Kapitel XLVIII

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Dantes Gesicht wechselte von wütend zu fassungslos.
"Wie meinst du das? Du kennst ihn?"
Ich ging zu dem Sofa herüber, auf welchem gerade noch Pablo gesessen hatte und ließ mich auf einen der Sessel fallen. Ich schätze dieses Gespräch wird doch länger dauern, als gedacht.
"Nein ich kenne ihn nicht, kannte ihn nicht", korrigierte ich mich zum Ende hin. Der verwirrte Gesichtsausdruck auf Dantes Gesicht verstärkte sich noch weiter.
"Mach mich nicht noch wütender, als ich bereits bin. Der einzige Grund, warum ich noch niemanden zusammen geschlagen habe, liegt darin, dass ich noch nicht weiß wen, also sprich endlich." Seine Stimme wankte zwischen bedrohlich ruhig und rasend vor Wut. Sollte ich ihm alles erzählen?
Aber dann müsste ich von vorne anfangen und ihm auch von dem Tod meiner Mutter erzählen. Ich hatte sowieso keine andere Wahl, einen Teil hatte ich sowieso bereits offenbart. Außerdem brauchte ich Pablo, um herauszufinden, was wirklich passiert war und wieso der Mann jetzt tot war.
"Als ich im Café mit Isabella war, hat mir irgendjemand einen Zettel zugesteckt auf dem stand, dass ich um 22 Uhr an dem Boot sein soll, welches wir gestern ausgeliehen hatten, wenn ich die Wahrheit über den Tod meiner Mutter erfahren möchte."
Dante lauschte aufmerksam meinen Worten und ballte dann seine Hände zu Fäusten. "Und anstatt mir davon zu erzählen, bist du alleine dort hingegangen. Ist dir nicht einmal der Gedanke gekommen, dass das eine Falle von meinen oder deinen Feinden sein könnte?" Er wurde wieder lauter.
"Was für Feinde Dante, ich hab keine!"
"Ja du nicht, ABER ICH! Und dein Vater auch!"
Nein ich gebe es auf.
Mit ihm konnte man nicht reden. Er schreit einfach nach jedem zweiten Wort herum.
"Schrei mich nicht an! Ich bin kein Kind mehr, dass du mich zurecht weist. Wenn du mir nicht zuhören willst. Okay, dann rede ich nicht mehr weiter", bockig verschränkte ich meine Arme vor der Brust. Was denkt er sich dabei mich so zusammen zu falten?!
Pablo reichte Dante ein Glas mit Whisky, welches er mit einem Zug leerte.
"Zeig mir den Zettel." Er streckte seine Hand aus. Ich verdrehte die Augen und stand vom Sofa auf, um in unser Zimmer zu laufen, wo meine Handtasche und der Zettel waren.
"Und verdreh nicht die Augen!", schrie er mir noch hinterher, als ich bereits auf der Treppe war.
Ich schnappte mir schnell meine Tasche und lief wieder herunter. Innerlich betete ich, dass wir bald vom gegenseitigen anschreien, zum Aufdecken der Hintergründe kommen würden.
Wenn das so weiter ging, werden wir noch nächstes Jahr hier sitzen.

Im Wohnzimmer angekommen stellte ich meine Tasche auf dem Couchtisch ab, holte den Zettel aus meinem Portemonnaie und reichte ihn Dante. Dieser las ihn immer und immer leise durch, bevor er den Zettel weiter an Pablo reichte.
Dantes Augenbrauen zogen sich zusammen. "Was für eine Wahrheit? Deine Mutter starb bei einem Autounfall."
Ich setzte mich wieder auf meinen Platz und atmete tief durch. Jetzt kommt der schwierige Part.
"Das ist die offizielle Version der Gesichte. Mein Vater hat allen erzählt, dass sie bei einem Autounfall starb, nur Ivan mein Onkel und ich kennen die Wahrheit und mein Vater natürlich."
Dante kam nun zu mir herüber und setzte sich neben mich. Das war wohl ein Zeichen dafür, dass ich weiter erzählen sollte.
"Meine Mutter wurde von ihren Entführern erschossen." Meine Stimme zitterte und ich musste mich zusammen reißen, damit sie nicht brach. Diese Information sollte erstmal reichen. Die Tatsache, dass ich auch entführt wurde, war im Augenblick nicht von Bedeutung und hoffentlich wird es das auch nie sein.
Dante sah weiterhin interessiert zu mir, als wartete er auf noch mehr Informationen, die werde ich ihm aber nicht gab.
Als auch ihm bewusst wurde, dass ich fertig war, fing er an zu sprechen.
"Vielleicht will er dir genau das sagen. Das deine Mutter entführt wurde und nicht bei einem Autounfall starb." Ich schüttelte den Kopf. Das macht keinen Sinn, wenn der Mann wusste, das die Version meines Vaters über den Unfall gelogen war, dann wusste er auch, dass ich bei der Entführung dabei gewesen bin.
Wieso sollte er mir etwas mitteile, das ich bereits wusste? Nein hier steckte etwas anderes dahinter, nur was?
"Wieso nicht, scheint mir sehr logisch. Der Mann hat herausgefunden, dass dein Vater eine Gesichte erfunden hat und wusste nicht, dass du die wahre kennst. Ich wette als nächstes hätte er Geld für seine Information verlangt."
Ganz toll, wie bekomm ich ihn jetzt von dieser Version weg, ohne zu viel zu erzählen. In meinem Kopf kreisten verschiede Ausreden, aber keine gefiel mir. Ich entschied mich dazu, einfach ein paar Zweifel zu streuen, möglicherweise reicht das aus, um ihn wieder zurück zuführen.
"Und wer hat ihn dann erschossen? Und wieso? Das macht doch keinen Sinn! Nein er musste vor gehabt haben, etwas anderes zu sagen, als das."
Dante dachte kurz nach und drehte sich dann zu Pablo um. "Finde heraus, wer dieser Mann war und was er wollte. Ich will alles über ihn wissen, woher er kommt, für wen er arbeitet, einfach alles!" Pablo nickte und wollte gerade den Raum verlassen als Dante ihn erneut aufhielt. "Er hat das Boot erwähnt, also hat er uns beobachtet. Sieh dir die Kameraüberwachung der letzten Tage an." Mit einem nicken ging Pablo dann endgültig aus dem Zimmer und Dante setzte sich neben mich auf einen der Sessel.

Das Boot! Wieso ist mir das selbst nicht aufgefallen? Ich war so in Gedanken bezüglich meiner Mutter und ihrem Tod, dass ich alle anderen Details überlesen hatte.
Ich schloss meine Augen und ließ alles nochmal Revue passieren und achte dabei auf jedes Details. Im Café hatte ich mich aufmerksam umgesehen und niemanden verdächtigen ausmachen können. Auf dem Weg zurück zum Haus, fühlte ich mich beobachtet, aber auch hier konnte ich niemanden erkennen. Danach war Dante den ganzen Tag bei mir und ich achtete nicht mehr auf meine Umgebung.
Am nächsten Tag war ich die ganze Zeit am Strand, aber der gehört zum Haus, er war also privat. Ich schätze, dass die Wachen die Gegend um unser Grundstück kontrollierten, also wird es dort auch keine Auffälligkeiten geben haben.
Ich legte meinen Kopf zwischen meine Hände und stütze mich mit den Ellenbogen auf dem Tisch ab.
Am Hafen konnte ich auch nichts wahrnehmen.
Es war so dunkel und leer, aber jemand war da und dieser Jemand hatte geschossen.
"Was ist mit dem Hochhaus? Habt ihr es überprüft?"
Dante musste auch erst aus seinen Gedanken erwacht sein, denn sein leerer Gesichtsausdruck wechselte augenblicklich, nach meinen Worten, zu einem nachdenklichen.
"Ja, meine Männer suchen alles im Umkreis von zweihundert Metern ab, auch das Hochhaus. Pablo vermutet, dass von dort geschossen wurde. Aber genaueres wissen wir erst, wenn sie fertig sind." Seine Stimme war nun viel ruhiger, als noch vor Minuten.
Dante sah zur Uhr und stand dann auf.
"Lass uns schlafen gehen, das wichtigste haben wir besprochen, um den Rest kümmern wir uns morgen."
Ich nickte und folgte ihm ins Zimmer, glaubte aber nicht, dass ich jetzt wieder einschlafen könnte. Mein ganzer Rhythmus war jetzt durcheinander.
"Wenn du nichts dagegen hast, würde ich noch schnell duschen gehen."

"Natürlich, geh ruhig."
Ich nahm mein Nachthemd aus dem Schrank und öffnete die Badezimmertür, als Dantes Stimme mich aufhielt.
"Ach und wir fliegen bereits morgen zurück. Es ist zu gefährlich hier zu bleiben, solange ich nicht weiß, was vorgegangen ist und wer den Mann erschossen hat."
Wieder nickte ich bloß. Unter dem Wasserstrahl ließ ich meinen Gedanken freien lauf. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, welche Wahrheit dieser Mann mit ins Grab genommen hatte. Vielleicht sollte ich Ivan fragen, ob er sich vorstellen könnte, um welches Geheimnis es ging.
Ich war dort, ich war dabei, was für eine Sache war mir entgangen?
Wir brauchten mehr Informationen, um dieses Durcheinander zu ordnen. Ich brauchte mehr Information.
Pablo und Dante würde ich erstmal im Dunkeln lassen und ihnen nur so viel erzählen, wie nötig.

Frisch geduscht zog ich mir ein Nachthemd an und ging zum Bett rüber, in welchem Dante bereits lag. Er hatte die Augen geschlossen und schlief anscheinend schon. Ich kuschelte mich in mein Kissen und schloss auch die Augen.
Wie erwartet konnte ich nicht einschlafen.
Einerseits, weil ich erst vor kurzen aufgewacht war und anderseits, weil ich nicht aufhören konnte an die geheime Information zu denken.
Dantes Arm legte sich um meine Hüften und zog mich an seine Brust. Er vergrub sein Gesicht in meiner Halsbeuge und küsste die Stelle hinter meinem Ohr.
"Gute Nacht." Nach diesen Worten wurde sein Atmen gleichmäßiger und er muss eingeschlafen sein.
Ich hingegen blieb wach neben ihm liegen und zerbrach mir den Kopf über alle möglichen Varianten. Ich hoffte nur, dass Dantes Männer etwas finden, das uns weiterbringen wird.

So ging die Nacht an mir vorbei und um sechs Uhr morgens befreite ich mich aus Dantes Griff und zog mich leise an.
Ich brauchte jetzt etwas frische Luft.
Auf der Terrasse beobachtete ich den Sonnenaufgang, bis ich neben mir eine Präsenz spürte. Ich wollte schon aufschreien, als sich Dante neben mich, auf die Stufen zum Strand, setzte.
"Wieso bist du schon wach, Amore?" Ich hätte nie gedacht, dass ich dieses Wort jemals vermissen könnte, doch es ist das erste Mal, seit seiner Abfahrt, dass er mich Amore nennt.
Ich musste leicht grinsen und legte meinen Kopf auf seiner Schulter nieder.
"Ich konnte nicht mehr schlafen", log ich, denn eigentlich hatte ich kein Auge zugemacht.
In dieser Position blieben wir noch längere Zeit sitzen, bevor Dante aufstand und mich mit sich zog.

"Was machst du? Daaaante?", versuchte ich ihn aufzuhalten, aber vergebens.
Er war einfach zu stark und zog mich hinter sich her. Was hatte er vor und wieso benutz der Mann seinen Mund nicht?
Immer handelte er, anstatt zu sprechen.
"Rede mit mir! Was haaast....". Weiter kam ich nicht, denn Dante warf mich über seine Schulter und ging weiter in Richtung Meer. Ein schlechtes Gefühl überkam mich, er wird doch nicht etwa?
"Wir können diesen Ort nicht verlassen, ohne wenigstens einmal im Meer gewesen zu sein." Dante befand sich bereits bis zu den Knien im Wasser.
"Du! Du wars nicht ihm Meer, ich war gestern als lass mich los!"

Hätte ich gewusst, was er als nächstes vor hatte, hätte ich diese Worte niemals gesagt. Aber es war zu spät. Zum ersten Mal folgte Dante meiner Bitte und ließ mich los.
"AHHH!"


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