielen.

Ich habe bereits zwei Runden hinter mir, beide gingen gleich aus. Ich bin mehr als gespannt auf das Ende des dritten Spiels. Hast du Fragen?".

Noctana zuckte zusammen. Sie hatte wie gebannt der Heimleiterin zugehört. Das Spiel klang wirklich aufregend, aber eine Sache verstand sie nicht – die Spielleiterin tat so, als wäre es real.

„Ähm ... ja. Warum haben sie erst zwei Runden gespielt?".

„Eine interessante Frage und so leicht zu beantworten. In beiden Runden waren es weniger als als fünf Überlebende, als es endlich einen klaren Sieger gab. Ich konnte nicht weiterspielen, ich brauchte neue Leute. Neue Kinder, die endlich ihre Rollen einnehmen würden, endlich entdecken würden, wozu sie innerlich fähig wären.", antwortete die Spielleiterin und sah dabei fast verträumt aus.

Noctana wurde kalt: „Also ist das ... real? Ich werde hier ... sterben?!"

„Das weiß ich nicht. Kommt darauf an, wie dumm du dich anstellst.", meinte die Spielleiterin.

„Was gibt es für Rollen?"

„Das werde ich dir nicht sagen."

„Was bekomme ich für eine Rolle?"

„Das kannst du gleich selbst sehen.", meinte die Spielleiterin und tippte auf das Etui. „Hier drin liegt deine Karte. Sie wartet auf dich."

„Kann man die Karten tauschen?"

„Selbstverständlich. Es nützt dir nur nichts, denn deine Rolle bleibt gleich. Du hast nur eine zweite Identität. Die Karten zeigen was du bist, sie ändern nichts an dir."

„Also ... ich war schon immer so wie das, was diese Karte mir zeigt?", flüsterte Noctana.

„Korrekt.".

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Das ist also die Erklärung des Werwolf Spiels, das im Lacrim Haus zum dritten mal stattfindet.

Wer glaubt ihr hat die letzten Runden gewonnen - Werwölfe oder Nicht-Werwölfe? Denn gut oder böse gibt es ja vielleicht schon bald nicht mehr so direkt ... :-)

Jedenfalls: Wie hat euch das Kapitel gefallen?


Werwolf - das BlinzelmädchenWhere stories live. Discover now