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• J A C K S O N •

Etwa 10 Minuten sind vergangen seit Miles weg ist. Ich sitze hier auf diesem Stuhl und genieße die Stille um mich herum, die allerdings nicht mehr lange anhält.
Schon bevor meine Mutter auch nur in Sichtweite ist, höre ich sie an ihren hohen Schuhen, die sie immer bei der Arbeit trägt und nun den Gang entlang gestöckelt kommt.
Sie kommt um die Ecke, wirft mir einen wütenden Blick zu und verschwindet dann kurz im Sekretariat. Wahrscheinlich will der Direktor auch kurz mit ihr reden. Soll er sich doch bei ihr ausheulen.

Miles Worte gehen mir nicht mehr aus dem Kopf. Bis jetzt hat es noch nie jemand geschafft, dass ich so sehr über etwas Gesagtes nachdenken musste. Aber, wenn es die anderen wirklich stören würde, würden sie etwas sagen, oder?
Wahrscheinlich ist er einfach nur zu neidisch auf meinen Stand in der Gesellschaft. Genau, das muss es sein.

Ein Ruck an meinem Arm holt mich aus meinen Gedanken. Mit wütendem Blick schaut mir meine Mutter in die Augen, während sie mich hochzieht. Doch ich meine, auch eine Spur Enttäuschung dort zu sehen. Ich weiß, Mum. Menschen zu enttäuschen ist das, was ich am besten kann.
Auf dem Weg zum Auto redet keiner ein Wort und auch während der Fahrt ist es still. Erst, als wir vor meiner Wohnung halten und meine Mutter das Auto ausstellt, weiß ich, dass es gleich losgeht.
''Was haben wir falsch gemacht Jackson?'', fragt sie. Doch statt dem erwarteten Wutausbruch ist ihre Stimme leise. Das ist das erste Mal seit gefühlten Jahren, dass sie Tränen in den Augen hat, als sie mich ansieht. Ich muss wirklich eine einzige Enttäuschung sein. Früher hat sie mich immer nur angeschrien, selbst dann, als sie mich rausgeschmissen haben. Keine Reue war in ihrem Gesicht. Ich hätte damals eher wetten können, dass sie sich sogar gefreut hat.
''Kein Tag ist seit Beginn des Schuljahres vergangen, wo du nicht irgendjemanden verprügelt hast! Klar, du wolltest Emma gestern helfen, aber ich glaube wir haben dir früh genug beigebracht, das Gewalt keine Lösung ist! Jackson, was ist mit dir passiert?'', während sie den ersten Teil Schreit, flüstert sie den zweiten nur noch.
''Es tut mir leid'', ist das Einzige, was ich darauf erwidere, während ich gefühlt immer mehr in den Sitz rutsche. Ich weiß nicht, wieso ich so bin, wie ich bin. Vielleicht wünsche ich mir in meinem Inneren einfach Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit, die ich früher durch Em nicht mehr bekommen habe. Ich stand immer am Rand, war immer zweite Wahl. Emma ist die Prinzessin und ich der Teufel.
Sie zieht ihre Nase hoch, bevor sie mich wieder anschaut. ''Steig aus. Freitag ist das Abendessen und danach will ich, dass du dich nicht mehr so oft mit Emma triffst.'' Ihre Worte schocken mich. Bin ich wirklich so ein schlechter Mensch?

Angespannt steige ich aus, ohne noch ein Wort zu sagen und laufe den Weg zu dem Hochhaus, in welchem ich ganz oben in einem Penthouse wohne. Warum auch immer meine Eltern mir das bezahlen.
Die Fahrt mit dem Aufzug kommt mir heute unendlich lang vor.
Oben angekommen, schließe ich meine Tür auf und kicke meine Schuhe zur Seite, bevor ich mich im Wohnzimmer auf dem Sofa niederlasse. Mit den Händen fahre ich mir durch mein Gesicht.
Was für ein Tag. Wer hätte gedacht, dass er so furchtbar endet?

Während ich etwas später Rick & Morty suchte, klingelt es plötzlich an meiner Tür. Ohne zu schauen, wer davor steht, öffne ich diese und blicke direkt in Logans besorgtes Gesicht.
War ja klar, dass er es auch mitbekommen hat. Die ganze Schule hat davon gehört. Aber eigentlich kann mir das egal sein, denn niemand wird sich trauen auch nur ein Wort zu sagen. Ich habe mir lediglich noch mehr Respekt durch diese Aktion verschafft.
Ich bitte Logan herein, ehe er sich auf das Sofa setzt, auf welchem ich nun auch wieder platznehme.
''Ist alles in Ordnung bei dir? Du wirkst in letzter Zeit so gereizt'', Logan spricht leise und einfühlsam mit mir. Ich weiß, dass er es nicht böse oder vorwurfsvoll meint. Er meint es als ein Freund. Ein Freund, der ich wahrscheinlich niemals sein werde. Das wird mir gerade erst bewusst, als mir Miles Worte wieder in den Sinn kommen.
''Ich hab einfach gerade das Gefühl, dass ich zu nichts Anderem in der Lage bin, als Ärger zu machen. Meine Mum hat mir praktisch verboten mich mit Emma zu treffen, um sie vor mir zu schützen. Du weißt, wie sehr ich sie liebe Logan'', ich seufze und Blicke anschließend zu Logan, der mich aufmerksam ansieht. Vorerst ohne ein Wort zieht er mich in seine Arme und klopft mir mehrmals auf den Rücken.
''Hör mal. Jeder hat schwierige Phasen in seinem Leben und du hast halt vielleicht gerade deine. Du probierst nun mal gerne aus und hältst Grenzen nicht immer ein, aber das ist doch völlig normal. Jetzt sind wir in einem Alter, wo es darum geht Dinge auszuprobieren und diese sind halt nicht immer gut. Jetzt können wir richtig Leben und nicht dann mit achtzig, wenn uns vielleicht schon die ersten Zähne ausfallen und wir nur noch mit einem Gehstock laufen können. Und ja, du bist manchmal echt ein richtiges Arschloch, aber genau das lieben wir doch alle so an dir. Wenn es darauf ankommt, und nicht nur dann, aber besonders dann bist du ein wahnsinnig guter Freund, den man nicht missen will. Wir halten immer zusammen Jacks, egal, was passiert. Du bist perfekt, so wie du bist. '', er drückt mich noch einmal fest an sich, bevor er mich dann loslässt und mich aufmunternd ansieht.
''Ich bin manchmal ein richtiges Arschloch?'', hinterfrage ich und ziehe die Augenbrauen nach oben. Welche Situationen meint er jetzt genau?
''Na gut, nicht manchmal. Eigentlich immer'', ernst schaut er mich an, bevor er beginnt los zu prusten. ''Idiot'', murmle ich, bevor ich das erstbeste Kissen auf dem Sofa nehme und ihm damit ins Gesicht schlage.
Aus der ganzen Sache entwickelt sich mit der Zeit eine richtige Kissenschlacht, bis wir irgendwann außer Atem am Boden liegen.
Ich bin froh, Logan damals im Kindergarten kennengelernt zu haben. Denn er ist der Freund, der immer für mich da ist, der mir immer zuhört, der mir am wichtigsten ist und der mich versteht.
Er akzeptiert mich zu 100% so, wie ich bin.
Die Anderen können mich alle mal.
Niemand wird es schaffen, mich zu ändern, damit ich ihm besser gefalle.

Real me [BoyxBoy] + Cupid42hearts Where stories live. Discover now