Kapitel LXXII

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Anastasia


Halb verschlafen kuschelte ich mich näher an meinen Mann, dessen Atmung immer noch ruhig und gleichmäßig war. Nach dem wir den Bunker verlassen hatten, sagte keiner von uns mehr ein Wort. In völliger Stille gingen wir zum Auto und fuhren zurück zum Anwesend. Auch wenn ich immer noch Zweifel in Dantes Augen erkennen konnte, merkte ich, dass eine Last von seinen Schultern gefallen war. Nun hieß es abwarten und ihm genügend Zeit zu geben die Erkenntnis, welche er da unten erhalten hatte, zu verarbeiten und vor allem anzunehmen,
Als wir das Haus der Martines betraten wurde Dante gleich von Luca in Beschlag genommen und ich ging in unser Zimmer und vertrieb mir die Zeit mit einem Buch. Ich brauchte unbedingt ein paar Stunden nach den nervenaufreibenden letzten Tagen.
Gegen Nachmittag gesellte sich Chiara zu mir und wir unterhielten uns über den bevorstehenden Anwärterabend. Ich erfuhr, dass sie von der Getränkeregel ausgeschlossen ist, da sie noch nicht 21 Jahre alt war und zum ersten Mal wünschte ich mir jünger zu sein.
Nach längerem betteln gab ich ihrer Bitte nach und wir verabredeten uns zum Kleidershoppen. Da ich nun Dantes Frau war konnte ich mir wie jeder normale Mensch mein Kleid in einem Landen aussuchen und musste es nicht im Anwesen tun.
Am frühen Abend klopfte Giovanni an meine Tür und entschuldigte sich unzählige Male dafür, dass er erst jetzt kommen konnte. Ich tat es ab und versicherte ihm, dass ich Dante nichts davon sagen würde, was uns beide zum lachen brachte. Auch wenn Giovannis Lachen eher ängstlich als amüsiert klang. Nachdem er mich untersucht hatte und mir ein Rezept für Kopfschmerztabletten gab, sollten diese mich doch noch heimsuchen, verließ er wieder mein Zimmer und ich widmete mich wieder meinem Buch.
Der Tag zog sich hin und irgendwann legte ich mich ins Bett, ohne auf meinen Mann zu warten.
Dies war die erste Nacht, in der ich werde durch meine Albträume, noch durch seine geweckt wurde und auch Dante schlief die Nacht durch, ohne sich quälend hin und her zu wälzen.
Ich wusste zwar nicht ob das was mit unserem Ausflug zum Bunker zutun hatte, oder sein Körper einfach aufgegeben hatte und den benötigten Schlaf nun einforderte, aber Hauptsache er schlief.

Ohne ihn zu wecken stand ich vorsichtig vom Bett auf und ging ins angrenzende Badezimmer. Das Wasser aus dem Duschkopf massierte meine verspannten Muskeln und ich genoss einfach die Wärme auf meiner Haut.
Mit einem Handtuch bekleidet und immer noch nassen Haaren ging ich auf Zehnspitzen die Treppe hoch zum Ankleidezimmer. Ich hasse es, wenn meine Haare noch feucht waren, aber ich wollte es nicht riskieren Dante durch den Lärm des Föhns zu wecken.
Gekleidet in einer weißen Hemdbluse und einer hellblauen High-waist Momjeans verließ ich unser Zimmer und ging in die Küche. Es war noch recht früh und außer dem Küchenpersonal und einigen Dienstmädchen war keiner wach.
In der Ecke des Raumes stand Amelia und musterte mich einmal von oben bis unten, bevor sie ihr Haar zurück warf und ich Küche verließ. Wie kann ein Mensch einem anderen mit seiner bloßen Anwesenheit Kopfschmerzen bereiten. Ich entschied mich dazu ihr Auftreten einfach zu ignorieren und ging zu Kaffeemaschine rüber, um etwas von dem schwarzen Heilmittel in meine Tasse zu gießen. Alleine der Geruch entspannte meine Nerven und war ein perfekter Ersatz für meine Zigaretten, welche ich bereits seit Wochen nicht mehr angerührt hatte.
Selbst während Dantes Entführung, was aber eher damit zusammen hing, dass ich keine freie Minute hatte um mir eine anzustecken.
Mit der Tasse in der Hand ging ich durch das Wohnzimmer auf die Terrasse. Die Sonne hatte die Umgebung bereits vollkommen erleuchtet, auch wenn es erst kurz nach sechs war. Ich ließ mich auf einen der Stühle nieder und genoss einfach die Stille und meinen heißen Kaffee.

Nach einer Zeit spürte ich eine Präsenz hinter mir und ohne, dass ich mich umdrehen musste wusste ich bereits wer es war. Vlads stinkendes Aftershave würde ich wohl auch noch auf dem Mond richten. Ich hab ihn so oft angefleht, bedroht und erpresst, aber er weigert sich es zu ändern. Keine Ahnung was ihn an diesem beißendem Geruch gefiel.
"Na Vlad, auch schon wach." Ohne meinen Blick vom Garten zu nehmen sprach ich ihn an.
"Woher weiß du d... das Aftershave oder?" Ich musste über seine Reaktion lachen. Zum Glück hatten Ivan und ich ihn so weit gebracht dieses Zeug nicht mehr bei Missionen zu verwenden und das aus gutem Grund. Er war der einzige Agent den man roch bevor man ihn sah.
Er setzte sich zu mir und schaute sich ebenfalls in der Gegend um. Es war lange her, dass wir beide einfach nur da saßen und die Anwesenheit des anderen genossen konnten, ohne das Waffen, Blut und Geheimnisse integriert waren.
Bei dem Gedanken an Geheimnisse kam mir wieder der fremde Mann in den Sinn, welcher mich über den Tod meiner Mutter aufklären wollte. In all dem Chaos ist diese Sache völlig unter gegangen und ich konnte keine Sekunde mehr daran verschwendet, aber jetzt?
Dante war wieder in Sicherheit, Pablos Tod hoffentlich keine mehr so schwere Last auf seinen Schultern und auch die Geschäfte lagen wieder in seinen Händen, sodass ich mich meinen eigenen Ermittlungen zuwenden konnte.
Aber wo fang ich an? Ivan ist keine Option mehr für mich. Auch wenn er in letzter Zeit immer wieder versucht hatte mich an zurufen, musste ich mein Wort halten und konnte meine Beziehung zu ihm nicht länger aufrecht erhalten. Alles was ich konnte war zu hoffen, dass Ivan mich nach dem Tod unseres Vaters wieder in die Familie aufnimmt, sollte er es dann überhaupt noch wollen.
Ich konzentrierte meine Gedanken wieder auf den Tod meiner Mutter und sah Vlad an. Zu der Zeit war Vlad zwar nur ein einfaches Mitglied in unseren Reihen, aber möglicherweise wüsste er doch mehr als ich zunächst angenommen hatte.
"Was Prinzessa? Du starrst mich schon seit Minuten an." kam es nun misstrauisch von meinem alten Freund.
"Ich hab mich gefragt was du damals mitbekommen hast, als Mama und ich entführt wurden." Ich hatte mir nicht einmal die Mühe gemacht durch eine List oder einen Trick an die Informationen zu kommen. Einerseits weil ich wusste, dass ich es bei Vlad erst gar nicht versuchen brauche, denn er reicht meinen Schwindel oft bevor er mir überhaupt über die Lippen kommt und andererseits, weil ich müde war. Ich war ausgebrannt und hatte einfach keine Kraft ständig Spielchen zu spielen, Vorwände zu erfinden oder Halbwahrheiten aufzutischen damit Menschen mir das sagten was ich hören wollte. Was meine Recht war zu erfahren.
Vlad sah wieder weg, aber ich starrte ihn weiterhin an. "In dieser Nacht hatte ich den Wachdienst im Westflügel eures Hauses. Deswegen und wegen meines Ranges erfuhr ich erst sehr spät von der Entführung. Ivan drehte alle zehn Minuten durch und verwüstete ein Zimmer nach dem anderen. Dein Vater schloss sich in seinem Büro ein und uns wurde gesagt, dass er mit dem Rat nach einer Lösung sucht."
Nun zum Teil wusste ich das alles schon. Das Ivan unsere Möbel zerstört hatte fand ich an dem Tag heraus, als ich von Krankenhaus zurück nach Hause kam und alles neu eingerichtet war. Das Dad mit den Rat getagt hatte war auch kein Geheimnis, denn ohne ihre Zustimmung konnte er keine territorialen Entscheidungen fällen.
"Mehr kann ich dir nicht sagen meine Schöne." Bevor ich auf Vlads seltsame Formulierung eingehen konnte, hörte ich eine lautes Geräusch hinter uns.
"Was hast du gerade gesagt?" Dantes Morgenstimme donnerte auf uns zu und ich unterdrückte den Drang mich aufgrund seines kalten Tons hinter einer Säue zu verstecken.
An der Hauswand war ein großer brauner Fleck und auf dem Boden davor lagen die Überreste einer Kaffeetasse. Das Mysterium bezüglich des lauten Geräusches war also auch geklärt.
Dante kam bedrohlich langsam auf uns zu und er sah aus, als würde er allein mit seinem Blick versuchen Vlad zu erdolchen.
"Ich sagte meine Schöne." Vlad stand nun auf und grinste meinen Mann provozierend an.
"Wieso taucht immer dann, wenn ich ein Problem gelöst habe ein neues auf? Ist es so schwer mir mal eine Stunde Ruhe zu gönnen!"
Die Männer sahen mich erschrocken an und ich bemerkte erst jetzt, dass ich meine Gedanken laut ausgesprochen hatte.
"Du!" Ich zeigte auf Dante, welcher seine Augenbrauchen verwundert hochzog. "Hör auf ständig auf alles und jeden eifersüchtig zu sein. Vlad ist wie ein Bruder für mich verdammt noch mal! Wenn er mich meine Schöne nennt oder Prinzessa oder wie auch immer, dann auf der selben Beziehungsbasis wie du Chiara nennen würdest. Verstanden?!"
Die Tatsache, dass ich meinem Mann gerade den Marsch blasse hatte, brachte Vlad zum Lachen, welches ich ihm aber gleich aus dem Gesicht wischen werde.
"Und du! hör auf ihn zu provozieren, wenn du genau weißt, dass ihn stört." Vlads Lachen verstummte und er sah mich nun entschuldigend an.
"Irrenhaus, ich lebe in einer verdammten Freakshow!" Mit diesen Worten nahm ich meine Tasse vom Tisch und ging zur Terassentür, als mein Blick auf den großen Kaffeefleck fiel.
"Und das wischt du weg!" schrie ich meinem Mann zu, ohne mich noch mal umzudrehen.

Ace of HeartsWhere stories live. Discover now