Kapitel LXXVII

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"Was?" Ohne es zu wollen sprach ich mein Entsetzten laut aus. Hatte er gerade wirklich Vlads Namen genannt? Mein Vlad? Aber wie?
Der Schock stand mir im Gesicht geschrieben. Das kann doch nicht sein ernst sein.
Es herrschte absolute Stille, niemand sprach, nicht mal das Klirren der Gläser war zu hören.
Ich spürte unzählige Blick auf mir, aber ich traute mich nicht in die Menge zu sehen, Vlad anzusehen. Ich riss Dante das Stück Papier aus der Hand und kümmerte mich nicht über das Bild, welches mein Verhandeln wohl grade auslösen könnte. Schnell überflog ich die einzelnen Namen bis ich am Ende der Liste an kam.
Immer und immer wieder las ich in Gedanken die neun Buchstaben, aber egal wie oft ich es tat, sie änderten sich nicht. Sein Name stand wirklich auf der Liste, Vlad war ein Anwärter. Ich ließ den Zettel zu Boden fallen und starrte verzweifelt auf den Boden auf dem ich stand.

Nun verstand ich auch Dantes Reaktion, als er den Namen auf der Liste sah. Er dachte ich stecke dahinter, dass ich sein Bürge wäre.
Aber so war es nicht! Ich hätte Vlad niemals nominiert. Nicht weil ich glaubte, er wäre nicht geeignet dafür, sondern weil mir dieser absurde Gedanke niemals in den Sinn gekommen wäre. Vlad war Russe, zu dem noch Teil der Mafia meines Vaters. Er wird von den Leuten hier grade mal so als Gast geduldet, die Menschen würden ihn nie als Cape akzeptieren.

Aber momentmal, wenn ich das nicht war, wer dann? Und wieso hat Sergio die Kandidatur angenommen.
Zum ersten Mal traute ich mich meinen Blick zu heben und ihn durch die Menge gleiten zu lassen. Ich sah ihn entsetzte Gesichter, deren es offensichtlich nicht anders ging als mir. Dann trafen meine Augen die von Vlad. Wut und Schock spiegelten sich in ihnen wieder und waren direkt auf mich gerichtet. Natürlich machte er auch mich dafür verantwortlich. Ich sollte etwas sagen, die Sache richtig stellen, aber ich schaffte es einfach nicht meinen Mund zu öffnen.

Dann sah ich sie. Entgegen aller anderen leuchtet ihr Gesicht vor Freude auf. Sie sah auch nicht überrascht aus, eher zufrieden und neugierig auf das, was als nächstes kommen würde.
Wie ein Geistesblitz leuchtete die Erkenntnis in mir auf. Sie war es, sie hatte ihn nominiert und für ihn gebürgt.
Chiara!
Ungläubig schüttelte ich den Kopf. Das kann doch alles nicht war sein. Dante wird ausflippen und ich weiß nicht, was für ihn schlimmer sein wird, anzunehmen, dass ich meinen besten Freund ohne sein Wissen nominiert habe, oder die Erkenntnis, dass keine kleine Schwester dahinter steckt.
Vlad hatte sich immer noch kein Stück bewegt, weshalb Dante erneut seinen Namen aufrief.
"Vlad Orlow!" Sein Stimme war kühl und die Ungeduld war klar rauszuhören. Nun wachte auch Vlad aus seiner Starre auf und ging einige Schritte nach Vorne. Anders als bei den Anwärtern zuvor, klatschte bei ihm keiner.
Gerade als ich dachte es könnte nicht noch schlimmer kommen, fing Chiara an Vlad zu zuwinken.
"Viel Glück!" schrie sie ihm über die Menge zu und erntete dafür einen Seitenhieb von ihrer Mutter.
Nun hatte auch mein Mann eins und eins zusammengezählt und drehte entsetzte seinen Kopf zu mir. Ich zuckte nur mit den Schultern, da ich für das alles wirklich keine Erklärung hatte. Dann sah er zu seinem Vater, welcher dem Blick seines Sohnes jedoch auswich.
"Nun gut, da nun alle Anwärter versammelt sind beginnen wir mit der ersten Runde. Riccardo wird euch nun weiteres zu den Kämpfen mitteilen." Richtete sich mein Mann erneut an die Gäste und Kandidaten, nachdem er sich wieder gefasst hatte.
Wie als hätte er genau auf diesen Moment gewartet erhob sich Riccardo und kam zu uns auf die Bühne.
Dante ergriff meine Hand und delegierte mich vom Garten weg ins Haus. Im Wohnzimmer blieben wir stehen und er sah mich immer noch fragend an.
"Was?" platzte es nun aus mir heraus. Eindringlich sah er mich an, als würde er sich darauf gefasst machen die Lüge zu durchschauen, welche aus seiner Sicht gleich meinen Mund verlassen würde.
"Ich frage dich nur einmal. Steckst du hinter der Nominierung?"
Genervt verdrehte ich die Augen. Hatte er denn immer noch nicht verstanden, dass ich daran nicht beteiligt war? Chiara hat sich nicht grade unauffällig verhalten.
"Nein! Ich hab ihn weder nominiert, noch hab ich für ihn gebürgt!" Immer noch misstrauisch schaut er mich an.
"Ist dir nicht Chiaras Verhalten aufgefallen? Sie war die einzige, die nicht über seine Kandidatur überrascht war." Ich hab ein schlechtes Gewissen, sie so vor ihrem Bruder zu outen, aber einen anderer Ausweg fiel mir auch nicht ein, um Dante zu überzeugen.
"Chiara?" Plötzlich lachte er sarkastisch auf und schüttelte ungläubig den Kopf.
"Im Leben nicht. Sie würde das niemals tun."
Na ganz toll, jetzt bin ich in seinen Augen nicht nur die Ehefrau die ihren besten Freund versucht in seine Mafia zu schmuggeln, sondern auch noch die, welche seine kleine Schwester als Ausrede verwendet.

"Doch würde ich." Entsetzt drehten wir uns beide zu der Stimme um, welche unsere Diskussion unterbrach. Im Türrahmen stand Chiara und sah uns abwechselt an.
"Wie bitte?" brach es nun aus Dante heraus. Auch ich konnte es nicht fassen, mit welcher Leichtigkeit sie es zu gab.
"Was schockiert euch denn so? Vlad ist besser als alle anderen Anwärter zusammen. Außerdem ist er absolut loyal gegenüber deiner Frau, was du von den anderen nicht sagen kannst."
So hatte ich das nie gesehen. Ich meine natürlich war Vlad gut ausgebildet und ein Profi auf seinem Gebiet, aber das die anderen möglicherweise Vorurteile gegen mich haben könnten, ließ mich erschaudern.
"Ich kann nicht glauben, dass du für ihn bürgst und dann auch noch ohne es mir zu sagen." Nun richtete er seine Wut auf Chiara und ich hatte das dringende Bedürfnis sie vor ihm abzuschirmen. Unbemerkt näherte ich mich ihr und verdeckte sie so mit meinem Körper. Doch die kleine hatte nicht vor, sich hinter mir zu verstecken.
"Du wolltest die Namen doch nicht wissen. Du selbst hast diese bescheuerte neue Regel eingeführt. Außerdem wusste Papa davon." rechtfertigt sie sich mit einem teuflischen Grinsen und ich wusste schon nicht mehr vor wen ich mich stellen sollte.
"Komm mir jetzt nicht so! Du wusstest, dass ich eine solche Information durchaus vorher erfahren wollen würde." schrie Dante sie nun an und spitzte die Situation immer weiter zu.
"Wenn es dich so stört, dann nimm ihn einfach raus. Ich denke nicht, dass er was dagegen hätte." Versuchte ich Dante zu beruhigen.
Ehrlich gesagt glaub ich sogar, dass Vlad es mehr als nur begrüßen würde, wenn er ausgeschlossen wird.
"Kann er nicht, sobald der Name verlesen ist, ist er ein Anwärter." Chiara warf sich die Haare über die Schulter und ging wieder raus. Was war denn in sie gefahren? Erst meldet sie Vlad heimlich an, dann schreit sie ihren Bruder an und jetzt dieser dramatische Abgang.
Wo ist das süße achtzehnjährige Mädchen hin, welches ich bei meiner Ankunft kennengelernt habe?
"Lass uns wieder rausgehen. Ich kann daran jetzt sowieso nichts mehr ändern und die Kämpfe beginnen gleich."

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