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• M I L E S •

Schlechte Dinge passieren, böse Leute gibt es, guten Menschen passieren schlimme Dinge... so ist das Leben.

Wenn man es einmal geschafft hat, das zu akzeptieren, macht das vieles einfacher.
Klar kann ich rumjammern, heulen, schreien, weinen, mich fragen, wieso ausgerechnet ich, aber was würde das schon bringen? Ändern könnte ich dadurch rein gar nichts, außer, dass ich die Verzweiflung in meinem Inneren zulassen müsste. Also tue ich, was ich am besten kann. Ich täusche. Ich täusche alle Menschen um mich herum, ich täusche meine Eltern, ich täusche meine Brüder, ich täusche meine Freunde und ich täusche den Jungen, den ich über alles liebe. Aber trotzdem, glaube ich, am meisten täusche ich mich selbst.

Es gibt Momente, in denen weiß ich, dass nicht alles gut ist. Dass ich mir das nur einrede, um irgendwie damit klarzukommen. Ich weiß, dass ich mit jemandem darüber sprechen sollte. Ich weiß, dass sie mir zuhören würden. Aber ich weiß nicht, was ich sagen soll. Also schweige ich.
Ich bin der, der am lautesten lacht, wenn er merkt, dass ihm die Tränen kommen. Der, der Witze reißt, während er vernichtende Gedanken hat. Der, der glücklich ist, obwohl es sich anfühlt, als sei er gar nicht mehr am Leben.

Ich bin eine Täuschung und das ist das einzige, was es mir möglich macht, jeden Morgen aus dem Bett aufzustehen, mich fertig zu machen und zur Schule zu gehen. Seit zwei Wochen.
Ich bin jedes Mal so unendlich stolz auf mich, wenn man mir mein Getue abkauft, meine Scherze, mein Lächeln. Gleichzeitig bin ich enttäuscht, weil keiner es bemerkt. Aber wie sollten sie denn auch? Ich bin der geborene Lügner.

Klar waren meine Freunde und Familie sehr besorgt nach meinem „Kreislaufkollaps". Sie umsorgen mich heute noch, fast so als fühlten sie sich schuldig. Einzig Logan weiß, dass mehr dahintersteckt. Er war es, der mich gefunden hat, bewusstlos, blutend und alleine auf dem dreckigen, kalten Fußboden der Umkleidekabine, in der ich zusammengebrochen bin. Er war es, der den Krankenwagen gerufen hat, von dem aber keiner etwas mitbekommen hat, weil die Aufmerksamkeit aller auf dem Spiel lag. Er war es, der die drei Tage und drei Nächte, die ich im Krankenhaus verbrachte habe, immer bei mir war. Er war nicht mal zu Hause, um sich umzuziehen, er ist nur gegangen, um aufs Klo zu gehen oder sich etwas zu essen zu holen. Ansonsten war er immer bei mir, obwohl ich kein Wort darüber verloren habe, was passiert ist. Ich glaube nicht, dass er etwas ahnt. Ich glaube, er ist einfach nur viel zu sensibel und macht sich große Sorgen.

Jack war da. Das hat mich so unfassbar wütend gemacht. Als er dasaß und meine Hand hielt, wollte ich nichts lieber als ihm eine zu donnern, ihn anzuschreien, zu weinen. Aber ich habe nichts davon getan, ihn einfach nicht beachtet, solange bis er gehen musste, weil die Besuchszeit vorbei war.

Logan blieb im Aufenthaltsraum des Krankenhauses, aber er hat mir nie gesagt, ob Jack bei ihm geblieben ist.
Ich denke nicht. Wieso auch? Die beiden meiden sich noch immer. Sie beleidigen sich zwar nicht mehr und schauen sich auch nicht mehr so böse an, aber sie beachten sich auch nicht wirklich.

Es tut so weh, sie so zu sehen und zu wissen, dass ich eigentlich der Hauptgrund dafür bin. Damals, als ich neu an die Schule kam, kümmerte sich Logan sofort um mich. Klar nutzte er es aus, um seinen ohnehin schon bestehenden Problemen mit Jack aus dem Weg zu gehen, aber trotzdem war ich es, der einen noch größeren Keil zwischen sie getrieben hat, wenn auch ohne es beabsichtigt zu haben.

Wenn ich nicht gewesen wäre, hätte Logan vielleicht doch mit Jack über Emma geredet und jetzt wäre alles super.
Ich weiß es nicht, ich weiß gar nichts mehr. Das einzige, was ich tue, ist einen Tag nach dem anderen zu überstehen. Ich versuche gar nicht mehr, ihn zu leben, ich möchte nur noch überleben.

Heute in der Mittagspause zwischen dem Unterricht und dem Footballtraining, bin ich in die Stadt ins Café gegangen, in dem ich des Öfteren mit Jack war. Wir haben hier auch mal gearbeitet und sind ihm weiterhin als Kunden treu geblieben.
Ich komme oft her, wenn ich nachdenken möchte, mich erinnern an die Zeit, als ich ihn noch ohne Zweifel meinen festen Freund nennen konnte.
Ich weiß nicht, was aus uns geworden ist oder was genau dazu geführt hat, aber obwohl es keine offizielle Trennung gab, bezweifle ich, dass wir noch zusammen sind. Ich meine, wir reden ja kaum miteinander und wenn sich unsere Blicke mal begangene, dann sehe und spüre ich nichts als Schmerz.

Real me [BoyxBoy] + Cupid42hearts Where stories live. Discover now