Kapitel L

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Der Tisch war wie immer reichlich gedeckt. Ich nahm meine Tasse Kaffee und füllte etwas Milch hinzu.
"Ich hab Ivan angerufen und ihm gesagt, dass wir heute zurück fliegen und er Isabella auch zurück nach Moskau bringen soll." Ich verschluckte mich an meinem Kaffee und musste husten. Verdammt Ivan. In all der Panik hatte ich ganz vergessen ihn anzurufen. Ich nickte bloß und griff dann nach einem Brötchen. Danach verließ das Essen im Stillen. Ich hatte viel zum Nachdenken und Dante ging es wahrscheinlich ähnlich.

Nachdem wir fertig waren ging Dante nochmal in sein Büro um alle Unterlagen, welche er hier bearbeitet hatte, einzupacken. Ich nutze die Gelegenheit und rief Ivan an.

"Ivan?" Ich spürte Dantes Blick auf mir.
"Anastasia, verdammte scheiße wieso erfahre ich erst jetzt von deinem nächtlichem Ausflug. Du hättest mich sofort anrufen soll. Was denkst du dir dabei einfach abzuhauen und dann auch noch zu einem Mann den du nicht kennst, твою мать" (Deine Mutter/Verdammte Scheiße)
"Ist ja gut beruhig dich, mir ist nichts passiert." versuchte ich ihn zu beruhigen, aber vergebens.
"Ich soll mich beruhigen? Hätte dein Mann mich nicht angerufen, dann wüsste ich immer noch nichts davon. Ich hatte fast einen Herzinfarkt bekommen wegen dir. Черт бы побрал тебя (Soll der Teufel dich holen) für so eine Aktion."
Er hat das Stadium der Schimpfwörter erreicht, das heißt, dass ich ihn nicht mehr von meinen guten Absichten überzeugen kann und es einfach über mich ergehen lassen muss.
"Du kalkulierst doch sonst alles bis ins kleinste, wieso diesmal nicht? Rennst einfach los Словно сорвавшись с цепи (Wie von der Kette gerissen/schnell ohne nachzudenken)
"Ivan worüber habt ihr mit Dante gesprochen?" Innerlich betete ich, dass sie nicht über unsere Mutter gesprochen haben und er Dante nichts genaues über ihren Tod erzählt hat. Ich war zwar einverstanden mit ihm zu sprechen, aber hab mich immer noch nicht entschieden wie viel ich preisgeben möchte. Das wichtigste ist erstmal zu klären wo wir stehen und wohin das alles führen soll und dann sehe ich weiter, hoffentlich hab ich mich bis dahin entschieden.
"Was meinst du? Über dich natürlich. Worüber sollen wir sonst sprechen, не нормальная" (Unnormale)
"Verdammt Ivan, ich meine Mama, habt ihr über ihren Tod gesprochen?"
Es wurde Stille am anderen Hörer. "Ivan? Habt ihr?"
"Nein Anastasia, haben wir nicht. Wie hängt Mamas Tod damit zusammen?" Knapp faste ich die Gesichte für Ivan zusammen.
"Aber er weiß nicht das ich bei der Entführung dabei war und ich weiß auch noch nicht ob ich es ihm erzähle." Ivan hatte mir aufmerksam zugehört und mich nicht einmal unterbrochen, was sehr untypisch für ihn war.
"Nastja, das Thema ist zu! Hörst du mich. Es gibt keine Geheimnisse. Die Mörder haben bezahlt und fertig, also lass dich nicht wieder in eine Falle locken."
Aber wenn das stimmt, was sollte der Zettel denn dann? Wenn das eine Falle war wieso hat man dann nicht auf mich geschossen, sondern auf den Mann mit dem Geheimnis. Nein hier stimmt etwas nicht und ich werde erst aufgeben, wenn ich weiß was wirklich dahin steckt.
"Gut, ich muss jetzt auflegen. Wir reden später." Mit diesen Worten verabschiedete ich mich von meinem Bruder und legte auf. Passend auf die Sekunde, denn Dante kam gerade aus seinem Büro.
"Bist du bereit Amore?" Ich nahm seine Hand, die er mir hin hielt und gemeinsam gingen wir aus dem Haus.

Unsere Koffer waren schon verstaut und auch sonst waren wir bereit für die Abfahrt. Die Fahrt über war es still. Zwischen Dante und mir stand das unausgesprochene Gespräch, welches wir uns für später aufgehoben hatten. Bei dem Gedanken dran war ich zur selben Zeit nervös und erleichtert. Dieses ständige Hin und her, nicht zu wissen wo man steht, zerrte an mir. Es war als würden ich und Dante an einem Strang ziehen, aber nicht in die gleiche Richtung so wie es sein sollte, sondern entgegen gesetzt. Die letzten Tage sind das beste Beispiel.
Wir kamen am Flughafen an und setzte uns sofort in den Jet. Anders als sonst wählte ich diesmal nicht den abgelegensten Platz im Flugzeug, sondern setzte mich in die Sofaecke auf der rechten Seite. Dante folgte mir und nahm dann neben mir Platz.
Nach einigen Minuten in der Luft fühlte sich mein Kopf schwer an und ich legten ihn auf seiner Schulter ab. Die Müdigkeit überkam mich und ich schloss meine Augen.

Als ich sie wieder öffnete befand ich mich in einem Wagen. Die setzte mich aufrechte hin und blickte mich um. Ich war alleine im Auto. Wir befanden uns am Flughafen, aber wie es scheint waren wir bereits in Palermo.
Dante stand zwei Meter vom Wagen entfernt und sprach mit Pablo. Mein Blick flog nochmal über das Innere im Wagen und ich stellte fest, dass man mich auf den Beifahrersitz gesetzt hatte.
Die Fahrertür ging auf und Dante setzte sich hinter das Steuer. "Du bist wach, das ist gut. Wir fahren jetzt nach Hause und informieren dort meinen Vater und die Jungs. Ich hab sie zwar schon gestern Nacht angerufen, aber da haben mir deine Informationen noch gefehlt." Als Antwort nickte ich zustimmend. Anscheinend wird unser Gespräch noch etwas warten müssen.
Wir fuhren den, mir bereits bekannten, Weg zum Haus der Martinellis. Als wir aussteigen kam uns bereits Chiara entgegen gelaufen und nahm mich in den Arm.
"Ihr seid wieder da. Endlich." Chiara erdrückte mich halb in ihrer Umarmung. "Ich freu mich auch dich zu sehen." Dante tauchte neben uns auf. "Ist ja gut, es wäre nett wenn du meine Frau nicht erdrücken würdest." Sein Ton war mehr belustigt als wütend, was mich verblüffen lies.
"Jaja ist ja gut." Chiara ließ mich los und gemeinsam gingen wir in Haus.

"Kinder, da seid ihr ja. Wir haben schon auf euch gewartet. Wie waren die Tage auf Capri? Konntet ihr euch schön entspannen." Valeria kam aus dem Wohnzimmer und nahm Dante und mich ebenfalls in den Arm.
"Ja Mama, es waren schön entspannte Tage." Ich verdrehte die Augen, weil ich wusste, dass seine Ironie an mich gerichtet war.
Zum Glück hatte er das nicht bemerkt und sah weiterhin zu seiner Mutter.
"Wo ist Papa?"
Valeria zeigte hinter sich in den Flur in welchem Sergios Büro war. Dante nickte und nahm mich an die Hand. Vor der Tür klopfte er an und machte sie dann auf, ohne auf ein herein zu warten.
Sergio saß hinter seinem Schreibtisch und sah zu uns hoch, als wir eintraten. Lorenzo und Luca saßen auf den Sesseln rechts von uns.
"Da seid ihr ja. Willkommen zurück." Sergio zeigte auf die freien Plätze neben Dantes Brüdern.
"Ja Willkommen zurück." Kam es fast gleichzeitig von Luca und Lorenzo. Wir nickten bloß und Dante führte mich mit seiner Hand an meinem Rück zu Luca, neben welchem ich mich hinsetzte. Er selbst blieb aber stehen.
"Konntet ihr etwas in Erfahrung bringen?" Luca stand auf und stellte sich zu Dante.
"Wir haben den Körper bereits zu Giovanni gebracht, der führt eine Obduktion durch, hoffentlich kann er uns danach mehr sagen." Dante überlegte kurz und nickte dann.
"Was ist mit ihm, konntet ihr erfahren wer er war?" Luca schüttelte den Kopf. "Ich hab gehofft ihr hättet ein paar mehr Informationen."

Plötzlich klopfte es an der Tür und nach einem Herein von Sergio trat Pablo ein.
"Die Männer sind mit der Durchsuchung fertig." Pablo stellte sich auch zu Dante und Luca.
"Haben sie noch etwas außer das Gewehr gefunden?" Verwirrt sah ich zu Dante. Welches Gewehr?
Auch die anderen sahen fragend zu Dante und Pablo.
"Nachdem wir gelandet waren bekam ich einen Anruf. Unsere Männer haben auf dem Dach des Hochhauses ein Scharfschützengewehr gefunden." erklärte Dante nun seine Aussage.
Kurz nach der Landung? Darüber hat er also mir Pablo gesprochen. Wieso erzählt er mir das erst jetzt? Mit einem wütenden Blick strafte ich ihn, jedoch hatte es nicht den gewünschten Effekt, denn Dante zwinkerte mir nur zu.
"Also haben wir es mit einem Profi zutun. Das bedeutet uns wird die Patrone auch nicht weiter helfen, denn die entledigen sich der Waffe immer nach dem Auftrag." Setzte Luca die Puzzleteile zusammen.
Ein Auftragskiller? Aber wieso sollte jemand den Mord an diesem Mann in Auftrag geben? Hat das was mit der Information zutun, die er mir mitteilen wollte?
Zum ersten Mal äußerte sich Sergio zu der Sache. "Wir können also mit Sicherheit sagen, dass nicht Anastasia das Ziel war. Ein Profi hätte nicht daneben geschossen."
Diese Tatsache stand für mich sowieso nie zu Debatte. Ich stand komplett ungeschützt am Hafen und wenn vom Hochhaus geschossen wurde, dann stand der Tote auch nicht im Weg. Also war er von Anfang an das Opfer.
"Wir denken er wurde wegen einer Information getötet, welche er an Anastasia weiter geben wollte." klärte Dante die anderen auf.
"Was wolltest du dort eigentlich?" richtet sich Luca nun an mich.
Ich hatte die ganze Zeit über noch kein Wort gesagt. Bevor ein Ton über meine Lippen kommen konnte griff Dante in die hintere Tasche seiner Jeans und holte den Zettel raus, welchen ich ihm heute Nacht gegeben hatte. Er reichte ihn an seinen Vater weiter, welcher beim lesen die Augenbrauen hochzog.
"Und was soll das heißen?" Sergio reichte den Zettel an Lorenzo, welcher wie ich bis jetzt noch nichts gesagt hatte. Lorenzo schwieg an sich oft und war eher das was man einen stillen Beobachter nennt. Ich wusste nicht ob es an mir lag und er sich nur in meiner Gegenwart so verfielt, aber bis jetzt hatte ich ihn noch nicht anders erlebt.
Lorenzo überflog die Worte auf dem Stück Papier und reichte ihn dann an Luca weiter. Es wäre einfacher gewesen den Inhalt für alle vorzulesen, aber das behielt ich lieber für mich.
Alle Augenpaare lagen nun auf mir und warteten gespannt auf eine Erklärung. Ich legte meine Hände in meinem Schoß zusammen. Ich hätte nie gedacht, dass ich diesen Teil meines Lebens jemals erzählen müsste. Ich atmete einmal tief durch und entschied mich dazu erstmal bei der Version zu bleiben, die ich auch Dante bereits offenbart hatte.

"Meine Mutter starb nicht bei einem Autounfall, wie mein Vater es jedem erzählt hat. Sie wurde entführt und ermordet." Dieser eine Satz hat mich mehr Kraft gekostet als eine Kick Box Einheit gegen Ivan.
Luca sah mich mit geweiteten Augen an, wohingegen Lorenzos Mimik sich nicht ein Stück verändert hatte. Sergio sah auf seinen Schreibtisch und erhob sich dann von seinem Stuhl.

"Wie meinst du das entführt?" Ich fing an meine Hände zu kneten. Nicht aufgrund von Sergios Frage, sondern weil ich verhindern wollte vor allen sagen zu müssen, dass ich dort war, dass ich gesehen habe wie man ihr in den Kopf schoss. Mein Atmen beschleunigte sich bei dem Gedanken an den toten Körper meiner Mutter. Luca taute aus seiner Starre auf und kam zu mir rüber. Er setzte sich wieder zu mir und sah ich aufmerksam an.
Bitte Gott lass ihn nicht so schlau sein, um alle Teile zusammen zu setzten. Luca ist der einzige hier, der von meinen Anfällen weiß, wenn er das jetzt mit dem Tod meiner Mutter in Verbindung setzt, dann komm ich nicht drumherum alles zu erzählen. Auf sein Wort, welches er mir gegeben hat kann ich leider auch nicht verlassen, dafür kenne ich ihn noch nicht gut genug.
Ich räusperte mich einmal und wandte mich dann an Sergio.
"Die Autounfallgeschichte hat mein Vater sich für die Öffentlichkeit ausgedacht. Nur die engsten Familienmitglieder kennen die Wahrheit."
Sergio nickte, als könnte er das Verhalten meines Vaters nachvollziehen.
"Dann meint der Absender das mit Geheimnis." Dante schüttelte den Kopf.
"Diese Theorie haben wir bereits aufgeschlossen. Wenn der Mann so gut informiert war, dass er wusste, das die Unfallgeschichte gelogen ist, dann hätte er auch gewusst, dass Anastasia die Wahrheit kennt."
Lorenzo sah nachdenklich aus dem Fenster und Luca verspannte sich neben mir.
"Und die Entführer? Die kennen die Wahrheit und könnten nicht wissen, dass du sie kennst." Zweifelnd zog ich die Augenbrauen zusammen. Die Entführer? Das macht doch kein Sinn.
"Wieso sollte einer der Entführer mir die Wahrheit sagen wollen?" teilte ich mein Unglauben mit den anderen.
"Ganz einfach, um Geld rauszuholen." versuchte Luca dieser Theorie Logik beizufügen, aber es war für mich immer noch nicht ersichtlich.
"Nein, bevor er starb wollte er mir sagen was für eine Wahrheit hinter dem Tod meiner Mutter steckt. Auch kann es keiner der Entführer sein. Ivan und mein Vater haben sich um sie gekümmert."
Luca dachte kurz nach und fing dann erneut an. "Sie könnten jemanden übersehen haben, jemanden der ihnen entwischt ist. Und diese Worte sagen nichts aus, ich meine du weißt nicht ob er es dir wirklich sagen wollte. Vielleicht hätte er dir vorher den Preis für diese Information genannt." Gut sicher konnte ich mir mit der Erpressung nicht sein, aber das Ivan jemanden übersieht kommt nicht in Frage.
Ich schüttelte einfach den Kopf. Diese Theorie passte für mich einfach nicht zusammen.

Nun ertönte zum ersten Mal Lorenzos Stimme. "Nein, die Theorie mit den Entführern ist zu lückenhaft und viel zu riskant. Wir müssen nach einer Dritten Person suchen."





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