Kapitel XCV

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Nicht wir haben Geheimnisse, die wirklichen Geheimnisse haben uns.

Wenn Carl Gustav Jung doch nur wüsste, wie zutreffen seine Worte auf mich und mein Leben waren.

Geheimnisse sind wie schwarze Löcher, welche uns immer weiter zu sich ziehen und ehe man sich versieht, haben sie einen komplett verschlungen. Alles ist dunkel und man sieht keinen Ausweg mehr.
Doch hier ist er, direkt vor mir, serviert auf einem Silbertablett und doch zögere ich.
Ich hatte auch ohne seinen Vorschlag vor, alles zu erzählen. Er sollte von der Email und von den Aufnahmen erfahren. Ich wollte diese Probleme mit ihm teilen, sie gemeinsam mit ihm tragen und bewältigen, aber war ich bereit alles Preis zu geben?

Auch wenn ich mir verbot daran zu denken und diese Erinnerung tief in mir verschlossen hatten, wusste ich, dass sie da war. Es war ein täglicher Kampf, nicht an diese Nacht zu denken und so zu tun, als wäre das alles nicht passiert. Als hätte ich keinen Menschen getötet.
Ich dachte ich könnte es vergessen. Mein Leben mit sauberer Weste weiterleben, doch es gibt nichts gefährlicheres als eine Lüge, die man selber glaubt.

Ich sah in Dantes Augen, welche mich einluden, alle Karten auf den Tisch zu legen. Hier und jetzt die Möglichkeit zu ergreifen und ihm alles zu erzählen. Und Gott wenn es etwas gab, dann mich von dieser Schuld befreien, ihm alles erzählen und um Entschuldigung bitten. Sagen, dass ich das alles für ihn getan habe, weil ich ohne ihn nicht mehr leben könnte.
Aber ich wusste, dass dieses eine Geheimnis niemals über meine Lippen kommen durfte, egal was für ein Angebot er mir macht.
Ich hätte nie gedacht, dass ein Dilemma so verlockend und zerstörerisch sein könnte.

Wie sollte ich ihm das überhaupt sagen?
Ich bin damals dieses Risiko mit dem Gefallen eingegangen und ich habe dafür bezahlt und zahle immer noch. Ich lass nicht zu, dass diese Sache meine Ehe zerstört.
Die Frage ist nur, was wird sie zerstören.
Wenn ich jetzt ehrlich zu ihm bin oder wenn ich weiter schweige?

"Amore, ich höre." Erinnerte er mich an meine Aufgabe, aber ich hatte mich immer noch nicht entschieden, was ich mit dem dunkelsten aller Geheimnisse mache.
Aber sein Blick sagte mir, dass ich nicht noch mehr Zeit schinden kann, also fing ich mit den leichten Sachen an.
"Von meinen Panikattacken weißt du ja jetzt. Der Zettel aus dem Cafè ist dir auch nicht neu, aber es hat sich herausgestellt..."
Ich machte eine kurze Pause und atmete aus. Seine aufmerksamen Augen erdrückten mich förmlich, als wollte er meine Erzählung beschleunigen.
"..dass das nicht die einzige geheimnisvolle Nachricht war, die mir jemand über den Tod meiner Mutter zugeschickt hat."
Dante sagte nichts, sondern guckte mich weiter ausdruckslos aus.
"An dem Tag als ich das Bewusstsein auf dem Balkon verloren hatte, öffnete ich seit Wochen zum ersten Mal meinen Laptop und checkte meine Mails. Jemand hat mir Audiodateien geschickt, in denen mein Vater mit meinem Onkel über Probleme mit einer Familie spricht. Ich vermute ging dabei um die Kovacs, aber sicher bin ich mir nicht. In der letzte Aufnahme genehmigt mein Vater eine Mission, aber mehr sagt die Datei auch nicht." Ohne Pause oder Luft zu holen ratterte ich alle Informationen über die Aufnahmen aus der Email runter.
"Das wichtigste was ich erfahren habe sind die Leute, vor denen mein Onkel meinen Vater warnt. Er nennt sie die O.Ds und ich denke er meint den Orden damit. Ich hab noch nicht viel rausgefunden, und das was ich weiß ist nicht sicher, aber das alles hat mit dem Tod meiner Mutter zutun.
Ich glaube jemand kennt die Wahrheit und will mich zu ihr führen. Und dieser Jemand ist denke ich Isaac Daly. Aber jetzt wo er tot ist, werden auch keine Nachrichten mehr kommen und ich muss selbst herausfinden was er wusste."

Nachdem ich fertig war, atmete ich einmal tief durch. Dante hatte immer noch kein Wort gesagt und auch sein Blick hatte sich nicht verändert.
Stille breitete sich aus und ich fühlte mich wie gelähmt.
Wieso sagt er denn nichts? Meinetwegen kann er mich anschreien oder mich wütend beschimpfen, aber diese Ruhe halte ich nicht mehr aus.
"Sag doch was." Versuchte ich ihn zum sprechen zu bringen, aber er sah einfach weiterhin mich.
Seine Augen trafen aber nicht die meinen, sondern suchten mein Gesicht ab. Als würde dort die Antwort auf seine Fragen stehen.

Ace of HeartsWhere stories live. Discover now