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• J A C K S O N •

Dass mein Vater mir keine Sekunde Beachtung schenkt, ist für mich nichts Neues. Wahrscheinlich ist es sogar besser so, da es sonst nur irgendwie ausarten würde. Deshalb ist es mir auch egal.
Ich beobachte Miles. Er wirkt die ganze Zeit recht entspannt, bis zu dem Moment, als meine Mutter den Raum betritt. Auch ihr Lächeln verblast und sein Körper spannt sich an.
Es dauert einen Moment, bis sie sich beide wieder fangen. Meine Mutter setzt wieder ein Lächeln auf.
»Hallo, du musst Miles sein. Ich bin Alice«, sie schütteln sich die Hand. Alles wirkt mehr als gekünstelt.

Komisch. Kennen sich die beiden vielleicht?

Nein, woher denn auch?

"Das Essen sollte bald fertig sein, setzt euch doch", meine Mutter macht eine einladende Geste auf den großen Esstisch, der sich im Esszimmer vor uns erstreckt, in das sie uns geführt hat.
Der Tisch ist bereits vollständig gedeckt und auch mehrere Wasserflaschen stehen verteilt auf dem Tisch.
Kurz verschwindet sie in der Küche, um sich wohl zu erkundigen, wie lange das Essen noch auf sich warten lässt.
Ja, meine Eltern haben sogar eigene Köche für heute organisiert.
Wow. Als ich noch hier gewohnt habe, lebte ich hauptsächlich von Dosenessen und Pizza.

Ein paar Minuten später betritt meine Mutter wieder den Raum und setzt sich nun ebenfalls hin, bevor sie sich an Miles richtet.

"Wir können gar nicht beschreiben, wie dankbar wir Dir sind, dass du Emma geholfen hast. Das hier ist das mindeste, was wir tun können", leicht lächelt sie ihn an.

Er bedankt sich herzlich und kurz darauf wird auch schon das Essen gebracht. Man merkt sichtlich, wie unwohl er sich fühlt. Liegt es an meiner Mutter, oder liegt es daran, wie wir hier leben? Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass er auch in einem so großen Haus wohnt.
Während meine Mutter sich etwas mit Miles unterhält, auch wenn das Gespräch sehr erzwungen erscheint, sucht Emma immer wieder das Gespräch mit mir. Doch nach warnenden blicken meines Vater, gehe ich nicht mehr so wirklich darauf ein.
Nur deshalb schaut er mich an.
Ich darf wie es aussieht nichtmal mehr mit ihr reden. Wenn ich nicht einen so großen Respekt vor diesem Mann hätte, wäre es mir scheißegal, so wie vieles andere.

"Wo ist denn die Toilette?", fragt Miles nach einer Weile und unterbricht meine Mutter somit mitten im Satz. Sie stutzt kurz, doch erklärt ihm dann den Weg dorthin.
Er erhebt sich, wirft mir einen kurzen bedeutungslosen Blick zu und verschwindet dann aus der Tür.

Ich warte etwa eine Minute, bevor ich mich ebenfalls erhebe und meine mir noch etwas anderes zu trinken holen zu wollen.
"Du läufst nicht alleine in diesem Haus rum", die schneidende Stimme meines Vaters halt durch den Raum. Wenn er wüsste.
"Schatz, bitte", meine Mutter versucht ihn zu besänftigen und nimmt eine seiner Hände in ihre.
"Was denn? Am Ende klaut er noch etwas, das kann er ja so gut", mit einem Blick, der nur Hass ausdrückt, schaut er mir in die Augen. Stumm halte ich dem Blick stand.
"Ihr würdet es doch nichtmal bemerken, wenn hier etwas verschwinden würde, so blind wie ihr durchs Leben geht. Ihr habt nichtmal euren eigenen Sohn gesehen." Vor Wut kochend will mein Vater aufstehen, doch Mutter hält ihn zurück. Emma schaut erschrocken zwischen uns hin und her.
Ich wende den Blick ab und verlasse mit zügigen Schritten den Raum, um in Richtung Bad zu gehen.

Warum muss ausgerechnet ich so einen Arsch als Vater haben?
Sie sind daran schuld, wie ich mich verändert habe, niemand anders, auch wenn sie gerne allen anderen die Schuld geben. Ich wollte einfach nur endlich mal gesehen werden.

Als ich bei dem Bad ankomme, ist die Tür nur angelehnt. Trotzdem klopfe ich an.
"Ich bin's", meine ich leise.
"Was gibt's?«
Bei der Antwort muss ich leicht schmunzeln.
Ich öffne die Tür und trete ein, ehe ich diese hinter mir schließe.

Miles sitzt auf dem Klodeckel, die Ellenbogen auf den Knien abgestützt. Er sieht aus, als sei er bis eben noch tief in Gedanken versunken gewesen.

"Ich wollte nur fragen, ob alles in Ordnung ist. Du wirkst so angespannt", erkläre ich ihm mein Aufkreuzen und frage mich gleichzeitig, wie ich auf diese dumme Idee gekommen bin, ihm überhaupt nachzugehen.
"Alles gut, hab nur Kopfschmerzen", er scheint es ebenfalls komisch zu finden, dass ich nach ihm schaue. Um ehrlich zu sein, ist es mir auch etwas unangenehm mit ihm in diesem kleinen Raum zu sein.
Ich nicke leicht. "Willst du eine Aspirin?", frage ich ihn und beginne schon in dem kleinen Hängeschrank über dem Waschbecken zu suchen.

"Nein, danke, geht schon. Wenn ich die nehme, hänge ich eine halbe Stunde später über der Kloschüssel", er lacht leicht und auch ich steige nun mit ein.
"Dann komm, gehen wir wieder zurück und lassen den restlichen Abend über uns ergehen", ich strecke ihm meine Hand hin, die er annimmt und ziehe ihn dann hoch.

Woher meine plötzliche Nettigkeit herkommt, keine Ahnung, aber ich könnte mich deshalb verfluchen. Was ist los mit mir?

Ich lasse ihn vorgehen und hole mir noch schnell eine Flasche Cola aus dem Kühlschrank, da wir beim Essen eben nur Wasser hatten und ich das eben als Vorwand hatte, aufzustehen. Ich hasse es einfach nur Wasser zu trinken.
Erstens stillt es meinen Durst nicht, selbst wenn ich gefühlte Badewannen trinke und zweitens bekomme ich von stillem Wasser einfach nur Würgereiz.

Meine Mutter wirft mir einen leicht vorwurfsvollen Blick zu, als ich mit der Cola in der Hand zurückkomme.
Ich verdrehe die Augen, was auch Miles mitzubekommen scheint, der sich mittlerweile einem Gespräch mit Emma zugewandt hat.
Mein Vater tut wieder so, als gäbe es mich gar nicht.

Wer hätte gedacht, dass es sich so schlimm anfühlen kann mit seinen eigenen Eltern an einem gemeinsamen Tisch zu sitzen?

Real me [BoyxBoy] + Cupid42hearts Where stories live. Discover now