Kapitel XCVI

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Eine Woche war seit unserem nächtlichem Gespräch und dem Termin beim Arzt vergangen. Seit dem hatte Dante das Thema Geheimnisse nicht wieder angesprochen, aber ich wusste, dass er jeden Tag darauf wartete, dass ich mich ihm endlich anvertraute.

Aber ich schwieg weiter und hoffte immer noch, dass sich dieses Problem einfach in Luft auflösen würde.
Hinzu kommt, dass wir heute nach Moskau fliegen und auf mich, wenn wir wieder da sind, der Hypnosetermin beim Arzt wartet. Nichts lief gerade so wie ich es wollte. Es war als würde ich auf heißen Kohlen laufen, ein falscher Schritt und ich verbrenne mich.
Wenigstens hat sich unsere Beziehung wieder normalisiert. Auch, wenn es eine gewisse Anspannung gibt, sind wir fast wieder zum normal Zustand zurückgekehrt. In den letzten sieben Tagen haben wir viel Zeit zusammen verbracht. Dante hielt sein Versprechen und wir hatten das verschobene Essen nachgeholt.
Der Abend war einfach nur perfekt gewesen. Nach einem ausgefallenem italienischem Essen machten wir einen nächtlichen Spaziergang an der Promenade. Das Meer warf seine Wellen an den Strand und der Himmel wurde von abertausenden Sternen erhellt. Wir zogen die Schuhe aus und genossen den kühlen Sand unter unseren Füßen. Die Erinnerung an diesen Tag zauberte ein Lächeln auf meine Lippen, während ich genervt die letzten Sachen in meinen Koffer packte.

Dante hatte mir versprochen, dass unser Ausflug höchstens zwei Tage dauern wird, aber diese 48 Stunden werden sich wie Jahre anfühlen.
"Amore bist du bereit? Wir müssen zum Flughafen." Ich hörte, wie er die Treppe zum ersten Stock hochkam. Natürlich treibt er mich an fertig zu werden, er hat seinen Koffer ja auch mir überlassen und ich habe sie so langsam ich konnte gepackt. Jede Sekunde, welche ich herauszögern konnte war ein Gewinn für mich. Die Fahrt zur Hölle wird so oder so noch früh genug los gehen.
"Ja bin ich." Schrie ich ihm zurück, auch wenn er gerade durch die Zimmertür kam.
"Gut, dann lass uns los." Dante nahm beide Koffer.
"Muss es denn wirklich sein? Ich könnte hier auf dich warten. Glaub mir Russland vermisst mich nicht." Startete ich den letzten Versuch ihn zu überreden. Er hingegen schüttelte nur den Kopf und trug die Koffer raus, zum Auto.
Mit schlechter Laune auf dem Gesicht folgte ich ihm. Unten wartete die ganze Familie bereits auf uns.

"Oh, Liebes." Valeria griff nach einer Tasche und streckte sie mir entgegen. "Könntest du diese Sachen Isabella geben. Dort sind Fotoalben und einige Andenken, für den Fall, dass sie und und Italien vermisst." Valerias Stimme war zwar klar und stark, aber in ihren Augen konnte ich sehen, wie sehr sie ihre Tochter vermisste. "Natürlich, ich gebe alles ab." Mit einem lächeln dankte sie mir und ging dann zu ihren Sohn, um sich von ihm zu verabschieden.
Sergio musterte mich einige Sekunde bevor er seine Hand auf meine Schulter legte. "Ich schicke zwei meiner Männer mit euch, die werden sich um eure Sicherheit kümmern, mach dir keine Sorgen." Er muss meine Anspannung falsch gedeutet haben, denn ich sorgte mich nicht um mein Körperliches Wohlergehen, sondern um mein geistiges. "Danke." Mehr brachte ich nicht über die Lippen. Ich sah zu meinem Mann rüber, welcher sich immer noch mit Valeria und Lorenzo unterhielt.

"Pass in deinem kalten Land auf unseren Heißblüter auf. Er wird dort erfrieren ohne deine Liebe." Marco legte seinen Arm über meine Schulter und zog mich brüderlich an sich.
"Lass sie in ruhe Marco." Luca und Chiara kamen zu uns und er befreite mich aus Marcos Fänge.
"Ich sag nur die Wahrheit. Dante hasst kalte Länder." klärte Marco mich auf, aber ich schenkte ihm nur einen Teil meiner Aufmerksamkeit. Der andere lang immer noch auf meinem Mann.
"In Moskau ist es gerade genauso warm wie hier du Idiot." konterte Riccardo, welcher sich mit Leonardo zu uns gesellte.
"Wirklich? Aber wie überleben die Eisbären bei der Hitze?" fragte Leonardo nun mit aufgerissenen Augen.
"Gott Leonardo, Russland hat mehr als nur eine Klimazone. Die Eisbären leben in der Tundra, dort ist es kalt genug. Kannst du wenigstens einmal im Leben die Doko, welche du anfängst, auch zu ende gucken?" tadelte Riccardo seinen Bruder, welcher bloß mit den Schulter zuckte.
"Okay, es reicht ihr beiden." Chiara kam zu mir und zog mich in eine feste Umarmung. "Seid vorsichtig. Ich weiß, dass es deine Heimat ist, aber ich hab angst, dass es wieder passiert, also bitte passt auf." Flüsterte sie mir leise ins Ohr, während ihr Griff fester um mich wurde. Ich wusste wovon sie sprach. Ich konnte diese Furcht in den Augen eines jeden Familienmitgliedes sehen und um ehrlich zu sein, spürte ich sie auch tief in mir. Die Angst, dass sich Dantes Entführung wiederholen könnte.
Chiara löste sich von mir und ging zu Dante, um ihn ebenfalls zu umarmen.
"Komm ich bring dich raus" Luca umfasste meine Schulter und führte mich zur Tür. Die anderen blieben bei Dante stehen und verabschiedeten sich, sodass ein gewisser Abstand zwischen uns entstand. Als Luca zufrieden mit der Entfernung war, blieb er stehen und sah mich eindringlich an. "Ich weiß aus Erfahrung, dass sich der eigene Zustand nach einem traumatischen Erlebnis je nach Umgebung verändern kann." Er machte eine kurze Pause und ich dachte bereits, dass das alles war, was er mir sagen wollte doch er setzte wieder an.
"Die erste Zeit hier hattest du bei jedem Auslöser eine Panikattacke, weil die Umgebung neu war und du dich daran gewöhnen musstet. Ich weiß, dass du jetzt in eine bekannte Umgebung fahren wirst, aber wir wissen beide, dass das nicht mehr dein Zuhause ist." Luca hatte recht. Russland war und wird immer meine Heimat sein, aber das Haus meines Vaters war es schon lange nicht mehr.
Meine Attacken hatten nach einer Zeit hier aufgehört, doch ich bin mir nicht sicher, ob es daran lag, dass ich Palermo zu meinem Zuhause gemacht habe, oder daran, dass mich hier nicht so viele Auslöser quälen.
Vielleicht war es auch Dantes Nähe. Seit dem Moment, als ich ihn als meinen Mann akzeptiert habe, war ich wie frei.
"Lass dich von den Umständen nicht beherrschen und wenn dich die Panik überkommt, dann atme einmal tief durch, schließ deine Augen und stell dir vor, dass du hier bist."
Ich nickte ihm lächeln zu und ließ mich in den Arm nehmen.
"Du kannst mich jeder Zeit anrufen."

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