Kapitel 22.

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Noctana fuhr mit ihrer Hand den Stein entlang, suchte nach einer ersten Kuhle. Vielleicht würde sie keine finden und müsste die ganze Aktion absagen und ... ihre Finger verkanteten sich in einer Kerbung.

Ihre Atmung ging schneller, als sie nach dem Regenrohr griff. Sie kam nicht dran.

Sie versuchte es ein weiteres Mal, ein drittes Mal, aber sie konnte das Rohr nicht erreichen. Nicht, wenn sie sich nur auf die Zehenspitzen stellte.

Der Nieselregen hatte etwas aufgehört, als Noctana ihren Entschluss fasste – sie musste und sie würde springen.

Springen, sich mit beiden Händen an dem Rohr festklammern und mit dem linken Fuß in der Kerbung landen.

Das schlechte war nur, dass der Aufprall ziemlich hart wäre, wenn sie abrutschen würde – Noctana verbot es sich, den Gedanken bis zum Ende zu denken.

Das war ihre Chance. Ihre einzige Chance.

Also atmete sie ein letztes Mal tief durch ... und sprang. Ihre Hände klatschen an das Regenrohr, ihr Fuß schrammte an der Wand entlang. Der Aufprall auf der Mauer verschlug ihr den Atem.

Klettern war noch nie ihr Ding gewesen.

Hektisch bewegte sie den Fuß über die Mauer, suchte nach der Kuhle ... und fand sie. Erleichtert stütze sie ihren linken Fuß darin ab und umklammerte das Rohr fester.

Noch etwas was ihr fehlte: Die nötige Griffkraft.

Noctana biss die Zähne zusammen und sah nach oben. Das Regenrohr schlängelte sich weiter die Mauer entlang, und an mehreren Stellen schienen die Steine größere Auskerbungen zu haben.

Dann waren da natürlich noch die Fensterrahmen. Direkt über ihr war zum Beispiel einer, aber um den zu erreichen müsste sie höher kommen und wie sollte sie das tun?

Mit dem rechten Fuß fuhr sie über die Wand, fand schließlich eine gute Stelle – nur leider war diese so hoch, dass sie zwar den Fuß dort hinein stellen konnte, aber es ihr nicht möglich war, das Bein zu belasten.

Sie würde wieder springen müssen.

„Eins ...", murmelte Noctana leise, um sich selbst darauf vorzubereiten. „Zwei ..."

Es quietschte, als ihre Hände langsam aber sicher am Regenrohr entlang rutschten.

„Drei!", brüllte sie lauter als beabsichtigt und sprang, ihr rechtes Bein spannte sich an, sie drückte sich nach oben. Spontan ließ löste sie ihre rechte Hand von dem Regenrohr und griff nach dem Fensterbrett.

Das war eine sehr schlechte Entscheidung. Sie hing extrem unsicher an der Wand des Waisenhauses, wenn ihr Fuß abrutschte, würde sie nicht genug Kraft in ihren Armen haben um sich oben zu halten.

Noctana versuchte kontrollierter zu Atmen und ließ das Regenrohr vorsichtig los. Ganz langsam hob sie den Arm und krallte sich geradezu an dem Fensterbrett fest.

Es lagen noch so viele Meter vor ihr.

Stöhnend suchte sie nach dem nächsten Griff. Auch die nächsten Übergänge gelangen ihr, sie schaffte es immer höher.

Fensterbrett und Regenrohr, hin und wieder eine größere Einkerbung. Als sie mehr als die Hälfte der Mauer hinter sich hatte sah Noctana zum ersten Mal wieder die Möglichkeit, dass sie das hier überleben konnte.

Und dann rutschte sie ab.

Sie hatte wieder nach dem Regenrohr greifen wollen und sich dafür mit dem Fuß in der Kuhle abgestützt – leider war diese Kuhle nicht groß genug. Ihr rechter Fuß rutschte heraus, mit dem linken hatte sie gar keinen Halt gefunden.

Noctana schaffte es gerade so mit der linken Hand das Rohr zu erreichen, ihre rechte klammerte sich dicht daneben daran fest.

Ihr Atem ging unregelmäßiger, ihr Herzschlag schneller. Es fing wieder an zu nieseln, der Wind frischte auf, mehrere Tropfen fielen auf das Rohr.

„AAAH!".

Noctana schrie panisch auf. Wer war das denn jetzt?!

„Noctana?!", fragte Wyatt ungläubig. „WAS machst du da?"

„Spezialunterricht.", keuchte Noctana. „Lassen sich die Fenster nach außen öffnen?!"

„Wa-"

„Lassen sie sich nach außen öffnen?!"

„Ja.", antwortete Wyatt und öffnete einen der Fensterflügel. Noctana stellt vorsichtig ihren rechten Fuß darauf.

„Okay. Ich habe Fragen.", sagte Wyatt. Er klang fast schon belustigt.

„Das ist der falsche Augenblick!", keuchte Noctana und suchte mit dem linken Fuß verzweifelt weiter nach einer Einkerbung.

„Warte. Die Spielleiterin zwingt dich hier hochzuklettern?", fragte Wyatt ungläubig.

„Jepp.", murmelte Noctana. „Ich hab eine!" Erleichtert setzte sie ihren linken Fuß ab und guckte nach oben.

Am liebsten hätte sie gelacht.

Das Regenrohr fing an sich regelrecht über die Mauer zu schlängeln. Sie konnte es schaffen!

Sie, Noctana Taylor, konnte das hier überleben!

Oder?

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In den letzten Wochen hatte ich meinen Computer nicht und musste die Sachen auf Papier schreiben. Weil ich allerdings vergessen hatte, wie das letzte Kapitel geendet war, habe ich zwei komplett zufällige Szenen entwickelt - ich muss sagen, mir gefallen beide sehr gut und ich freue mich darauf sie in richtige Kapitel einzubauen und hochzuladen! :-)


Werwolf - das BlinzelmädchenWhere stories live. Discover now