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• M I L E S •

Fragt mich nicht wieso, aber irgendwie bin ich heute etwas nervös, als ich morgens über den Schulhof laufe.
Ich fand es gestern echt cool mit Jackson, zumindest nach unserer kleinen Diskussion über seine ach so tolle Beziehung.
Immer, wenn wir alleine sind, kommt er mir wie ein komplett anderer Mensch vor. Er ist dann ehrlich, sagt mir, was er denkt, was meistens echt interessante Gedanken sind, und wirkt allgemein viel offener. Ich mag das.
Manchmal kommt es mir so vor, als hätten Jackson und ich echt... naja ich will nicht sagen eine Verbindung... wir sind auf derselben Wellenlänge, wenn wir es beide zulassen.
Es ist gut, dass er in einer Beziehung und somit tabu für mich ist.
Wenn ich mir das einfach immer weiter und immer wieder vor Augen halte, laufe ich schon nicht Gefahr, mehr in all das hineinzuinterpretieren.

Logan kommt heute, wie jeden Morgen, wenn wir nicht zusammen zur Schule kommen, weil wir uns schon vorher getroffen oder übernachtet haben, zu mir, um mich zu umarmen.
Was mich überrascht, ist, dass Jackson ebenfalls dazu kommt, Logan und mich jeweils an den Oberarmen packt und hinter das Schulhaus zieht. Hier befindet sich eine kleine Gruppe an etwas jüngeren Schülern, wohl so um die 15, aber Jackson muss nur einmal zischen und sie sind weg.
Lustig, wenn man mal weiß, dass er eigentlich richtig sensibel und lieb sein kann.
„Was ist los, Mann?", fragt Logan sofort besorgt.
Jackson schaut noch, dass wir wirklich alle alleine sind und lässt dann mit einem Seufzen seine Maske fallen. „Meine Mum war gestern bei mir..."
Logan richtet sich sofort auf, so als wäre er bereit zu einem Kampf.
Ich für meinen Teil, schaue nur abwartend.
„...Sie hat mir gesagt, dass mein Erzeuger meine Wohnung gekündigt hat. Ich soll in drei Monaten raus sein. Alice meinte, ich soll mich jetzt schon nach was Neuem umschauen und, dass sie mir nicht helfen kann..." Er schnaubt leicht. „Als würde sie, wenn sie könnte."
Er schüttelt dabei den Kopf, als könnte er das nicht glauben und schaut dann auf, Logan ins Gesicht. „Ich bin mir sicher, dass Richard davon nichts weiß. Er hätte mich ins kalte Messer laufen lassen."
Jackson verschränkt die Arme, Logan seufzt und rauft sich die Haare, ich sehe Jacks verwirrt an. „Wer ist Richard nochmal?"
„Mein Erzeuger."
Ah, ok.
„Was machen wir jetzt?", hakt Logan nach. „Ich meine, du weißt, dass du jederzeit zu mir kannst, aber meine Eltern werden ausrasten, wenn sie erfahren, dass wir überhaupt noch was miteinander zu tun haben. Nicht, dass mich das davon abhalten würde, dir zu helfen, ich will einfach nur nicht, dass sie uns umbringen..."
Jackson nickt seufzend. „Schon okay. Ich verstehe das."
„Wieso das ganze?", will ich wissen. Was ist denn jetzt schon wieder los?
„Unsere Erzeuger hatten vor gefühlt tausend Jahren mal geschäftliche Differenzen. Eigentlich sollen wir gar nicht mehr befreundet sein... Aber nenn mir doch mal einen guten Grund, diese Scheiße zu befolgen." Jackson sieht angespannt aus, als er das sagt.
Wortlos geht Logan zu ihm, umarmt ihn kurz. Als er ihn wieder loslässt, klopft er ihm auf die Schulter. „Hei, Mann, wir machen das schon irgendwie. Kannst du zur Not nicht zu Jordan?"
Jackson schnaubt, schüttelt den Kopf. Er sieht verletzt aus. „Er war da, als Alice auch da war und hat alles mitbekommen. Als Alice vorgeschlagen hat, dass ich ja zu ihm kann, ist er fast ausgerastet. Er hat ihr einen Vortrag gehalten und irgendwas geschwafelt davon, dass es ja unter aller Sau ist, von ihm zu verlangen, die Notlösung für alles zu sein..."
Er wirkt so enttäuscht, als er das sagt. Genau das ist es, was beweist, dass Jordan ihm wirklich etwas bedeutet. Jacks begreift langsam aber sicher, dass er ihm nicht gut tut, dass er nicht der gute Freund ist, für den er sich ausgibt und weil Jackson ihn so mag, ist er auch derjenige, der jetzt darunter leidet.
„Wir sollten dir vielleicht einen Job suchen, mit dem du eine Wohnung finanzieren kannst", schlage ich Jackson vor.
„Wir?" Er schaut mich unsicher an.
Ich schmunzele leicht und zucke mit den Schultern. „Ja, ich sollte eigentlich schon lange einen Job haben, aber bin einfach zu faul, um mir einen zu suchen. Wir können das gemeinsam machen. Und wenn das nicht klappt, dann finden wir schon eine andere Lösung. Aber auf der Straße landen wirst du auf jeden Fall nicht, keine Sorge."
Jackson lächelt leicht, trägt Dankbarkeit in seinem Blick, doch sagt nichts.
„Wirft er Pillenverkauf nicht viel ab?", will Logan wissen.
Jackson verzieht das Gesicht. „Mal so mal so. Aber zum Leben reicht das auf keinen Fall. Das reicht gerade, um meinen Handyvertrag zu finanzieren."
Logan nickt verstehend.

Genau in diesem Moment ertönt die Klingel, die uns ins Schulhaus bittet.
Natürlich denke ich noch viel darüber nach. Jackson ist mein Freund und ich will ihm helfen.
Am Nachmittag habe ich eine Therapiestunde, aber so richtig bei der Sache bin ich da nicht. Ich meine, ich habe ohnehin schon Geheimnisse vor meiner Therapeutin, eigentlich bringt das alles hier nichts mehr, aber andererseits tut es doch irgendwie gut, mit ihr zu reden.
„Was ist los, Miles? Du bist heute so ablenkt", stellt sie schon nach 10 Minuten fest.
Seufzend schaue ich sie an. „Ich muss an einen Kumpel von mir denken. Er hat ziemliche Schwierigkeiten bei sich zuhause, ich weiß zwar nicht, was genau da abgeht, aber es scheint nicht schön zu sein. Er wohnt auch nicht mehr zuhause, weil seine Eltern ihn da nicht haben sollen, aber jetzt haben sie ihm die Wohnung gekündigt und so wies gerade aussieht sitzt er in 3 Monaten auf der Straße. Was sollen wir ihrer Meinung nach tun?"
Alice ist nicht dumm, natürlich bemerkt sie sofort, dass es sich um Jackson handelt. Seufzend legt sie die Unterlagen weg , verschränkt die Finger und schaut mich an. „Du und Jackson seid also richtige Freunde geworden, mh?"
Ich nicke.
„Mehr nicht?"
Klar weiß sie, dass ich auf Jungs stehe und sie weiß jetzt ja auch, dass Jackson auf Jungs steht. Sie geht wohl davon aus, bei uns geht was.
Ich schüttele den Kopf. „Er hat einen Freund, aber das wissen sie ja."
Sie nickt, aber ihr Blick wechselt.
Seltsam, ich bilde mir ein, Abneigung darin zu erkennen.
„Finden Sie das schlimm? Also, dass er einen Freund hat und auf Männer steht?"
„Nein!", schießt sie sofort hervor. „Um Gottes Willen, Miles!", sie wirkt etwas empört und schüttelt missbilligend den Kopf. „Ich finde es gut, dass er sich das endlich eingestanden hat und Richard und mir offen gesagt hat, dass er schwul ist. Dass er uns überhaupt noch daran teilhaben lassen wollte. Ich bin auch davon überzeugt, es gibt bestimmt jemanden, der gut für ihn ist, aber dieser Jordan..." Sie schüttelt den Kopf.
Irgendwie bringt mich das zum Schmunzeln. „Er ist großkotzig oder?"
Sie nickt schnell. „Ja! Und so furchtbar narzisstisch!"
Leicht muss ich kichern.
Klar hat sie das alles erkannt, immerhin ist sie Psychologin und darauf trainiert, das Verhalten von anderen und ihre Psyche zu analysieren. Ich finde es sehr gut, dass ich nun nicht mehr der einzige bin, der Jordan scheiße findet.

„Ich will mich ja echt nicht in Jacksons Angelegenheiten einmischen, aber es wirkt wirklich so auf mich, als sei Jordan nicht gut für ihn. Er ist total egoistisch und nutzt Jacks meiner Meinung nach nur aus. Ich hab ihm das letztens klarmachen wollen, er hat so gewirkt, als habe er es kapiert, aber jetzt im Endeffekt hat sich gar nichts geändert und sie haben immer noch Friede Freude Eierkuchen. Ich will ja gar nicht, das Jacks mit ihm Schluss macht, er soll Jordan nur klarmachen, dass er auch Bedürfnisse hat und Meinungen und Gefühle und dass Jordan als sein Freund darauf Rücksicht zu nehmen hat. Verstehen sie, was ich meine?"
Leicht verzweifelt sehe ich Alice an.
Ein Lächeln schleicht sich auf ihre Lippen, als sie nickt. „Natürlich, Miles. Dasselbe habe ich mir auch gedacht. Aber Jackson ist stur. Wenn er mal von einer Sache überzeugt ist, dann ändert es nicht mal etwas daran, wenn er die Wahrheit direkt vor Augen hat. Er ist so einer, der mehr fühlen muss, als denken." Irgendwie sieht sie dabei traurig aus.
Alles in mir drängt mich, nachzufragen wieso, aber ich kann nicht. Es geht mich nichts an.
„Denken sie, er checkt irgendwann, dass er viel zu gut für Jordan ist?"
„Ich denke, er braucht nur jemanden, der ihm beweist, dass er mehr verdient hat. Jackson steht auf Kriegsfuß mit der ganzen Welt. Wenn er begreift, dass es keinen Grund gibt, sich zuzumauern und immer sofort um sich zu schlagen, wenn auch nur ein Windlein weht, wenn er lernt, dass er angenommen wird, ohne, dass ein Kampf nötig ist und dass es Leute gibt, die für sein Wohlbefinden alles tun würden, dann versteht er, dass er viel mehr wert ist, als er glaubt und er wird begreifen, dass seine Beziehung zu Jordan aus nichts besteht, als dem Wunsch geliebt zu werden, selbst, wenn diese Liebe nicht echt ist."

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Real me [BoyxBoy] + Cupid42hearts Where stories live. Discover now