Kapitel X

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Wieder in meinem Zimmer suchte ich mein Handy. Das Frühstück verlief nach meiner Stichelei gegen Amelia ruhig. Dante hatte nicht ein Wort mit mir gewechselt, was ja aber keine Seltenheit war.
Endlich mein Handy in der Hand überlegte ich, ob ich Ivan anrufen sollte. Ich vermisste ihn, aber wenn ich jetzt seine Stimme hören würde, könnte ich die Tränen bestimmt nicht zurückhalten.
Ich entschied mich dagegen und entspannte einfach auf dem Balkon.

Nach einer Zeit klopfte es an der Tür.
"Herein." Ich war grade nicht in der Stimmung aufzustehen.
Eine Gestalt erschien am Türrahmen des Balkons. Im Augenwinkel konnte ich erkennen, dass es Chiara war.
"Darf ich mich zu dir setzten?"
Ich nickte und zeigte auf den Stuhl mir gegenüber.
"Was machst du hier?" fragte sie lächelnd. Gute Frage. Ich saß hier und beschäftigte meine Gedanken, um nicht an meinen Traum zu denken.
Seit acht Jahren trag ich jetzt diese Last mit mir rum. Die Ärzte konnten die Blutergüsse und Schnittwunden heilen, aber niemand hat die eigentliche Verletzung behandelt.
Ivan hatte sich große Mühe gegeben mir zu helfen. Aber auch er konnte es nicht verstehen.
Trotzdem war er sofort da, wenn ich einen Anfall oder einen Traum hatte. Wie soll ich das hier nur ohne Ivan überstehen. Und noch wichtiger, wie soll ich das geheimhalten.
Luca weiß oder ahnt bereits etwas, hoffen wir mal er hält sich an sein Versprechen.
"Ich weiß, dass du nicht hier sein möchtest und diese Situation mehr als nur fremd ist, aber wir sind keine schlechten Menschen." Chiara lächelte mich freundlich an, aber es erreichte nicht ihre Augen.
"Du vermisst sie oder?", fragte ich nach einer längeren Pause. Sie sah mich ertappt an und blickte dann zu Boden. "Ja jeden Tag. Sie ist meine beste Freundin und jetzt bin ich alleine." Sie spielte mit ihren Fingern und sah immer noch runter.
"Du bist nicht alleine, du hast deine Eltern, deine Brüder.." Ich verstummte als sie mir in die Augen blickte und ich ihren Schmerz sah.
" meine Mutter stürzt sich seit Tagen in eure Hochzeitsvorbereitung und meine Vater verschwindet jede freie Minute mit den Jungs zu irgendwelchen Missionen. Ich bin alleine." Ich erkannte dieses Gefühl, wenn man von allem ausgeschlossen wird. Deshalb ging ich nicht weiter darauf ein, denn egal was ich sagen würde, es würde nicht helfen.
"Vielleicht möchtest du dann mir helfen?". Sie sah mich verwirrt an, aber in einer Sekunde wechselte ihr Ausdruck zu einem ehrlichen Lächeln und sie nickte eifrig.
"Wie du bestimmt weiß kenne ich eure Familie nicht und weiß nicht wie man sich zu verhalten hat, möchtest du es mir beibringen?"

"Jaaaa!" Dabei klatschte sie freudig in die Hände und setzte sich im Schneidersitz mir gegenüber hin.
"Okay, also unsere Mafia unterscheidet sich nicht sehr von den Anderen in Europa. Wir haben einen Don, mein Vater, welcher der Boss ist. Danach kommt sein Cape der Stellvertreter und seine rechte Hand. Das ist mein Onkel Angelo. Ihn wirst du heute Abend kennenlernen. Er und seine Frau Marcella haben vier Söhne und eine Tochter."
Man die Familien hier haben wirklich viele Kinder. Ich meine Ivan und ich sind zu zweit.
"Dante wird der neue Don nach meinem Vater und Pablo sein Cape."
"Wer ist Pablo?" Es ist keiner seiner Bruder, vielleicht ein Cousin.
"Pablo ist Dantes bester Freund, die beiden kennen sich bereits seit der Kindheit. Er vertraut ihm blind. Das muss er auch, wenn er ihn als Cape hat." Sie überlegte kurz, wahrscheinlich um ihren Faden wieder zu finden.
"Marco ist 25, ihn hast du beim Abendessen ja schon kennengelernt. Die Zwillinge Riccardo und Leonadro sind 22. Sie sind sehen sich zwar ähnlich sind aber wie Tag und Nacht." Sie stoppte kurz. "Und manchmal sind sie wie eine Person, es ist schwer zu erklären, aber du merkst bald was ich meine. Danach kommt Luca. Er ist 27 und Dantes andere Stütze. Er ist der beste in seinem Bereich weshalb er auch den Wolf trägt."
Ich stoppte ihren Redeschwall "den Wolf?" Bevor sie antworten konnte erinnerte ich mich an seine Hand, welche er beim Abendessen auf den Tisch neben mich gelegt hatte.
Auf seinem Handrücken war der Kopf eines Wolfes abgebildet. Die schwarze Tinte verlieh dem Tier eine gefährliche Aura.

"Das Tattoo auf seiner Hand." Flüsterte ich eher zu mir als zu Chiara. Sie nickte und fuhr dann fort.

"Als nächstes kommt Dante und der Älteste ist Lorenzo mit seinen 33 Jahren. Er ist der Stille der Familie. Mama sagt immer, dass er seit Dantes 10. Lebensjahr wusste, dass er der geborene Don ist und deshalb niemals der Platz einnehmen wollte. Aber wenn ich ehrlich bin glaub ich, dass er froh ist nicht Don zu werden."

"Mhm, welches Tattoo hat Lorenzo?", fragte ich nach kurzer Überlegung. Wenn ich ihre Worte richtig gedeutet habe, dann ist sie stolz darauf, dass Luca einen Wolf hat. Als hätte er sich den verdient. Viele Mafiafamilien besitzt unikate Traditionen, welche sie von den anderen unterscheiden. Bei uns ist es die Namengebung, bei den Martinellis vielleicht das Verleihen von Tattoos.
"Woher weißt du das?" Fragte sie nun misstrauisch. Ich zuckte nur mit den Achseln, sie sollten lieber noch nicht wissen, dass ich auf Details achte. Je unvorsichtiger sie sich in meiner Gegenwart geben, desto besser kann ich sie einschätzen.
"Ist auch egal, Lorenzo hat eine Eule auf dem Handrücken."
Damit hab ich nicht gerechnet. Ich meine Luca hat einen gefährlichen Wolf, dessen Zähne gut zu sehen sind und Lorenzo eine Eule. Irgendwie ist das seltsam.
"Du sagtest dass Luca das Tattoo hat weil er der Beste ist. Wer entscheidet das?" Mal gucken ob ich so mehr über diese Sache herausfinden.

"Mein Vater. Wenn die Jungs 18 sind und ihren ersten eigenen Job erledigt haben wählt er das Tier, je nachdem wie du dich gezeigt hast."
Ja damit kann ich was anfangen. Es ist also ein Eintrittsritual.
Bei uns existiert so etwas nicht. Unsere Stellung wird gleich nach der Geburt festgelegt. Das einzige was wir bekommen ist unser Beiname. Die Namensgebung ist dann schätze ich unser Ritual.

Chiara sah auf ihr Handy welches piepste.
"Wir sollen runter, die Kleider sind da." Sie packte ihr Handy weg und sprang freudig vom Stuhl.
Mit einem nicken stand ich auf und folgte ihr.

Der Raum den wir betraten war vollgestopft mit weißem Tüll. Na toll, das wird ein langer Tag.

Ace of HeartsWhere stories live. Discover now