~19~

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Jungkook PoV

Bitte, sag mir, dass ich nicht zu spät komme.
Bitte, Universum, tu mir das nicht an.

Halt durch, halt einfach durch.

Ich sprintete durch die Strassen, schlitterte um die Ecken der Gassen, immer weiter weg von der schönen Innenstadt, immer weiter raus ins Verderben.

Es tat weh.
Nicht nur die Tatsache, dass ich Tae einfach stehen gelassen hatte, viel eher die Tatsache, dass ich ihm schon wieder nicht helfen konnte.

Wieso tat er sich das immer an?
Wieso konnte er nicht aufhören?
Merkte er nicht, wie sehr er sich selbst und auch mich damit zerstört?

Ich rutschte beinahe auf dem nassen Asphalt aus, wich einer älteren Dame aus, die mir daraufhin Fluchwörter an den Kopf warf, doch ich kümmerte mich nicht darum. Ich musste einfach weiterrennen, eine andere Wahl hatte ich nicht.

Also trugen mich meine Beine weiter in Richtung der Häuser am Rande der Stadt.

Die Nacht wurde kühler, ich bildete mir bereits ein, ein paar Regentropfen auf meinem Gesicht zu spüren. Meine Haare klebten mir an der Stirn und ich konnte nur daran denken, wie gerne ich wieder in Taehyung's Armen im Café sitzen würde.

Aber ich konnte nicht. Er war einfach so viel wichtiger im Moment, auch wenn mich Schuldgefühle plagten.

Tae wird es verstehen, er muss es einfach verstehen.

Ich konnte mir nicht erlauben, noch mehr Menschen in meinem Leben zu verlieren. Irgendwann würde ich so selbst draufgehen.

Szenen verfolgten mich, Szenen, die vor gut zwei Monaten statt gefunden hatten. Sie liessen mich nicht los, das tuen sie nie.

Wenn das erneut passierte, wäre es gut möglich, dass ich einfach an Ort und Stelle zusammen brechen würde.

Trotzdem war mir bewusst, dass das nie eintreffen könnte. Ich zwang meinen Körper viel zu sehr dazu, immer weiter zu machen. Egal, was mich erwartete und egal, wie erschöpft ich war.

Mittlerweile hatte ich die alten Backsteinhäuser erreicht, gleich neben Notting Hill und somit würde es nicht mehr lange dauern.

Die farbigen Häuser waren in meinem Rücken, die Strasse vor mir wurde zerrissener, unaufgeräumter und schmaler.

Bald erkannte man die hohe, beigefarbener Fassade, die mehr und mehr zerbröckelte und voller Graffitis war.

Sie wirkte wie ein grauenhaftes, riesiges Loch in der alle Träume versinken, mehr und mehr in den Abgrund gezogen werden.

So wie auch meine Träume, meine Pläne von der Zukunft. Sie waren unter diesen Gebäuden begraben worden, meine Hoffnung auf Besseres genauso.

Alles schien einfach in dieser grässlichen, düsteren Atmosphäre zu versinken, so dass nur die finstere, alte Stimmung zurückblieb, die Einem jedes Mal von innen auf zu fressen schien.

Ich stürmte weiter, links, rechts und nochmals rechts. Um die Bank herum, über die Hecke drüber. Dem Loch im Asphalt ausweichen und ein einfacher Sprung über den Stein, auf dem Weg vor mir.

Er war erschreckend, wie gut ich jedes Detail dieser Siedlung kannte, wie einfach es für mich schien, mich hier zurechtzufinden und wie eingebrannt mir jedes Detail war.

Durch unsere Streifzüge früher, die oft mitten in der Nacht stattfanden, kannte ich diese Gegend auch im Dunkeln. Wahrscheinlich könnte ich sogar blind den Weg finden.

Halt durch. Ich bin gleich da.

Die Worte kamen mir wieder ins Gedächtnis, der Anruf, seine brüchige Stimme.

porcellan | vkookWhere stories live. Discover now