Kapitel II

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Es war still im Raum.
Ich hörte nur noch meinen Puls in den Ohren, wie er durch meine Adern peitschte.
Hatte ich mich verhört?
Hatte er grade wirklich Hochzeit gesagt?
Es war zwar nicht ungewöhnlich, dass Töchter für Geschäfte und Deals mit Partnern oder Feinden zwangsverheiratet wurden, ich selbst war einige Male auf solchen Hochzeiten gewesen, aber ich?

Ich wusste schon immer, dass Ehen aus Liebe keine Option in unserer Welt waren. Daraus machte man hier kein Geheimnis. Bereits in jungen Jahren wurde einem klar gemacht, dass die Familie, naja eher die Geschäfte, an oberster Stelle standen. Man wurd darauf hin erzogen, einen Beitrag zu leisten, ein Vorteil für seine Familie zu sein. All die Jahre hatte ich versucht diesen Teil in den Geschäften zu erbringen, zu zeigen, dass ich genauso viel Wert bin, wie Ivan. Dass ich nicht bloß eine gute Partie für eine Ehe war, sondern ein fähiger und wichtiger Teil in den Geschäften, aber als Tochter bleibt man in den Augen seines Vaters immer eine mögliche Allianz.

Ich erinnerte mich ruckartig an das weiße Brautkleid meiner Cousine. Es war getränkt von ihren Tränen. Ich war damals erst fünf, als sie verheiratet wurde, aber dieser Anblick blieb für immer in meinen Erinnerungen verankert. Es war auch nicht die letzte Braut, die ich weinend, mit Verzweiflung in den Augen, sah.
Die Hochzeit meiner Cousine war aber das erste und letzte Mal, dass ich vor der Vermählung ins Brautzimmer ging.
Mein Vater wollte damals die Wogen zwischen ihm und einem Patron, welcher sich aufgelehnt hatte, glätten. Als ich den Schmerz in ihren Augen sah, wusste ich, dass ich einen anderen Weg gehen musste. Nur leider wusste ich damals noch nicht, dass niemand mich diesen Weg gehen lassen würde. Egal was ich tat, um meinem Schicksal zu entkommen, es fand mich am Ende dennoch und all meine Arbeit war umsonst.

In mir stieg die Wut an.
Meine Hände fingen an zu zittern.
Ich wollte schreien, meinem Vater Sachen an den Kopf werfen und um mein Leben rennen, aber mein Körper reagierte nicht.
Ich stand einfach da, wie erstarrt und sah ins Leere, während meine Wut auf ihn immer weiter anstieg.

Mein Bruder kämpfte sich durch die Menge und zog mich am Ellbogen aus dem Raum.
Wir stießen nach Draußen und die kühle Abendluft wehte mir durch meine braunen Haare.
Erst jetzt bemerkte ich, dass mein Atmen stockweise kam und ich am ganzen Leib zitterte.
Ivan rüttelte an meinen Schulter und holte mich ins hier und jetzt zurück.
Oh, ich wollte nicht hier sein, lieber würde ich mich ganz meinen Gedanken hingeben und mein Leben ausblenden, für immer.
„Nastja hörst du mir überhaupt zu?" Sein Ton war hart und ließ mich erschaudern. „Wusstest du davon?" ich sah meinen Bruder nun aufmerksam an. Meine ganze Konzentration richtete sich auf ihn.

Zwischen uns breitete sich eine erdrückende Stille aus und ich riss meine Hände los, welche er immer noch mit seinen festhielt.
„Was geschäftliches, dass hast du gesagt. Du sagtest, er verkündet etwas geschäftliches! Du hast mich angelogen Ivan, Mich!"
Er hatte wirklich gelogen, mein Bruder hatte mich belogen.
Ivan log mich nie an, klar ließ er oft geschäftliche Details aus oder sprach in Rätzeln, damit ich es verstand, aber er log nicht. Niemals!

Ivan schlug mit seiner Hand auf die Außenwand des Hauses ein. Ich zuckte überrascht zusammen.
„Ich hab nicht gelogen Nastja, es nur nicht direkt ausgesprochen."
War das sein Ernst?
Eine Zwangshochzeit mit etwas geschäftlichen zu benennen, war selbst für ihn ein neues Level der Andeutung.

Ich merkte, wie der Schock langsam von mir wich und sich in Wut umwandelte, doch bevor ich anfangen konnte herum zuschreien, fing Ivan wieder an zu sprechen.
,,Es geht hier nicht nur um dich Nastja, es geht um unsere Familie, unsere Leute, um unsere Geschäfte. Weißt du, was passiert, wenn wir keinen Kompromiss eingehen? Wenn wir so weiter machen, wie bisher? Zwei der mächtigsten Spieler bekriegen sich auf dem Feld und keiner befolgt irgendwelche Regeln. Wir würden uns gegenseitig vernichten und unzählige Unschuldige mit uns ziehen. Versteh doch, es gibt keinen anderen Ausweg, weder für dich noch für mich."
Ivan schnaubte hörbar aus. Ich hatte ihn noch nie so gesehen. Einerseits war er überzeugt von der Sache, aber auf der anderen Seite zeigten seine Augen mir, wie durcheinander er auch war.
Moment mal, sagte er grade für mich?

Ich sah in fragend an „für dich?"
Ivan atmet erneut laut aus und sah mir nun direkt in die Augen.
„Es gibt nicht nur eine Hochzeit zwischen dir und Dante, ich werde Isabella Martinelli heiraten. Vater und Sergio Martinelli sehen einen Austausch als die einzige Möglichkeit für einen sicheren und dauerhaften Frieden an."
Das ist nicht sein ernst?!
Ein Austausch?
Als wären wir eine Polis, welche man für sein Auto abschließt.
Aber weshalb sichern sie sich ab?
Oh verdammt, bitte nicht.

„Ivan was steht in dem Deal?" Er sah in den Himmel und streckte seine Schulterblätter durch. Dann blickte er mir wieder in die Augen.
„Keiner gab bei den Friedensgesprächen nach, weshalb ein Gebiet geschaffen wurde, in dem beide Familien verkehren werden. Da aber keine der anderen Familie über den Weg traut,.mussten Sicherheiten geschaffen werden."
Mehr musste Ivan nicht sagen, denn was darauf folgte, hatte ich bereits gesehen.

Isabella und ich werden als Sicherheit in der anderen Familie fungieren. Der Plan war ziemlich perfide und trug,.wie immer, eine männliche Handschrift. Wie können zwei Familien auf die Idee kommen, ihre Töchter an den Feind zu verheiraten, um sich gegenseitig zu kontrollieren?

Ich stand einfach still am Straßenrand und schaute in die Ferne. Im Augenwinkel entdeckte ich eine schwarz gekleidete Person stehen, welche konzentriert in unsere Richtung schaute.
Na toll, mein Vater hatte bereits Leute abgestellt, um mich zu beobachten. Der Mann merkte nicht mal, dass ich ihn gesehen hatte, Anfänger. Wenn es Vlad gewesen wäre, dann hätte ich ihn nicht mal mit dem Wissen gefunden, dass er da war, doch der hier muss neu sein.

Wobei, ich traute meinem Vater auch zu, dass er aus meiner Überwachung kein Geheimnis machte.
Bestimmt setzte er aufs Einschüchtern, denn er wusste, dass ich diesen Kerl mit Leichtigkeit erkennen würde.
Ganz toll.

„Es ist der einzige Weg, glaub mir Nastja" fügte mein Bruder leise hinzu.
Plötzlich war ich wieder bei ihm und unserem Gespräch. Ich vergrabe die Gedanken an die Überwachung erstmal in den hinteren Teilen meines Verstandes und sah wieder zu Ivan.

Erst jetzt realisierte ich seine Worte, von vor einigen Minuten.
,,бладь...что за...та чё за хё
херня..ааааа"
(Fuck....was für...was für eine scheiße)
Murmelte ich vor mich hin, während ich auf und ab ging.

„Wann?" ich schluckte schwer und schaute meinen Bruder direkt in die Augen. „In einem Monat findet der Tausch statt, Isabella wird nach Moskau gebracht und du fliegst nach Sizilien. Die Familien vertrauen sich so wenig, dass sogar die Hochzeiten zum selben Zeitpunkt geschlossen werden."

Es war offiziell, ein Monat, vier Wochen, dann lag mein Leben in den Händen der Martinellis und in der meiner Familie.
Sollte Isabella etwas in Moskau passieren, würde ihre Familie sich an mir rächen.
Würde meine Familie versuchen in die italienischen Geschäfte einzudringen, würden sie sich an mir rächen.
Würde meine Familie die Martinellis angreifen, würden sie sich an mir rächen.

So oder so, sie würden sich an mir rächen.

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