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Jungkook PoV

Schreie. Rufe. Schmerzerfülltes Stöhnen.
Ich wand mich auf die andere Seite des Bettes, zog die Decke über den Kopf. Doch nichts hörte auf. Kein Ton wurde weniger. Es wurde nur lauter.
Die polternden Schritte meines Vaters.
Vorsichtig stand ich auf, die Decke noch in der Hand, als könnte sie mich schützen. Dunkelheit umgab mich, kaum konnte ich die Hand vor Augen sehen. Das Fenster war ein wenig offen, frische Luft wirbelte durch das Zimmer, brachte die Kälte mit sich.
Ich zitterte.
Den Schreien folgend begab ich mich auf den Flur, ich sah die Nachttischlampe meiner Mutter. Ich sah ihr Gesicht. Sie hatte die Augen zusammengepresst, klammerte sich an das verschwitzte Bettlaken, ihr klebten Haarsträhnen in die Stirn. Ihre Haut wirkte aschfahl, beinahe durchsichtig. Sie sah mich an. Ihre Augen sahen kalt aus... Fast als wären sie tot.

Laut aufatmend schlug ich die Augen auf, sass kerzengerade im Bett. Die Schreie hallten noch durch meinen Kopf, ich konnte diesselbe Angst verspüren, die Angst vorm Alleinsein.

Ich probierte mich zu orientieren, mein Atem ging schnell, meine Hände zitterten. Ich hatte kalt, doch meine Haare klebten mir im Nacken.

Eine Hand legte sich auf meinen Rücken, ich zuckte zusammen, ehe ich langsam wieder zu mir kam.

„Kookie? Hase? Alles gut?", wurde ich leise gefragt, als mein Freund sich auch aufrichtete und mehrmals blinzelte, um mich richtig ansehen zu können. „Hast du wieder geträumt?"

Ich nickte nur, fuhr mir durch die verklebten Haare und probierte wieder regelmässiger zu atmen, nicht so keuchend. Meinen Puls zu beruhigen, war gerade oberste Priorität.

Taehyung seufzte leise und zog mich schnell näher zu sich. Er schlang seine Arme um meinen Oberkörper, rutschte ein wenig hoch und lehnte sich ans Kopfende. Währenddessen hatte ich mich schon an seine Brust gekuschelt, war nahe an ihn gerückt und schloss meine Augen wieder. Vielleicht konnte ich es so schaffen, die Bilder erneut aus meinem Gedächtnis zu verbannen.

„Alles ist gut, Kookie. Ich bin bei dir, ich lass' dich nicht allein", flüsterte Tae in die Stille, hauchte ein Kuss auf meine Stirn und lehnte seinen Kopf gegen meinen. Sein Griff um meine Taille wurde stärker.

Ich liebte ihn dafür, wie gut er damit umgehen konnte. Obwohl ich wusste, wie sehr er eigentlich an Schlafmangel litt, nahm er sich jedes Mal Zeit für mich, auch mitten in der Nacht. Andere hätten mich kurz gedrückt und hätten dann weitergeschlafen, aber Tae nicht.

Er blieb so lange wach, bis ich irgendwann einschlief. So lange hielt er mich im Arm. So lange flüsterte er mir irgendwelche beruhigenden Worte zu oder summte vor sich hin.

„Es war nur ein Traum, Hase. Das ist vorbei. Du bist hier bei mir, ich pass auf dich auf."

Ein wenig musste ich schmunzeln, als ich mich noch näher an ihn schmiegte und meine Wange im Stoff seines unglaublich weichen Pullis vergrub. Augenblicklich kam die beruhigende Wirkung seines Geruchs zurück, ich merkte, wie mein Körper wieder begann runterzufahren.

Meine Hände wurden von einer Hand Taehyung's umschlossen, so dass sie weniger zitterten. Die Andere war in meinen Haaren vergraben.

Ich wusste nicht, ob ich diese Bilder irgendwann loswerden würde. Ob ich jemals darüber hinweg kommen würde. Ob ich es jemals vergessen könnte.

Aber ich wusste, dass ich sie zumindest für eine Zeit überwinden konnte. Mit Taehyung an meiner Seite schaffte ich eigentlich alles. Er gab mir die Sicherheit, er glaubte an mich, er verlieh mir neue Kraft.

Und diese Nacht war nur ein weiterer Beweis dafür, wie sehr ich ihn brauchte.
Und wie gut er mir tat.

Ich döste ein, irgendwann und direkt in Tae's Armen, bis ich dann schlussendlich ganz abdriftete, mit Tae's Stimme im Ohr und einem leichten Lächeln auf den Lippen.

porcellan | vkookKde žijí příběhy. Začni objevovat