Kapitel LXXV

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Panik brach in mir aus. Gott was, wenn jemand die Email gesehen hat.
Oder noch schlimmer sich die Aufnahmen angehört hat. Ich stellte mich hin und nahm ein Handtuch um mich einzuwickeln.
Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass ich noch komplett nass und mit Saum bedeckt war stieg ich aus der Wanne und tapste zur Zimmertür.
Vorsichtig sah ich in den Flur und zum Glück war die Luft rein. Zum ersten Mal war ich dankbar, dass mein altes Zimmer nicht weit von unserem entfernt war.
Auf Zehnspitzen eilte ich über den Boden und griff nach meiner Türklinke. Gerade als ich die Tür öffnen wollte ertönte eine Stimme hinter mir. Wie denn auch sonst, natürlich erwischt mich jemand, während ich klatschnass und nur mit einem Handtuch bekleidet im Flur stehe.
"Geht es dir gut Liebes?" Valerias Stimme beruhigte meine aufkommende Panik und ich drehte mich zu ihr um.
"Ja alles gut, mir ist nur eingefallen, dass ich mein Handy im Zimmer vergessen habe." Gelogen hatte ich theoretisch ja nicht, denn ich wusste wirklich nicht wo ich dieses Teil liegen gelassen hab. Misstrauisch sah sie mich an, nickte dann aber.
"Ich meine wegen deiner Ohnmacht." Ach das. Na toll fast hätte ich mich selbst verraten.
"Ja es war nichts ernstes. Es geht mir gut." Wieder nickte sie und kam dann einige Schritte auf mich zu.
"Liebes, wenn du Fragen hast oder mit jemandem reden möchtest dann bin ich da." Bei ihren Worten bildete sich ein Kloß in meinem Hals. Sie war so liebevoll und fürsorglich und ich log ihr direkt ins Gesicht. Mein schlechtes Gewissen drohte mich zu übermannen, aber ich drängte es in die hinterste Ecke meines Kopfes. Mütterlich drückte sie meine Hand und ging dann den Flur entlang in Richtung ihres Zimmers. Ich öffnete die Tür zu meinem alten Zimmer und trat gezielt zum Balkon rüber. Immer noch spärlich bekleidet ging ich nach draußen und fand meinen Laptop genau an der Stelle, an dem ich ihn zurück gelassen hatte.
Zu meinem Erstaunen war er zugeklappt und ich schätze dies habe ich Vlad zu verdanken.
Schnell schnappte ich mir das Gerät und verließ das Zimmer. Ich versteckte ihn in einer meiner großen Handtaschen, für den Fall, dass Dante früher zurück kommen sollte.
Danach duschte ich mich nur noch ab und ließ das Wasser aus der Wanne. Sehnsüchtig sah ich zu, wie das Wasser abgelassen wurde. Das Entspannungsbad werde ich dann wohl auf einen anderen Abend verschieben müssen.
Nachdem ich mir meine Schlafsachen angezogen hatte, nahm ich den Laptop wieder an mich und setzte mich aufs neue Bad. Die neue Matratze schmiegte sich an meinen Körper und ich deckte mich mit der, nach Waschmitteln riechenden, Decke zu.
Den Laptop parkte ich auf meinem Schoß und klappte ihn auf. Sofort sprang mir die Email entgegen, welche ich aber sogleich wegklickte. Ich war noch nicht bereit dazu den Inhalt zu erfahren.

Ich öffnete eine Word Datei und schrieb alle Informationen über die Entführung nieder, welche ich mit der Zeit von meinem Bruder oder unseren Angestellten erfahren hatte.
Zu meinem Bedauern war das nicht viel und jeder weiter Satz, den ich tippte, warf mehr Fragen auf, als er beantwortete.

Der 04.08.2014, der Tag unserer Entführung. Ich nutzte die Funktion des Programms, um die Zahlen dick hervorzuheben.
Der 06.08.2014, der Tag an dem meine Mutter erschossen wurde. Auch hier wiederholte ich den Prozess.
Und zur guter Letzt, der 07.08.2014, der Tag meiner Befreiung. Nach dem ich das letzte Wort geschrieben hatte erschauderte ich. Dieser Moment war vieles, aber weder eine Befreiung für mich, noch war es meine Rettung. Es war viel mehr der Beginn von acht qualvollen Jahren ohne Mutter und einem desinteressierten Vater.
Ich trug auch die Informationen zusammen, welche ich aus meinen bereits verblassten Erinnerungen zog.
Den Geruch meiner Zelle, die Lichtverhältnisse, sogar die Stimmlage der Männer, welche mit mir gesprochen hatten. All das hielt ich detailliert fest. Aber auch nachdem ich alles was ich noch wusste aufgeschrieben hatte, umfasste meine Zusammenfassung nicht einmal zwei Seiten. Frustriert lehnte ich mich mit dem Kopf ans Bettgestell und sah zur Zimmerdecke.

Meinen Gedanken ließ ich dabei freien Lauf und sie sprinteten durch meine Neuronen, so als hätten sie genau auf den Moment gewartet.
Meine Familie hatte die Entführer getötet. Die Kovacs waren tot. Wer war also die geheimnisvolle Person, welche mir diese Nachrichten schickte? Oder waren es mehrere?
Einer von ihnen war bereits tot und seit dem Vorfall hatte ich auch keine weiteren Informationen bekommen.

Die Email war eine Woche vorher versendet worden. Vielleicht führten alle Stränge zu dem verstorbenen Isaac Daly und ich wühlte bereits in einer Sackgasse, aus der es keinen Ausweg gab. Wenn der Issac Daly die geheimnisvolle Person war, dann schätze ich, dass das Spiel nun mit seinem Tod beendet war.

Ace of HeartsWhere stories live. Discover now