Kapitel LXXXIII

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Nach etlichen Stunden am Strand fuhr ich gegen sechs Uhr morgens auf den Hof der Martinellis. Zuvor hatte ich mich im Meerwasser sauber gemacht und die Blutspritzer von meinem Gesicht und den Armen gewaschen. Es zwar nicht viel gewesen, aber ich wollte nicht riskieren, dass Jemand mich so sieht. Leise schlich ich mich in unser Zimmer. An Schlaf war jetzt sowieso nicht mehr zu denken, was für mich eine weitere schlaflose Nacht bedeutet.
Dante lag immer noch in unserem Bett und schlief. Ich ging direkt ins Badezimmer und entledigte mich meiner Kleidung. Unter dem warmen Wasserstrahl der Dusche wusch ich meinen ganzen Körper. Immer wieder schrubbte ich mit einem Waschlappen über meine Haut, doch ich fühle mich nicht reiner. Naiv war die Vorstellung zu glauben, dass ich dieses schmutziger Gefühl in mir mit Seife wegwaschen konnte.
Irgendwann gab ich es auf und trat aus der Dusche.
Mein Spielbild ließ mich schlucken. Ich hatte tiefe Augenringe und meine Haut war blass. Die letzten tage und besonders die letzten Stunden hatten ihren Abdruck auf meinem Erscheinungsbild hinterlassen.
Immer noch mit nassen Haaren und nur einem Handtuch bedeckt ging ich ins Zimmer zurück.
"Seit wann bist du wach?" Ich schreckte zusammen und sah dann in die Richtung, aus der die Stimme kam. Dante saß aufrecht im Bett und musterte mich einmal von oben bis unten. Anstatt im zu antworten lenkte ich vom Thema ab.
"Ich wollte dich nicht wecken." Ich wollte ihn nicht schon wieder anlügen und auch wenn ich etwas verheimlichte, so sollte keine Lüge mehr meinen Mund verlassen.
Er nickte bloß und stand dann auf, gab mir einen flüchtigen Kuss auf meinen Kopf und ging dann ebenfalls ins Bad.
Ich setzte meinen Weg weiter fort und ging hoch ins Ankleidezimmer. Heute war der letzte Tag der Anwärterspiele und zum Glück würde die Veranstaltung erst gegen Abend beginnen. Ich hatte also noch genug Zeit den versäumten Schlaf nachzuholen. Während ich in meinem Schrank nach passenden Sachen suchte, verdrängte ich die aufkommenden Gedanken über die Lagerhalle und Hiroto immer weiter in meinem Kopf. Ich würde gedanklich eine Kiste nehmen und dieses Ereignis einfach dort einsperren, dann würde ich sie gut verschließen und den Schlüssel wegwerfen.
Weit weg, sodass ich ihn selbst nicht mehr finden könnte.

Ich zog mir eine schwarze Stoffhose und einen weichen Pullover an und setzte mich dann aufs Bett. Aus dem Badezimmer war immer noch die Dusche zu hören, also schloss ich die Augen und erstellte in Gedanken eine Kiste. Ich wusste nicht ob das was ich vorhatte wirklich funktionierte, aber ein Versuch war es wert. Ich stellte mir vor, wie ich all die Erinnerungen in Form von Bildern dort hinein tat. Einer nach dem anderen wanderten sie dort hinein, bis sie voll war. Dann schloss ich sie ab und ließ den Schlüssel gedanklich verpuffen.

Ich fühlte zwar keinen Unterschied, aber ich glaubte fest daran, dass alles nun dort verstaut war. Ich würde keinen Gedanken mehr daran verschwenden, diese Nacht hatte niemals existiert. Die ganze Zeit über hatte ich neben Dante im Bett geschlafen und war nicht einmal aufgestanden. Mit diesen Gedanken überspielte ich die wahren Ereignisse und atmete einmal tief durch.
Abschließend verbot ich mir auch nur einmal wieder daran zu denken.
Genau in diesem Moment trat Dante heraus. "Gib mir zwei Minuten, dann können wir frühstücken gehen."
Ich nickte und nahm mein Handy von der Kommode, welches ich dort hingelegt hatte, bevor ich duschen gegangen war. Mein Akkustand war ziemlich niedrig, weshalb ich es zum Aufladen ans Kabel steckte.
Dante kam runter und nahm meine Hand. Die Stimmung zwischen uns war immer noch angespannt. Einerseits lag es an unserem Streit bezüglich der Verhütung und anderseits an mir. Ungewollt distanzierte ich mich von ihm, weil meine Schuldgefühle ansonsten nicht auszuhalten wären.
Doch ich ermahnte mich erneut nicht darüber nachzudenken, ich hatte keine Schuldgefühle. Es gab nichts für das ich welche empfinden müsste, also gingen wir Hand in Hand ins Esszimmer.

Valeria und Sergio saßen bereits am Tisch. Jeden Morgen, egal wie früh ich aufstand, die beiden saßen bereits am Tisch und tranken ihren Kaffee.
"Guten Morgen." Kam es gleichzeitig von Dante und mir. Valeria strahlte uns entgegen und stellte ihre Tasse ab. "Guten Morgen, wie geht es euch?"
"Gut." kam es erneut gleichzeitig von uns beiden. Ich sah kurz zu Dante, welcher sich müheselig ein Grinsen verkniff. Schon das zweite Mal, dass wir heute zur selben Zeit und das gleiche antworteten.
Sergio wandte sich an Dante und ich konnte an seinem Gesichtsausdruck bereits erkennen, dass er alles andere als glücklich war.
"Nach dem Essen will ich dich in meinem Büro sehen." Dante schnaubte bloß und griff nach einem Brötchen.
"Wenn es wieder um Alberto geht, dann können wir uns das sparen. Ich hab dir schon gesagt, dass ich ihn nicht wegschicke."
Sergio zerknitterte die Zeitung in seinen Händen und sah seinen Sohn wütend an.
"Du wusstes ganz genau, dass er hier nicht Willkommen ist und hast ihn trotzdem hergeholt!" Seine Stimme war dunkel und stark und ich zuckte leicht zusammen.
"Du willst ihn nicht hier haben, Vater. Ich lege viel wert auf seine Meinung."
Dieser Satz von Dante ließ die Ader auf Sergios Stirn hervortreten.
"Du suchst nicht einmal einen echten Cape aus, also für was brauchst du seine Meinung!" Donnerte er nun zurück und legte die Zeitung zerwühlt auf den Tisch.
"Wenn das alles so überflüssig ist, warum tun wir es dann? Du wolltest diesen Anwärterabend, nicht ich! Also leb damit."
Bevor Sergio etwas erwidern konnte, kam Valeria ihm zuvor.
"Es reicht! Ich will solche Gespräche nicht am Esstisch haben, dass wisst ihr genau. Klärt das im Büro! Der Rest des Hauses ist für die Zeit mit der Familie und nicht für die Geschäfte."
Ihr Mann sah sie entschuldigend an und faltete dann seine Zeitung wieder auf.

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