Kapitel IX

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Ich schrie vor Schreck auf. Der Mann, der neben mir beim Essen saß stand mit gehobenen Händen und einem geschockten Gesichtsausdruck neben mir. "Alles gut, ich bin es Luca." Ich sah ihn immer noch verwirrt an bis ich endlich vollständig im hier und jetzt ankam. „Geht es wieder?" fragte er nach ein paar Minuten. Ich hatte immer noch nichts gesagt. Der Traum nagte an mir und ich fühlte wie mein Körper immer noch zitterte. Er hockte sich neben mein Bett und musterte jeden Zentimeter meines Gesichtes. „wie oft?" fragte er plötzlich. Ich sah ihn immer noch stumm an. Es war als hätte ich meine Sprache verloren. Seine Frage irritierte und erschreckte mich zugleich. Ich hatte noch kein Wort gesagt, doch er sah mich an, als wenn er alles wüsste. Das konnte er aber nicht. Niemand wusste es. Mein Vater hatte dafür gesorgt, dass es nie passiert ist. Nur wenn es etwas gibt, was er nicht kontrollieren konnte, dann waren es meine Träume.
Luca drängte mich nicht oder fragte mich aus. Er saß einfach weiter still dort und wartete geduldig. So unangenehm die Situation auch war, ich wollte nicht, dass er ging und mich alleine lies. Nach einigen weiteren Minuten gab ich mir einen Ruck und antwortete ihm. „Nicht mehr so oft." Meine Stimme zitterte. Er nickte nur und erhob sich. „Du solltest versuchen wieder zu schlafen." Er drehte sich zur Tür um und bevor er gehen konnte flüsterte ich ihm noch hinterher „sagt es bitte keinem." Er sah mich wieder an und nachdem er einige Zeit still da stand nickte er und ging raus. Ich ließ mich mit einem Seufzer wieder in die Kissen fallen. Mein Blick wanderte zur Decke. Ich würde jetzt bestimmt nicht mehr einschlafen. Einerseits war ich immer noch zu aufgewühlt und auf der anderen Seite hatte ich angst meine Augen zu schließen. Ich konnte nach diesem Alptraum schwer die Realität vom Traum trennen. Lucas Anwesenheit hatte geholfen, aber da er jetzt weg war wollte ich kein Risiko eingehen. Wieso war er eigentlich wach? Oder hatte ich ihn geweckt? Verdammt bitte nicht. Wenn ich so laut war, dass er wach wurde dann hat es bestimmt das ganze Haus gehört. Ich werde einfach so tun als wäre nichts gewesen, vielleicht habe ich ja Glück.

Als der Sonnenaufgang kam saß ich auf dem Balkon mit einer Zigarette. Der Garten wurde leicht erhellt und ich hörte Vögel in der Ferne zwitschern. Die morgendliche Harmonie wurde von einem lauten Automotor unterbrochen. Mit quietschenden Reifen bremste das Auto ab und Dante stieg aus.
Ich nahm mein Handy, um auf die Uhr zu sehen. Fünf Uhr morgens. Er war heute Nacht also nicht zuhause. Gut, er hatte mich also nicht gehört.
Ob es was geschäftliches war? Er trug immer noch dieselben Sachen und seine Haare waren zerzaust. Sein Hemd war nicht mehr in die Hose gesteckt. Nop, das sah nicht nach etwas Geschäftlichem aus, sondern nach dem Ende einer heißen Nacht.

In mir brodelte es. Nicht weil er mich offensichtlich grade "betrogen" hatte, sondern weil das jetzt mein Leben war. Ich wusste, dass Männer unserer Welt ihren Frauen regelmäßig fremdgingen. Sie heiraten jemanden für ihren Status, für mehr Geld oder Macht und suchten sich dann ihre Zuneigung woanders.
Oder sie vögelten sich aus Spaß durch die Gegend. Mein Vater war nicht anders. Er hatte meine Mutter andauernd betrogen und nie ein Geheimnis daraus gemacht. Auch wenn sie nie den Kopf gesenkt hatte, konnte ich die Demütigung in ihren Augen sehen.
Und jetzt werden es bald Andere in meinen sehen.
Ich wollte nie eine solche Frau sein. Mich nie von Männern rumschubsen und demütigen lassen, aber niemand interessiert sich für die Meinung einer Frau.
Wäre meine Mutter meinem Vater nur einmal fremdgegangen, hätte er sie wahrscheinlich getötet. Sie und ihren Lover. Willkommen im 21. Jahrhundert der Gleichberechtigung.

Von meinen Gedanken erschöpft ging ich wieder in mein Zimmer, um mich fertig zumachen.
Nach einer heißen Dusche cremte ich mein Gesicht ein. Ich war blass und hatte tiefe Augenringe. Das Ergebnis von drei Stunden Schlaf.
Ich zog mich an und sah auf der Uhr, dass es bereits sieben war. Ich hatte mir ziemlich viel Zeit gelassen.

Ich nahm mein Handy und verließ mein Zimmer. Am Esstisch saßen bereits Dantes Eltern mit einem Kaffee und unterhielten sich. Als ich näher kam lächelte mich Valeria an und rief dann nach einer Amelia. Ich setzte mich mit einem Guten Morgen auf denselben Platz wie am Vortag. Die beiden erwiderten meine Begrüßen, wobei Sergios "Guten Morgen" eher kühl klang.
Das Dienstmädchen, welches sich in meiner Garderobe ausgetobt hatte, tauchte auf. Ihr Name war also Amelia.
Gut zu wissen, denn mit ihr war ich auch noch nicht fertig.
"Sag Amelia doch was du gerne frühstücken möchtest, Liebes." Unterbrach Valeria meine Gedanken. Ich lächelte sie an und sah dann zu Amelia, welche mich böse anfunkelte.
Das wird ein Spaß.
"Erstmal nur einen Milchkaffee" teilte ich ihr mit und sah dann wieder zu Valeria. Diese fing an mir von den Kleidern zu erzählen, welche sie für mich bestellt hatte.
Ich konnte ihre Freude nicht teilen, versuchte aber ab und zu zulächeln.
Es muss schwer für sie sein mit mir Brautkleider auszusuchen, während ihre Tochter Isabella bei Ivan ist. Nach einigen Minuten kamen Chiara und die Zwillinge runter.
Die Jungs unterhielten sich auf italienisch, während Chiara sich ihrer Mutter anschloss. Auch sie sprach euphorisch über ein paar Kleider und nannte mir ihre Favoriten.
Bei ihren Erzählungen musste ich schmunzeln. Sie war noch so jung und unschuldig. Ich hoffte inständig, dass sie nie an meiner Stelle sein wird.
Gerade als Amelia mir meinen Kaffee hingestellt hatte, kamen Dante und Luca rein, gefolgt von Marco.
Dante hatte sich umgezogen und seine Haare waren noch etwas nass von der Dusche.
Amelia stand immer noch neben mir und ihr Blick lag auf Dante, welcher
sich mit Luca unterhielt.
"Guten Morgen" ertönte es von einem gut gelaunten Marco. Viel zu früh Marco, viel zu früh!
Er setzte sich mir gegenüber hin, während die anderen Beiden weiterhin an der Tür standen.
"Einen Kaffee" sagte er zu Amelia, welche aus ihrer Trance erwachte und nun endlich davon ging.

Die Jungs kamen nun auf uns zu.
"Wir reden später", sagte er noch zu Luca bevor sie Platz nahmen.
Sofort stand Amelia zu seiner Linken." Was kann ich Ihnen bringen Mr. Martinelli?" fragte sie zuckersüß.
So süß man könnte glatt Diabetes bekommen.
Kühl antworte er "Kaffee" und würdigte sie keines Blickes, denn dieser lag auf mir. Er musterte mich von oben bis unten und sah dann wieder nach vorne als Marcos Stimme ertönte. "Hast du schön geschlafen, Prinzessin?", fragte er mich mit einem Grinsen. Ruckartig sah ich zu Luca der neben mir saß. Er hat doch nichts verraten oder? Kaum merklich schüttelte Luca seinen Kopf ohne den Blick von seinem Handy zu heben.
Ich entspannte mich wieder und sah zu Marco. Dessen Blick war aber auf Dante gerichtet. "Ja habe ich danke der Nachfrage" sagte ich schnell, damit das Thema vom Tisch ist. Marco sah wieder mich an und nickte.

Amelia kam wieder zu uns und stellte Dante einen Kaffee hin. Dabei himmelte sie ihn förmlich an. Er jedoch sah angespannt zu Marco.
Nein jetzt mal ehrlich, was ist los mit den Beiden. Können die sich auch mal normal ansehen?

Valeria unterbrach ihr Gespräch mit Sergio und sah mich an.
"Weißt du schon was du heute Abend anziehen möchtest?" Ich runzelte nur verwirrte meine Stirn. Heute Abend? Sie sah mir an, dass ich nicht recht verstand und fügte "für das Essen heute Abend" hinzu. Natürlich das Familienessen.
"Ja ehrlich gesagt wollte ich mein schwarzes Kleid von Saint Laurent tragen, nur leider kann ich es nicht finden." Dabei sah ich Amelia die ganze Zeit an. Plötzlich schoß ihr Blick von Dante zu mir und ihre Augen weiteten sich.
"Bist du denn sicher, dass du es eingepackt hast, Liebes?" fragte nun Valeria und ich wandte mich wieder ihr zu. "Ja ganz sicher, es war frisch aus der neuen Kollektion." Schachmatt. Amelia lief rot an und stotterte leise etwas vor sich her. Valeria sah sie nun fragend an. "Weißt du wo das Kleid ist?" Auf die Erklärung bin ich nun gespannt.
Sie sah zu mir und wenn Blicke töten könnten, aber ich denke ich werde noch einen draufsetzten.
"Du müsstest es gesehen haben, als du meine Sachen sortiert hast. Es war ja eines aus der neuen Kollektion."
Und nun konnte ich mir mein grinsen nicht mehr verkneifen.
Sie fing an zu stottern und sah immer wieder zu Valeria. Diese wartete aber gespannt auf eine Antwort.
"Ich...Mrs. Martinelli ..ähm...ich weiß nicht....vielleicht."
Als Marco mein Grinsen sah brach er in Gelächter aus. Auch die Zwillinge konnten ein Lachen nicht mehr unterdrücken.
"Ich möchte, dass du es sofort findest", sagte Valeria nun streng und Amelia nickte eifrig.
Dann verließ sie wie vom Blitz getroffen den Raum.
"Toll und was ist jetzt mit meinem Kaffee?", fragte Marco nun schmollend und ich konnte ein Lachen nicht mehr zurückhalten.

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