Kapitel LVII

5.3K 171 2
                                    

Geschockt legte ich auf. Sergio hatte also recht, meine Familie war schuld an dieser Situation. Ich legte mein Handy auf den Tisch und fühlte Riccardo wachsamen blick auf mir.
"Was ist mit dir? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen."
Ich schluckte und versuchte meine Stimme wieder zu finden, doch selbst, wenn ich einen Ton herausbringen könnte, wüsste ich nicht, was ich sagen sollte. Wie sag ich ihnen, dass sie von Anfang recht hatten und ich falsch lag. Auch wenn meine Familie Dante nicht entführt hatte, so waren sie dennoch der Grund für sein Verschwinden. Vlad sagte, dass die Waffen im letzten Jahr vernichtet wurden, also, als der Krieg zwischen unseren Familien ihren Höhepunkt erreicht hatte.
"Alles gut, sag mir lieber, was wir als nächstes machen sollen."
Mit der Schuld meiner Familie werde ich mich später auseinander setzten.
"Vielleicht sollten wir warten, bis Luca sich meldet. Die sollten gleich vor Ort sein."
Mein Gefühl sagt mir, dass sie Dante und Pablo nicht vorfinden werden. Wenn die Yakuza daran gedacht hatten die Aufnahmen zu bearbeiten, dann auch daran, die Handys los zu werden.
"Und wenn sie nichts finden, dann verlieren wir Zeit. Die beiden sind bereits seit sechs Stunden unauffindbar." Machte ich meinem Schwager druck, welcher auch so gleich einknickte.
"Gut, aber wir haben keinen weitern Hinweis, dem wir nachgehen könnten." Na so ganz stimmt das nicht.

"Was brauchst du, um ein Handy zu orten?" Riccardo zog misstrauisch eine Augenbraue nach oben. "Die Nummer, wieso?" Mein nächster Schritt könnte mehr als nur gewagt sein, aber wenn Luca ohne Neuigkeiten zurück kommt, dann blieb uns nichts anderes übrig. Ich musste irgendwie an Tai Nakamuras Handynummer kommen und Riccardo dazu bringen, ihn zu orten. Hoffentlich schafft er das diesmal schneller, als bei Dantes und Pablos Handys. Je länger ich darüber nach dachte desto sicherer war ich, dass das die beste Möglichkeit war, die beiden zu finden. Natürlich könnten wir auch mit der Kavallerie in das Gebiet der Yakuza stürmen, aber das letzte, was wir brauchen war ein Feuergefecht. Dante und Pablo könnten dabei verletzt werden oder die Yakuza zieht sich ins eigene Land zurück. Sollten sie noch in Italien sein, dann war ein ausgeklügelter Plan unsere beste Chance, die beiden da raus zu holen. Dafür musste der Plan aber absolut wasserfest sein.

Erneut klingelte ein Handy, doch diesmal war es Riccardos und nicht meins.
"Habt ihr was?" Riccardo sah zu mir und formte, mit seinen Lippen, Lucas Namen. Die Jungs müssten mittlerweile angekommen sein.
"Ja hab verstanden", gespannt sah ich ihn an.
"Ja gut." Er legte auf und machte sich wieder ans Tippen.
"Die Handys wurden dort nur entsorgt, von Dante und Pablo keine Spur", fasste er sein Gespräch mit Luca kurz für mich zusammen.
"Sie sind nun auf dem Weg zu einer Lagerhall von welcher Lorenzo von einem Kontakt erfahren hat. Sie melden sich, sobald sie etwas finden." Während der ganzen Zeit sah er nicht einmal vom Bildschirm auf.
"Was machst du?" Neugierig folgte ich seiner Maus.

"Ich zapfe die Kameras im Umkreis der Lagerhaus an. Die Jungs sind auf dem Weg dort hin, angeblich sollen Dante und Pablo dort festgehalten werden."
Ich sollte dort sein und nicht über einen Bildschirm zusehen. Aber wieder wurde mein versuch vom Stuhl aufzustehen von Riccardo vereitelt.
"Denk erst gar nicht daran!" Bittend sah ich ihn an, doch leider zeigte das nicht die gewünschte Wirkung.
"Sie werden erstmal das Lagerhaus auskundschaften und sicherstellen, dass sie wirklich da sind. Dann stellen sie einen Befreiungsplan zusammen und wenn du dann immer noch dort hin willst werde ich dich nicht aufhalten. Aber warte erstmal ab."

Geschlagen hob ich meine Hände in die Luft, als Zeichen, dass ich es so schnell nicht wieder versuchen würde.
Riccardo fing wieder an zu tippen und ich sah ihm dabei zu.
Das monotone Geräusch der Tastatur und das grelle Licht des Monitors ließen meine Augen schwer werden. Ich kämpfte gegen den Drang an sie zu schließen, entschied mich aber dann dazu sie für einige Minuten ausruhen zu lassen.

"Anastasia", jemand rüttelte an meiner Schulter. "Anastasia", wieder dieses nervige Geräusch.
"Wach auf, es geht gleich los." Meine Augen waren immer noch geschlossen und mein Geist tauchte immer wieder ab.
"Noch fünf Minuten", nuschelte ich kaum merklich. Ich war kurz davor wieder in meine Traumwelt abzuleiten, als Riccardo die nächsten Worte sagte.
"Sie stürmen gleich die Lagerhalle." Lagerhalle? Wo von redet er?

Plötzlich riss ich meine Augen auf. Dante!
Ich setzte mich aufrecht hin und rieb mir den Schlaf aus den Augen.
"Wie spät haben wir es?" Riccardo saß immer noch neben mir und starrte auf den Bildschirm.
"Sechs Uhr."
Was? Ich hab fünf Stunden geschlafen und nicht nur fünf Minuten.
"Wieso hast du mich nicht früher geweckt?"
Ich sah nun auch zum Bildschirm, auf welchem mehrere Fenster geöffnet waren, von denen zwei schwarz waren und die anderen zeigten das Lagerhaus von der Straßenansicht aus.
"Du brauchtest etwas Schlaf, außerdem ist noch nichts passiert. Luca und die anderen haben das Lagerhaus observiert und auf Verstärkung gewartet."
Bitte Gott, hoffentlich war mit Dante und Pablo alles im Ordnung und die Jungs holen sie sicher da raus.

"Hier nimm das." Riccardo gab mir einen Innenohrstöpsel. "So können wir die Einheiten hören."
Ich steckte mir den Stöpsel ins Ohr und konzentrierte mich wieder auf den Monitor.
"Im Lagerhaus gibt es keine Kameras, also werden sie blind rein gehen müssen. Sobald sie ihre Helmkameras anmachen bekommen wir ein Bild."
Das erklärt die noch schwarzen Fenster auf dem Bildschirm.
"Wann gehen sie rein?"
Meine Ungeduld wuchs mit jeder Sekunde.
Mein Kopf wurde überflutet mit Fragen, wie es ihm ging? Ob er Schmerzen hatte?
Ob er noch lebte?!

"Luca sagte in zehn Minuten."
Die Zehn Minuten waren die längsten in meinem Leben.
Als dann endlich Lucas Stimme in meinem Ohr ertönte, atmete ich wieder ein. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte.
"Wir sind bereit, gehen jetzt rein."
Zur gleichen Zeit wurden die Kameras eingeschaltet und wir erhielten die Bilder.
Zusehen war der Eingang und ich schätze der Ausgang. Sie werden von vorne und hinten gleichzeitig angreifen.
Draußen war es noch recht dunkel, weshalb die einzige Lichtquelle die Taschenlampen am Helm der Männer war.

Riccardo und ich sagten kein Wort, sondern sahen wie hypnotisiert auf den Bildschirm. Wir trauten uns kaum zu atmen.
"Sturm!" Mit diesen Worten wurden die Türen zur selben Zeit aufgetreten und die Männer stürmten hinein. Alles was man hören konnte waren die schweren Schritte unserer Jungs.

Plötzlich entstand ein riesiges Chaos und man konnte kaum etwas erkennen.
"Der rechte Flügel ist leer." Erneut ertönte ein Durcheinander von Schrittgeräuschen, bis sich der nächste meldete.
"Hinten alles leer." Sekunden später kam eine weitere durchsage.
"Oben ist alles sauber, niemand ist hier."
Mein Herz beschleunigte sich.
Als letztes erklang Lucas Stimme.

"Hier ist niemand! Die Lagerhalle ist leer."

Ace of HeartsWhere stories live. Discover now