Kapitel XCI

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Anastasia

Seit Stunden saß ich nun am Tisch in unserem Zimmer und starrte auf das Gesprächsprotokol in meiner Hand.
Das ganze machte für mich immer noch keinen Sinn. Wovor hatte meine Mutter solche Angst? Was versuchte mein Onkel zu verhindern und was wollte mein Vater tun, was beide dazu veranlasste sich zu verbünden.
O.D, immer wieder spielte ich die mir bekannten Abkürzung durch, aber nichts ergab Sinn.

Ich legte den Zettel in meinen Laptop und klappte ihn zu. Beides zusammen verstaute ich wieder in der Tasche und legte beides unters Bett.
Dante war immer noch nicht wieder da. Ich sah mich nochmal mit prüfendem Blick im Zimmer um, bevor ich mich auf den Weg in sein Büro machte.

Als auch nach dem zweiten Klopfen gegen seine Bürotür keine Antwort kam, öffnete ich sie und trat herein.
Dante saß hinter seinem Schreibtisch und telefonierte, während sein Blick auf den Computer gerichtet war.
"Ja hab es bekommen." Teilte er seinem Gesprächspartner mit, bevor er zu mir sah.
Mit einer befehlshabenden Bewegung winkte er mich zu sich rüber und ich folgte seiner stillen Anweisung.
Ich umrundete seinen Tisch und setzte mich auf seinen Schoß.
Sofort schlang er seine Arme um mich und zog mich dicht an sich.
Meine Arme lagen um seinen Nacken und meinen Kopf legte ich auf seiner Schulter ab.
"Okay, dann sehen wir uns in einer Woche." Damit verabschiedete er sich von seinem Gesprächspartner und legte auf.
"Wen siehst du in einer Woche?" Gab ich meiner Neugier nach und sah ihm abwartend in die Augen.
"Nicht ich, sondern wir. Wir fliegen nächste Woche nach Moskau und besiegeln einen neuen Vertrag bezüglich deiner und Isabellas Sicherheit." Ich versteifte mich und zog mich etwas von ihm zurück.
"und bevor du etwas sagst, Ivan weiß, dass dein Vater hinter eurem Kontaktabbruch steckt und freut sich dich zu sehen." Leider beruhigte mich dieser Gedanke nicht wirklich. Allein die Vorstellung wieder Zuhause zu sein verpasste mir Albträume.
"Kannst du nicht alleine gehen?"
Dante spannte seine Augenbraun an und ich wusste, noch bevor er seinen Mund aufmachte, dass er sich darauf niemals einlassen wird.
"Wir werde zusammen dort hin gehen und alles wird gut sein. Wir treffen Ivan und Isabella auf neutralem Gebiet. Du wirst niemanden sonst sehen, wenn du nicht willst."
Geschlagen nickte ich und ließ meine Augen über seinen Schreibtisch gleiten.
Ein großer Haufen von Dokumenten und Akten waren wahllos verteilt. Ein guter Vorwand das Thema zu wechseln. "Wie kannst du so arbeiten? Willst du nicht etwas aufräumen?"
Ich fing an die Dokumente zu stapelt und die Akten zu sortieren.
"Ich mach das schon, lass es liegen." Sprach er mir ins Haar und verteilte Küsse auf meinem Nacken.

Bei einer Akte hielte ich inne, als ich die Aufschrift darauf sah.
Traditore stand in Großbuchstaben auf drauf. Meine italienische Kenntnisse müssen definitiv aufgefrischt werden, aber die Bedeutung von diesem Wort kannte ich ziemlich gut, Verräter.
Während meines italienisch Unterrichtes bestanden die Vokabeln nicht aus Gemüsesorten oder aus der Wegbeschreibung zum Kolosseum. Die Begriffe, die wir lernten, hatten immer etwas mit der Mafia oder ihren Geschäften zutun, weshalb mir dieses sofort ins Auge fiel.

"Was ist das?" Ich klappte die Akte auf und hinderte Dante damit daran, sie mir aus der Hand zu nehmen.
"Das haben Lorenzo und Luca mir vor ein paar Stunden gebracht. Die Fotos zeigen den Mann, welchen wir für die Ratte halten."
Klärte er mich auf und holte ein Bild aus der Akte, um es mir zu zeigen.
Darauf waren zwei Männer abgebildet, welche sich unterhielten.
"Wer ist das?" Ich zeigte auf die Person, deren Gesicht sichtbar in die Kamera zeigte.
"Das ist Tai Nakamura, der kleine Bruder von Hiroto. Er hat sich eine Woche vor meiner und Pablos Entführung mit einem unserer Leute in Singapur getroffen."
Ich nickte und sah mir aufmerksam das Foto an.
"Und wisst ihr schon mit wem?"
Dante schüttelte den Kopf und ich spürte seine Bewegungen an meiner Schulter.
"Aber ich habe einen Namen im Kopf, aber ich werde warten, bis es sich bestätigt. Wenn ich das einmal ausgesprochen habe, dann gibt es keinen Weg zurück."
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich hätte nicht auch schon jemanden im Verdacht. Seit ich davon erfahren hatte, drehten sich meine Gedanken rund um die Uhr darüber. Wenn der Verräter für Dantes Entführung verantwortlich ist, dann vielleicht auch für die Nachrichten die mir zugesteckt wurde und für die Email. Aber wieso sollte die Person mit helfen und Isaac Daly mit Informationen zu mir schicken, wenn sie bereit ist die Martinellis zu verraten?
Entweder die Nachrichten sind keine gut gemeinte Tat, oder es sind zwei verschiedene Personen. Wir hatten also einen Verräter in den Reihen und entweder steckte Isaac Daly hinter der Email oder es gab noch eine weitere Person.
Wenn also der Verräter nur was mit den Italienern zutun hat und nichts mit meiner Familie, dann kommt mir nur ein Name in den Sinn.

"Amore, zerbrich dir deswegen nicht den Kopf. Ich und die Jungs regeln das und bis dahin verstärke ich die Sicherheitsmaßnahmen für dich." Riss er mich aus meinen Gedanken. Er tut bitte was?
"Was soll das heißen du verstärkst die Sicherheitsmaßnahmen?" Wenn er denkt er könnte mir einen Wachhund auf den Leib hetzen, dann irrt er sich gewaltig.
"Genau genommen werde nicht ich es tun, sondern Luca. Aber du solltest wissen, dass ich ihm dabei freie Hand lasse und du dich seinen Entscheidungen fügen musst."
Wie bitte? Ich soll mich fügen? Ohne ein Wort zu sagen befreite ich mich aus seinen Armen und stand von seinem Schoß auf.
"Amore! Bleib hier." Dante griff nach meinem Arm, doch ich war schneller und stellte mich vor den Tisch, sodass ich ihm ins Gesicht sehen konnte.
"Ich werde mich bestimmt nicht an Lucas Sicherheitsmaßnahmen halten!" Ich stemmte mich mit beiden Händen an der Tischplatte ab und funkelte ihn wütend an.
"Natürlich wirst du das." Konterte er streng zurück und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
Wir lieferten uns einen Blickduell und es sah nicht so aus, als wenn einer von uns beiden nachgeben würde.

Irgendwann hielt er es wohl nicht mehr aus und brach unser Duell als erster ab.
"Hör zu, wenn du es nicht für dich und deine Sicherheit tun willst, dann mach es für mich. Wenn unsere Theorie stimmt und es bei der Entführung nicht nur um Rache ging, dann müssen wir uns auf den nächsten Schlag vorbereiten."
Nicht nur Rache? Kann es den nicht wenigstens einmal so sein, wie es scheint? Ich hab es so satt, das nach jedem Geheimnis ein neues auf uns wartet.
"Nur solange wir die Ratte nicht entlarvt haben." Ich sah wieder zu meinem Mann, welcher mich mit einem bittenden Gesichtsausdruck ansah.
Er hat wohl seine Taktik geändert und versuchte nun nicht mehr mir was zu befehlen, sondern überredet mich jetzt zuzustimmen.
Ich war immer noch kein Fan von dieser Idee, aber ich hatte auch keine Lust mich weiter darüber zu unterhalten, also nickte ich bloß und sah wieder auf den Schreibtisch.

Auf dem Platz, von welchem ich die Akte des Verräters hatte, lag eine weitere Akte, nur diesmal ohne Titel.
"Und was ist das?"
Ich versuchte erneut das Thema zu wechseln und lenkte es auf diese Akte, bevor Dante mit weiteren Befehlen kommt.
"Luca hat den Ring untersuchen lassen."
Mein verwirrter Gesichtsausdruck veranlaste ihn dazu mehr ins Detail zu gehen.
"Der Siegelring von Isaac Daly, dem Mann, mit dem du dich am Hafen getroffen hast."
Die Erinnerungen an diese Nacht kamen zurück und ich sah sein Gesicht förmlich vor mir.
Ich konnte immer noch nicht fassen, dass jemand diesen Kerl direkt vor meinen Augen erschossen hatte.

Ich schüttelte die Gedanken an diesen Moment beiseite und öffnete die Akte.
Aufmerksam studierte ich die Fotos.
Ich erinnerte mich an den Ring. Luca hatte ihn uns gezeigt, als er aus Giovannis Leichenhalle wieder kam. Das Wappen darauf glich keiner mir bekannten Familie.
Ich blätterte weiter und sah mir eine Nahaufnahme davon an. Der Ring hatte eine Innenschrift auf Latein.

Ordo damnatorum stand dort in kusiver Schrift.
"Der Orden der Verdammten." Sprach ich die Übersetzung laut aus.
"Was?" Dante stand vom Stuhl auf und kam zu mir rüber. Er stellte sich neben mich und sah auf das Foto in meiner Hand.
"Das ist Latein. Ordo damnatorum bedeutet der Orden der Verdammten. Aber was es bedeutet weiß ich nicht."
Wir beide standen ratlos vor dem Tisch und starrten nur auf die Schrift.

Dann traf es mich wie ein Blitz.
Ordo damnatorum war was sich hinter O.D verbarg.



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