Kapitel 38.

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Sie gingen also in den Keller.

Gänsehaut überzog Ophelias Arme, als die kalte Luft sie umhüllte, aber sie verzog keine Miene. Würde sie Schwäche zeigen, würde sich die Spielleiterin darauf stürzen wie ein Falke auf eine Maus.

„Schließ die Augen.", befahl die Spielleiterin und zog ein schwarzes Tuch aus einem der Regale, die an den verrücktesten Stellen hier im Keller standen.

Ophelia gehorchte, spürte wie der raue Stoff auf ihre Augenlider traf und straff um ihren Hinterkopf gebunden wurde.

Die knochigen Hände der Spielleiterin umschlossen ihre Schultern anschließend wie Schraubstöcke.

„Lauf weiter."

Ophelia setzte zitternd einen Fuß vor den anderen, immer und immer wieder, bis die Spielleiterin sie losließ und sie spürte, wie das Tuch fiel.

„Ich habe ein wenig renoviert.", teilte die Spielleiterin ihr mit und Ophelia öffnete die Augen.

Am liebsten hätte sie geschrien; oder sich umgedreht, oder-

Sie wollte weglaufen, egal wohin.

Es gab kein Licht in dem Raum. Keine nackten Glühbirnen wie in einigen anderen Kellerräumen, keine Fenster, nicht einmal Lüftungen. 

Man stand dort und sah nichts – doch jetzt, wo die schwere, mit Eisen verstärkte Holztür noch geöffnet war fiel Licht hinein.

An den Wänden waren Messer befestigt, die scharfen, teilweise verrosteten Klingen nach vorne gerichtet. 

Auf dem Boden glänzten Pfützen. Entweder Wasser, Öl oder Blut. Es konnte alles sein.

„Vielleicht sind hier auch Mäuse, ich habe letztens einige an mir vorbeilaufen gesehen und nicht alle erwischt.", sagte die Spielleiterin. „Aber kommen wir zurück zu dir: Du wirst hier drin bleiben.

Und das so lange, bis die Tür geöffnet wird. Vorher wirst du sowieso nicht herauskommen, es ist nicht möglich die Tür von innen zu öffnen."

Ophelia nickte und biss sich angespannt auf die Lippe.

Die Spielleiterin ließ das schwarze Tuch beiläufig auf den Boden fallen, verließ den Raum und schloss die Tür.

Das Schloss schnappte mit einem erstaunlich lauten Klicken ein, ein Schlüssel drehte sich.

Jetzt war sie allein, nicht wahr? 

Das erste Zischen ertönte, etwas ratschte lautstark an den Messern vorbei.

Ophelia drehte sich um, versuchte eine Bewegung zu erkennen, aber die Dunkelheit raubte ihr die Sicht wie schwarze Tinte.

Dann ertönte das Lachen. Nicht besonders gruselig, nicht unbedingt bösartig – aber höchstens drei Zentimeter von ihrem Ohr entfernt.

Ophelia schrie erschrocken auf und sprang zur Seite. Etwas scharfes fuhr an ihrem Arm entlang, sie ging in die entgegengesetzte Richtung.

Und prallte gegen etwas - oder eher gegen jemanden.

Der nächste Schrei. Sie war nicht allein.

Und egal wohin sie auswich: Entweder die Person oder die Messer würden sie treffen. Immer und immer wieder.

Also blieb sie stehen, versuchte ihren Atem zu beruhigen um ihren Herzschlag zu regulieren.

Die Person begann zu flüstern, schubste sie leicht, lachte wieder.

Aber Ophelia blieb stehen, hob unwillkürlich die Hände und verdeckte ihr Gesicht.

Schubsen, lachen, ein Schlag auf ihren Oberarm.

Ihr Gehör war alles was ihr noch blieb um sich hier zurechtzufinden und das letzte was sie wollte, war die Augen aufgeschlitzt zu kriegen.

Schubsen, lachen ... Stille.

Es dauerte einige Minuten, bis sie sich sicher war, dass die Person verschwunden war.

Alle Atemgeräusche stammten von ihr. 

Also nahm sie die Hände wieder von ihren Augen und sah wie erwartete genauso wenig wie vorher. Lag hier vielleicht irgendwo eine Taschenlampe? Sie glaubte es zwar selbst nicht, aber-

Plötzlich fuhr ein strahlender Lichtpunkt durch den Raum, erhellte die Mauern für eine einzige Sekunde.

Ophelia stand knapp vor einer der mit Messern bestückten Wände, doch dieses mal schaffte sie es, den Schrei zu unterdrücken und wich schnell einen Schritt zurück.

Ein stechender Schmerz schoss durch ihren rechten Arm, sie fuhr herum.

Etwas feuchtes rann ihre Haut hinunter. Sie berührte den Arm vorsichtig mit ihrem linken Zeigefinger und zuckte zusammen. Die Wunde brannte so heftig wie Feuer auf der bloßen Haut.

Ein lautes Husten ertönte, es klang wie die letzten Atemzüge eines Erstickenden, stehend in Flammen.

Glücklicherweise war es allerdings etwas weiter von Ophelias Ohren entfernt als das Lachen von vorhin, trotzdem war es für ihren Geschmack immer noch zu nah.

Ophelia bevorzugte weiteren Abstand.

Da die Person sich scheinbar aber nicht weiter von ihr entfernte, musste sie sich eben von ihr entfernen.

Rechts und links waren die Wände mit den Klingen überzogen, aber die hintere Wand war vielleicht unbedeckt?

Es war zumindest eine Chance und Ophelia war bereit, jede Chance zu ergreifen, die sich ihr auftat.

Also lief sie langsam durch den Raum, den linken Arm so ausgestreckt, dass sie immer leicht an den Messern entlangstreifte. Das war zwar ziemlich unangenehm, aber so würde sie immerhin nicht versehentlich in die Klingen hineinlaufen.

Es brachte ihr das Gefühl von Kontrolle zumindest in Teilen zurück.

Dann berührten ihre Finger die Ecke – sie war also an der hinteren Wand angekommen. 

Doch ihre Füße stießen gegen etwas weiches, etwas ... war das Stoff?

Stoff, gewickelt um etwas weiches. An einigen Stellen war der Stoff etwas rutschiger, getränkt mit einer Flüssigkeit, die anfing zu trocknen. 

Was war das?

Ophelias ohnehin schon unregelmäßiger Atem stockte, als ihr klar wurde, was sie da versuchte vorsichtig zur Seite zu treten.

Sie hatte sich zwar schon gefragt, was wohl mit den Leichen hier passierte, aber noch nie eine Antwort gefunden.

Anscheinend waren die Leichen ihrer Freunde für die Spielleiterin nur weitere Folterzwecke.

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Wie einige vielleicht wissen plane ich meine Bücher nie wirklich. Das heißt, ich plane die Tode und den Plot, einige Szenen und so etwas eben, aber nie jedes einzelne Kapitel.

Deshalb wollte ich euch fragen: Hättet ihr Wünsche?

Hättet ihr gerne noch ein eher lustiges Kapitel, eins, das euch zum weinen bringt, ein romantisches ...



Werwolf - das BlinzelmädchenWhere stories live. Discover now