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Taehyung PoV

„K-Kann ich dir helfen?"

Vollkommen überrumpelt hob ich meinen Kopf.

Ich wusste nicht wie lange ich nun auf der Treppe vor unserem Haus sass, aber scheinbar verdammt lange, denn es war nun wirklich stockdunkel und es regnete immer noch, was erklärte, weshalb ich langsam kalt bekam.

Meine Gedanken waren total abgeschweift. Ich habe an Jimin gedacht, an meine Eltern, an meine neue Schule, ob ich da Freunde finden werde.
Davor hatte ich fast am meisten Angst, denn ich war sonst schon immer alleine, also konnte ich es kaum ertragen, auch noch in der Schule einsam zu sein. Das war einfach nichts für mich.

Ich konnte zwar Englisch, wir hatten das in der Schule und meine Mutter hatte mich zu etlichen Kursen verdonnert, doch trotzdem fürchtete ich, dass ich mich zu wenig mit den Anderen verständigen konnte.

Was war wenn sie mich nicht richtig verstanden oder ich sie und sie dann über mich lästerten, mich veraschten oder so etwas in der Art?

Ich war so versunken in meinen Problemen, dass ich gar nicht bemerkt hatte, wie ich anfing zu weinen.

Und genau wegen diesen Tränen und dem leisen Schluchzen hatte ich wohl irgendein Typ angezogen, der nun vor mir stand und mir helfen wollte.

„Tut mir Leid, ich meinte natürlich: Can I help you?" , redete er weiter und ich bemerkte erst jetzt, dass er ja zuvor Koreanisch gesprochen hatte.

Ich fuhr mir kurz durch die Haare und richtete mich auf, um den Jungen besser betrachten zu können.

„Schon okay, ich hab dich verstanden", gab ich zurück und lächelte schief.

Der Junge lächelte ebenfalls und ich wusste nich an was es lag, aber irgendwie fühlte es sich an, als strahlte er richtig. Er trug einen schwarzen Pulli, dessen Kapuze hochgeschlagen war, darunter erkannte man aber noch die Spitzen seiner braunen Haare. Die wiederum bedeckten zum Teil seine braunen Augen, die mir entgegenstrahlten, als sei ich das erste Wesen, dass sie je gesehen haben.

Ich war nicht der Typ, der darüber nachdachte wie Menschen aussahen. Ich beachtete dies einfach nicht, es war mir egal.

Aber er... Er war wirklich wunderschön. 

„Oh okay. Ich habe dich nur weinen gehört und d-dachte, dass du vielleicht Hilfe benötigst", sagte er nun und wandte seinen Blick auf den Boden.

Er sah unglaublich verletzbar und unschuldig aus.

„Danke, ich denke ich komm klar", antwortete ich, immer noch total gefangen von seinem Anblick.

„Okay, d-dann gehe ich jetzt wieder", murmelte er und wollte sich bereits wieder wegdrehen, als ich praktisch aufhüpfte und seine Hand packte.

„Nein! Ich meine, du darfst schon hierbleiben. Jemand der mit mir redet, wäre vielleicht nicht schlecht", probierte ich ihn aufzuhalten.

Sag mal Taehyung, was genau soll das hier werden?

Du triffst also einfach so einen Typen auf der Strasse, der dich ausrauben, ermorden oder weiss Gott was könnte und du hast echt nichts Besseres zu tun, als ihn auch noch einzuladen bei eisiger Kälte vor deinem Haus zu sitzen und einfach nur zu reden?!

Was soll das hier sein?
Eine Reality-Show?

„Ich... Ähm... Ja, wieso nicht", stotterte der Junge und löste seine Hand wieder von meiner.

Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich sie immer noch hielt.

Zitternd setzte er sich neben mich und für einen Moment herrschte absolute Stille, nur das Plätschern des Regens war zu hören. Ohne es verhindern zu können, begann ich ihn erneut zu mustern. Es gab etwas, was herausstach an ihm, aber irgendwie wollte mein Gehirn es nicht richtig erkennen.

Ich wusste, das etwas anders war, aber ich wusste nich was.

„Wieso hast du geweint?", fragte er plötzlich und befördete mich damit raus aus meiner Schockstarre.

Er wandte sein Gesicht immer noch von mir ab.

„Dafür gibt es mehrere Gründe", antwortete ich nur und fuhr mir durch die, mittlerweile total nassen, Haare.

Eigentlich hatte ich nicht vor, ihm gerade meine gesamte Lebensgeschichte zu erzählen. Ich kannte ihn schliesslich nicht.

„Na gut, dann erzähl sie mir doch", meinte er und drehte den Kopf wieder zu mir. Ein leichtes Lächeln hatte sich auf seinem Gesicht ausgebreitet, was ihn nur noch schöner wirken liess.

„Es steckt eine lange Geschichte hinter jedem und dafür haben wir keine Zeit. Sonst erfrieren wir hier noch."

Zugegebenemassen war es eine kleine Ausrede, so komplitziert waren die Gründe schliesslich nicht, aber ich wollte ihm meine Probleme nicht aufdrängen. Schon gar nicht, wenn ich nicht einmal eine Ahnung hatte, ob ich dem Typ vertrauen konnte.

„Du hast recht", meinte er und schaute mich direkt an, was mich irgendwie verunsicherte. Seine Augen durchbohrten mich richtig.

„Aber... Lass uns doch erst mal ganz anders beginnen."

Der Braunhaarige stand auf und strich sich die schwarze Hose glatt, ehe er sich zu mir wandte und mich erwartungsvoll anschaute.

Wollte er, dass ich jetzt aufstand?

Vorsichtig erhob ich mich ohne den Junge aus den Augen zu lassen, was wirklich schwierig war, da die ganze Zeit Regentropfen von meinen Haaren in meine Augen liefen.

„Ich bin Jeon Jungkook. Freut mich dich kennenzulernen", sagte er und streckte mir dabei grinsend die Hand entgegen.

Das war total verboten, was ich hier tat.

Dieser Gedanke raste durch mein Bewusstsein, wie ein Pfeil, der alles, was mich einigermassen glücklich machte, zerstörte.

Meine Eltern haben mir immer wieder eingetrichtet, dass ich mich nur mit Leuten auf unserem Niveau unterhalten sollte. Mit Leuten, die genauso reich, erfolgreich und gutaussehend waren. Die die gleichen Sportwagen, die gleichen Häuser und den gleichen Schmuck, wie wir besassen.

Das tat Jungkook nicht.
Er kam ganz sicher nicht aus diesem Viertel.
Jeder erkannte das, denn die Jeans, die er trug war verdreckt und an den einen Stellen zerrissen, was eine Person aus der oberen Schicht nie tragen würde. Sein Kapuzenpulli hatte Löcher und stammte vermutlich aus irgendeinem gammligen Laden, genauso wie seine Schuhe, die bereits abgenutzt waren.

Also gehörte er nicht zu den Leuten, die ich treffen durfte.

Aber wer steht denn nicht auf Verbotenes?

Lächelnd schüttelte ich seine Hand.

„Kim Taehyung. Die Freude ist ganz meinerseits, Jungkook."

porcellan | vkookWhere stories live. Discover now