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• M I L E S •

Diese Aktion gestern von Jackson war ja auch echt das Allerletzte. Erst bestellt er mich in den Park und dann wollen er und sein Stecher mir Geld andrehen, als sei ich so eine billige Hure, die für den richtigen Preis bereit ist, alles zu tun.
Keine Frage, Geld kann man immer gut gebrauchen, vor allem in einer etwas größeren Familie und nach so einem Umzug, aber ich lass mich doch nicht bestechen. Vor allem nicht wegen sowas.
Ich meine, was erwarten die denn von mir? Dass ich jetzt Plakate drucke, auf denen steht, dass Jackson und Jordan es treiben? Was würde mir das bringen?
Es gibt Menschen, die erfreuen sich an sowas, daran, wenn sie anderen schaden und lachen sich dann ins Fäustchen, aber ich gehöre sicherlich nicht dazu.
Ich weiß doch selbst wie sowas ist. Natürlich wissen das die beiden nicht, aber nachdem wir uns jetzt schon ein paar Wochen kennen, hätte ich echt gedacht, Jackson wüsste zumindest, dass ich kein komplettes Arschloch bin.

Ich habe zwar auch mal meine fiesen Momente, aber ich würde mich niemals dermaßen in das (Liebes-)leben einer Person einmischen.
Obwohl mich das alles nach wie vor ziemlich verstört, bin ich aber irgendwie froh, zumindest einen Teil von Jacksons Wahrheit zu kennen.
Meine Vermutungen, dass er Angst hat, sein wahres Ich zu zeigen waren ja nicht mal so verkehrt.
Wer von seinen Proleten-Freunden würde denn noch auf ihn hören, wüssten sie, dass er Jordan besteigt?
Oh Gott. Diese ganzen Knutschflecke letztens... waren die etwa von Jordan?
Kein Wunder, dass er mich so über Jacks ausgefragt hat, er war eifersüchtig.
Irgendwie muss ich deshalb grinsen. Jordan sieht mich als Gefahr für seine Beziehung (oder eher Affäre) mit Jackson. Er denkt, Jackson würde sich auf mich einlassen.
Keine Ahnung, wieso mich das jetzt irgendwie stolz macht, ich wollte immerhin nie eine Person sein, die sich zwischen ein Paar drängt und vor allem würde ich wirklich um nichts in der Welt etwas mit dem Oberaffen Jackson O'Brien anfangen, aber obwohl ich wie gesagt kein komplettes Arschloch bin, bin ich doch nur menschlich. Und manchmal provoziere ich Leute ganz gerne, vor allem, wenn ich sie nicht leiden kann wie diesen Gorilla Jordan.
Jackson hat echt einen seltsamen Geschmack.
Ich meine, ganz gut sieht Jordan schon aus, aber diese Muskeln sind schon etwas viel für sein Alter... Entweder trainiert er verdammt viel oder er nimmt irgendwas...

Ich versinke so in meinen Gedanken, während ich über den Schulhof laufe, da drückt sich plötzlich jemand von der Seite an mich und legt den Arm um meine Schultern.
„Hallöchen Popöchen", grinst Logan.
Seit wir über seine Sache mit Emma geredet haben, scheint er unglaublich glücklich zu sein. Das freut mich für ihn.
„Hei", gebe ich nur kurz gehalten zurück und lache leicht, als ich sehe, wie Emma mir vom anderen Ende des Pausenhofs wild zuwinkt.
„Weiß sie, dass ich es weiß?", hake ich bei Logan nach.
„Klar." Er wuschelt einmal durch meine Haare und läuft dann wieder selbstständig neben mir her, ohne an mir zu hängen wie ein paar Hoden.
„Wo geht's hin? Wir haben heute Nachmittag noch Geographie." Logan schaut mich ein bisschen verwirrt an, weil er mir auf den Parkplatz gefolgt ist.
„Lasse ich ausfallen" ich zucke mit den Schultern.
Logan zieht verwirrt die Augenbrauen zusammen, schaut mich besorgt an. „Geht's dir nicht gut? Also Fieber hast du keins."
Lachend schiebe ich seine Hand weg. „Mir geht's gut, Logan. Ich hab nur nen wichtigen Termin. Keine Sorge, ist mit der Schule abgeklärt. Du kannst mir ja deine Notizen schicken oder?"
Er nickt schnell. „Klaro, mach ich." Er umarmt mich und ich erwidere es lächelnd.
„Wir schreiben später", meint er noch, bevor er wieder abzischt.
Einen Moment sehe ich ihm schmunzelnd hinterher, doch erkenne dann, zu wem er geht und mein Lächeln verschwindet, als mein Blick Jacksons trifft. Er starrt mich düster an, doch als er erkennt, dass ich ihn sehe, versucht er locker zu wirken.
Drecks Schauspieler.
Mit einem leichten Schnauben setze ich mich in meine Schrottkarre und fahre los.

Wie macht Jordan das eigentlich mit Jackson mit? Ach ja, er ist ja genauso ein Idiot. Da haben sich echt zwei gefunden.
Ich weiß gar nicht, warum ich mich gedanklich so über all das aufrege, bis ich endlich mal einen Parkplatz finde und hoch in die Praxis gehen kann.
Heute ist meine erste Therapiestunde nach allem, was in der Praxis und beim Abendessen mit Jacksons Familie passiert ist.
Ich weiß nicht, ob ich mich hier noch wohl fühlen kann, sicher.
Ich weiß nicht, ob Alice mir wirklich helfen kann. Sie kommt ja nicht mal mit ihrem eigenen Leben klar.
Und vielleicht war es auch keine gute Idee, mit Olivia auszugehen. Wenn irgendetwas passiert und wir uns nicht mehr so gut verstehen, dann wird es die Hölle, hierher zu kommen.
Außerdem brauche ich doch gar keinen Psychologen mehr.
Mir geht's... okay.
Ich will Alice nicht sehen. Sie ist Jacksons Mutter, also quasi dafür mitverantwortlich, dass er so ist wie er ist.
Vielleicht hat er so eine Angst vor seinem Outing, weil seine Eltern Homophob sind. Bei dem Vater würde es mich nicht wundern.
Vielleicht tut Alice immer nur so, als wolle sie mir helfen und dabei ist es ihr scheißegal, was mit mir passiert.
Schon in den letzten Tagen ist mir aufgefallen, dass meine Gedanken wieder dunkler werden. Mehr. belastender. Sie machen mir Angst. Jetzt gerade ist es besonders schlimm. Ich bin ganz alleine, niemand kann mich davon ablenken, mich meinem Inneren zu stellen. Es verfolgt mich, aber ich habe keine Chance zu fliehen.

Ich dränge mich selbst immer weiter in die Ecke des Fahrstuhls.
Einerseits will ich nur noch hier raus, andererseits will ich nicht in der Praxis ankommen.
Vielleicht macht sie sich ja auch insgeheim über mich lustig, über meine Probleme.
Jackson macht es mit Sicherheit.
Er kennt meine Akte. Noch nie ist mir das Ausmaß dieser Tatsache so bewusst gewesen wie jetzt.
Mir ist schon klar, dass ich auch ein sehr gutes Druckmittel gegen ihn habe, sogar zwei, aber was soll das für eine Welt sein, in der man sich gegenseitig erpressen und ständig Angst haben muss.
Ich will keine Angst mehr haben. Es soll aufhören.

Verdammt, wieso kommt mir dieser Fahrstuhl plötzlich so klein vor. Es ist, als würden die Wände immer weiter auf mich zukommen, mein Herz beginnt zu rasen.
Langsam lasse ich mich in der Ecke, in die ich mich dränge, auf den Boden sinken und sehe den Wänden dabei zu, wie sie sich auf mich zubewegen wie Feinde, die mich umstellen.
Ich merke, wie dünn die Luft hier wird, dass meinem Körper nicht mehr genug Sauerstoff zukommt.
Ich bin völlig alleine hier, aber auch überall.
Keiner wird mich vermissen, wenn ich jetzt und hier sterbe, ersticke, eingequetscht werde, mein Herz einfach so aufhört zu schlagen.
Mir ist schlecht. Ich glaub ich muss gleich kotzen.
Verzweifelt kralle ich meine zitternden Finger in meine Haare.
Es soll aufhören. Mach, dass es aufhört.
Wieso bin ich so allein? Wieso hilft mir niemand?
Die Zeit, die ich in diesem Fahrstuhl verbringe, fühlt sich unendlich an.
Irgendwann stoppen auch all meine vernichtenden Gedanken und das einzige, das sich in meinem Kopf befindet ist: „Ich werde sterben. Und die Welt wird sich ohne mich weiterdrehen. Alle werden mich vergessen. Ich war unwichtig. Ich war unsichtbar. Ich werde allen egal gewesen sein."

All das, ich selbst verschwinde in einer unfassbaren Schwärze, die mich immer tiefer hinab zieht, bevor ich auch nur versuchen kann, mich irgendwo festzuhalten. Aber woran denn? Hier ist nichts. Niemand, der mir helfen kann oder will.
Nein, sie sehen alle nur zu und lachen. Sie machen sie über mich lustig. Und die, die es nicht tun, die schauen weg.
Ich höre Stimmen, die etwas zu mir sagen, spüre ein Ziehen in meinem Arm, als würde mir jemand eine Spritze geben und dann falle ich entgültig.

©Cupid42hearts

Real me [BoyxBoy] + Cupid42hearts Where stories live. Discover now