Kapitel LXIII

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Ich riss meine Augen auf.
"Kann man den nicht mal in Gefangenschaft ausschlafen?" Diese Stimme, seine Stimme! Ruckartig drehte ich meinen Kopf in seine Richtung und da saß er. Mein Freund, immer noch gefesselt an dem Stuhl und immer noch mit einem frechen Grinsen im Gesicht.
"Du lebst!" Meine Erleichterung ließ meine Stimme beben und zu einem Lachen ansteigen.
"Natürlich lebe ich oder denkst du die paar Elektroschocks können mich umhauen." Ich konnte es immer noch nicht fassen.
"Aber dir haben sie wohl zugesetzt, mein Freund." Er musterte mich und konnte meinen verwirrten und zu gleich glücklichen Gesichtsausdruck nicht einordnen.
"Ich..Ich hab..Ist auch egal. Wir müssen hier raus. Meine Brüder und Anastasia sind auf dem Weg."
Gerade als ich diesen Satz aussprach ging die Tür auf und Tai kam rein.
Das alles kam mir ungemein bekannt vor. "Ich hoffe ihr habt euren Schönheitsschlaf genossen." spuckte der kleine Japaner die Worte in unsere Richtung.
"Ja sehr, dass solltest du auch mal versuchen, würde deiner Fresse auch nicht schaden. Ich meine Tai, wirklich. So einen Anblick kann man seinen Mitmenschen doch nicht antun."
Bevor ich überhaupt auf Pablos Worte reagieren konnte stürmte Tai auf ihn zu und stach ihm in den Magen.
Wo hatte er das Messer her? Ich schüttelte meine Verwunderung ab und zog mich an meinen Fesseln hoch, um meine Beine um Tais Hals zu legen. Mit einem Ruck brach ich ihm das Genick und sprang zu Boden. Zügig befreite ich Pablo von seinen Fesseln und drückte ihm die Reste meines T-shirts an die Wunde.
"Wir müssen hier weg und zwar schnell." Ohne auf eine Antwort zu warten nahm ich seinen Arm und legte ihn mir über die Schulter. Ich riss die Tür auf und gemeinsam verließen wir den Raum. Nach einigen Metern im Flur standen wir vor einer Treppe.
Diese Trepp, sie kam mir bekannt vor. Das alles kam mir bekannt vor. "Und wo sollen wir lang?" fragte mich mein Cape, doch ich konnte mich nicht entscheiden. Es gab keinen Punkt an dem ich mich orientieren könnte, keine Fenster, keine Fluchtwege an der Wand, nicht mal die Struktur des Ganges verriet mir, wo wir waren. Wenn wir unter der Erde sind, dann würden wir nur weiter in die Falle laufen, wenn wir runter gehen, aber wenn nicht, dann könnten wir aufs Dach kommen nehmen wir die Treppe nach oben.
"Wo lang, mein Don?" erklang erneut Pablos fragende Stimme. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich. Es war unmöglich eine sichere Entscheidung zu fällen, aber irgendetwas sagte mir, dass wir runter gehen sollten.
"Da lang." Ich nahm wieder Pablos Arm und gemeinsam gingen wir die Stufen runter. Es wurde immer dunkler, da nur noch vereinzelnd Lampen brannten. Als wir die letzte Stufe verließen konnte ich die Lichter von Taschenlampen ausmachen, die auf uns zu liefen. Wo kommen die denn her?
Plötzlich standen meine Brüder, Anastasia und Giovanni vor uns.
Ohne zu zögern rannte Giovanni auf Pablo zu und kümmerte sich um seine Wunde. "Tai hat ihm ein Messer in den Magen gerammt." Informierte ich den Arzt und sah dann wieder zu den anderen. Anastasia kam auf mich zugelaufen und sprang in meine Arme. Ich legte meine Hand in ihren Nacken und führte sie so zu meinen Lippen. Ich legte all meine Gefühle in den Kuss.
"Er wird wieder, das ist nur eine Fleischwunde." Erleichterung überkam mich und ich sah wieder zu meiner Frau, welche aber nicht mehr in meinen Armen war. Auch meine Brüder waren verschwunden. Panisch sah ich mich um, doch keiner war da, ich stand alleine in dem dunklen Raum.
Wo sind sie hin? Was geht hier vor? Gerade als ich nach meiner Frau rufen wollte trat jemand aus der Dunkelheit. Sein Hemd war getränkt von Blut und zu der Wunde im Bauch hatte er noch ein Loch in der Brust.
Seine Haut war blass, wie die eines Geistes und stellte einen starken Kontrast zu dem getrockneten Blut an seinen Mundwinkeln her.
Mit langsamen Schritten kam er auf mich zu und seine Augen sahen mich anklagend an. Ich öffnete meinen Mund, aber kein Ton kam raus. Ich hatte keine Erklärung für ihn, ich hatte keine Entschuldigung für meinen besten Freund, denn nichts was ich sagen könnte würde ungesehen machen was passiert ist. Nichts würde es ändern können. Wieder machte er einige Schritte auf mich zu.
"Wir hätten runter gehen sollen."
Nach diesen Worten verschwand Pablo und ließ mich mit den erdrückenden Schuldgefühlen alleine.

Schweißgebadet schreckte ich aus meinen Traum auf. Mein Herzschlag raste und ich brauchte einige Sekunden, um zu realisieren wo ich war. Mein Zimmer war immer noch von der Farbe der Nacht umhüllt. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und sah zu meinem Wecker, drei Uhr nachts.
Als ich zur anderen Seite des Bettes guckte fand ich Anastasia schlafend neben mir vor. Ohne sie zu wecken stand ich vorsichtig von Bett auf und nahm mir meine Hose und ein Shirt von der Couch, welche ich am Abend dort hingeschmissen hatte. Ich ging ins Badezimmer und wusch mein Gesicht mit kaltem Wasser. Die eisige Temperatur half mir dabei mich von den letzten Einflüssen des Traumes zu lösen. Mit einem noch feuchten Gesicht richtete ich mich wieder auf und sah ihn den Spiegel. Auf meiner Brust klebte immer noch das Pflaster, welches Anastasia mir jeden Abend wechselte. Ich riss es von meiner Haut und warf es in den Mülleimer unter dem Waschbecken. Die Schnittwunde über meinem Tattoo war alles, was ich an Verletzungen davon getragen hatte, äußerlich, denn die schlimmste Wunde war mit dem bloßen Auge nicht zu sehen. Sie lag tiefer, schmerzhafter und würde nicht mit der Zeit heilen. Ich wandte mich wieder vom Spiegel ab, denn ich konnte meinen eigenen Anblick nicht ertragen.

Angezogen verließ ich unser Schlafzimmer und ging durch die Flure zu meinem Büro. Es ist bereits drei Tage her, dass ich den toten Körper meines besten Freundes nach Hause gebracht hatte. Die Wände dieses Gebäudes gaben immer noch die Schreie wieder, welche aus Lauras Seele kamen, als sie den leblosen Körper ihres Bruders sah. Immer und immer wieder schrie sie, doch das betäubte ihren Schmerz nicht. Nichts könnte das. Ich öffnete die Tür zu meinem Büro und stellte mich vor die bodenlangen Fenster und sah ins leere.
Auf meinem Schreibtisch stapelten sich die Akten und auch auf dem Besprechungstisch lagen unzählige Papiere herum, doch ich konnte mich nicht mit den Geschäften befassen. Meine ganze Aufmerksamkeit lang drauf, Pablos Mörder zu fassen, und das waren drei.

Bei dem Angriff haben Luca und die anderen fast alle Yakuza vor Ort umgebracht, nur einer war noch am Leben. Der Mafiaboss hatte es irgendwie geschafft zu fliehen und ist nun untergetaucht. Doch egal vor er sich versteckt, ich werde ihn finden und dafür bezahlen lassen.

Hiroto Nakamura, Mörder Nummer eins!

Als nächstens werde ich die Ratte finden, die uns an die Yakuza verkauft hat. Es war unmöglich, dass die Shushi-Fresser von dem Deal mit den Chinesen wussten, es sei den jemand hat es ihnen gesteckt. Es war auch kein Zufall, dass wir auf dem Weg zur Lagerhalle abgefangen wurden und der Deal mit der Triade damit auf Eis gelegt wurde. Dieser Jemand ist in unseren Reihen und diesen Jemand werde ich finden.

Die Ratte, Mörder Nummer zwei!

Und zu guter Letzt bleibt dann nur noch einer übrig. Der Mann, der das Vertrauen meines Capes nicht verdient hatte. Der Mann, der mit seinen Entscheidungen das Leben meines besten Freundes auf dem Gewissen hatte und der Mann, denn ich am meisten verabscheue.

Ich, Mörder Nummer drei!

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